Adel verpflichtet? Adel verzichtet - und die Medien drehen durch

Bintje

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Eigentlich glaubte ich, über das "Drama" (shocking, disgusting etc.pp.) im britischen Königshaus erst beim nächsten Friseurbesuch wieder informiert zu werden. Denkste! Selbst der "Spiegel" ließ es sich diesmal nicht nehmen, aktuell damit aufzumachen. Was ist geschehen? Ein junges, reiches Ehepaar dreht seiner durchschnittlich bis hochgradig dysfunktionalen Familie aus königlichem Haus eine lange Nase und seilt sich ab.
Damit könnte man zur Tagesordnung übergehen. Theoretisch. Kommt schließlich auch bei anderen Leuten vor, vermutlich jeden Tag. (Okay: minus Reichtum, Prinzenrolle, Thronfolge-Rang No. 6 und Übersee).

Stattdessen Schnappatmung überall. Die Regenbogenpresse überschlägt sich bis hin zum, siehe oben, einst ehrwürdigen Nachrichtenmagazin, das neuerdings offenbar nicht nur mit "Stern" und "Focus", sondern auch mit "Bunte" und "Gala" konkurriert. Waltraud M. aus Wandsbek, 72, hält unterdessen die Luft an. „Unmöglich! Erst die bombastische Hochzeit mitnehmen und dann aus der Firma aussteigen!“

Indes: Umfragen ergeben sowohl in England als auch in Deutschland offenbar breite Sympathien für die freiwillige Verbürgerlichung von Meghan und Harry. Dass sie sich künftig nicht mehr Royal Highness nennen und auch nicht mehr die britische Königin vertreten sollen: geschenkt. Und die millionenteure, aus Steuergeldern finanzierte Renovierung ihrer bescheidenen Hütte in Windsor wollen sie angeblich ebenfalls zurückzahlen. (Heißt es.)

Leider höchst unwahrscheinlich, dass die Story damit auserzählt ist. Schreibt einer, der es wissen muss: Alan Rusbridger, früher langjähriger Chef beim „Guardian“ und inzwischen u.a. Dozent am Reuters Institute for the Study of Journalism in Oxford, nimmt in einem Hintergrundartikel die seit jeher durchgeknallten britischen Boulevardblätter aufs Korn.

https://www.spiegel.de/panorama/leu...P5bBMTHV8x4VOUqUCKCdNXwH-HQqNtrHoqI6KvKKhNkJs

"Die Rechnung ist unwiderstehlich schlicht: Mit diesem Paar lässt sich Auflage machen, es zieht Milliarden Leser an. Es gibt also nur geringe Hoffnung, dass Zeitungsmacher die Berichterstattung herunterfahren. Aber was ist mit Anstand und Fairness, mit Ehrlichkeit? Nur ein wenig davon würde es uns anderen leichter machen, Dinge besser zu verstehen und mehr Vertrauen zu haben."

Mehr braucht man eigentlich nicht zu wissen. Oder? :)

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sommersonne

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So ist es. Die Medien haben viel zu viel Macht mit der sie nicht umgehen können. Anstand, Fairness und Ehrlichkeit sind seit ein paar Jahren Fremdwörter. Das färbt mittlerweile auch auf die Bevölkerung ab.
 

EnRetard

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Harry, Sohn der von der Boulevardpresse zu Tode gehetzten Diana, hätte es wissen müssen und wusste es mit Sicherheit auch, und hat wahrscheinlich auch sogleich seiner Meghan reinen Wein eingeschenkt: Die rechte Presse auf der Insel wird ein Fest haben: Eine geschiedene Amerikanerin und dann auch noch schwarz. Die beiden sind dicke Kumpels mit den Obamas, die werden ihnen auch in den leuchtendsten Farben beschrieben haben, wie der weiße rechte Mob sich aufführt, wenn er glaubt, ihm würde was weggenommen. So ist es dann ja auch gekommen. Gut, für ihre Nerven dass sie sich nach Kanada zurückziehen, vielleicht wären Neuseeland oder Südafrika noch besser. Und ihren Etat werden sie mit dem Schadenersatz auffüllen, den sie den Hetzblättern aus dem Schlund klagen.
 

Bintje

Well-Known Member
So ist es. Die Medien haben viel zu viel Macht mit der sie nicht umgehen können. Anstand, Fairness und Ehrlichkeit sind seit ein paar Jahren Fremdwörter. Das färbt mittlerweile auch auf die Bevölkerung ab.

Nanu? Ich denke, eine Henne-Ei-Diskussion funktioniert hier nicht. Anders als Teile der Bevölkerung zünden Journalisten keine Häuser an, in denen Ausländer leben und verprügeln auch nicht ihre Gesprächspartner.

Diese Szene stammt aus Griechenland, hätte sich aber genau so gut (oder vielmehr schlecht) in Deutschland, der Türkei, Ägypten oder anderen Staaten abspielen können.

https://www.spiegel.de/politik/ausl...rGB4YXObfgHngB2be2lrPHfTZwXn7ujRLZblY_RE06ZO4

Journalisten haben die Aufgabe, die Öffentlichkeit zu informieren und Realität dabei so gut wie möglich abzubilden. Das machen sie nicht immer so perfekt, wie man es sich im Idealzustand wünscht, und die britische Boulevardpresse macht es sogar richtig mies (wesentlich fieser und härter als die hiesige!). Aber viele, sehr viele Medienmenschen geben wirklich ihr Bestes! Die Meisten. Und wer auf Journalisten eindrischt, hat m.E. ein gewaltiges Problem mit Meinungs- und Pressefreiheit an sich und der Verfassung.

Harry, Sohn der von der Boulevardpresse zu Tode gehetzten Diana, hätte es wissen müssen und wusste es mit Sicherheit auch, und hat wahrscheinlich auch sogleich seiner Meghan reinen Wein eingeschenkt: Die rechte Presse auf der Insel wird ein Fest haben (....)
Und ihren Etat werden sie mit dem Schadenersatz auffüllen, den sie den Hetzblättern aus dem Schlund klagen.

Das ist ihnen wirklich zu wünschen. Ich weiß nicht, ob Ihr die Anmerkung der Redaktion unter dem eingangs verlinkten Text gelesen habt: aber sie warf ein bezeichnendes Licht auf die britischen Verhältnisse.

*Anmerkung der Redaktion: Der Leveson-Ausschuss - benannt nach seinem Vorsitzenden, dem Richter Brian Leveson - war 2011 vom damaligen Premierminister David Cameron eingesetzt worden. Er sollte die Praxis der Zeitung "News Of The World" untersuchen, Handy-Mailboxen von Prominenten, Politikern, entführten Kindern und Terroropfern heimlich abzuhören, um sie für Schlagzeilen auszuschlachten. Bei den öffentlichen und im Internet übertragenen Sitzungen wurden 337 Zeugen angehört, darunter prominente Abhöropfer wie Hugh Grant oder J.K. Rowling, aber auch Politiker, Polizeifunktionäre und natürlich Pressevertreter, bis hin zu Verlagseigner Rupert Murdoch.

Zum Abschluss publizierte die Kommission am 29.11.2012 einen 2000-seitigen Bericht, in dem unter anderem die Einrichtung einer neuen, unabhängigen Presseaufsichtsbehörde empfohlen wurde. Die Regierung Cameron setzte diesen Vorschlag allerdings nicht um. Auch ein eigentlich geplanter zweiter Teil der Untersuchung wurde zunächst verschoben und schließlich 2017 von den Tories endgültig ad acta gelegt.

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EnRetard

Well-Known Member
Die Regierung Cameron setzte diesen Vorschlag allerdings nicht um. Auch ein eigentlich geplanter zweiter Teil der Untersuchung wurde zunächst verschoben und schließlich 2017 von den Tories endgültig ad acta gelegt.

Das liegt an der Verfilzung der Tory Party mit den Medien von Rupert Murdoch, dem "gefährlichsten Mann der Welt". Das Verhalten dieser Blätter, plus Daily Express und Daily Mail, gegenüber Meghan Markle ist durch und durch menschenverachtend. Sie haben sie von Anfang an in einer Weise beschrieben, die bei der geneigten Leserschaft als "unverschämte geschiedene amerikanische N*rschlampe", Wallis Simpson in schwarz, ankommen sollte.
 

sommersonne

Well-Known Member
Nanu? Ich denke, eine Henne-Ei-Diskussion funktioniert hier nicht. Anders als Teile der Bevölkerung zünden Journalisten keine Häuser an, in denen Ausländer leben und verprügeln auch nicht ihre Gesprächspartner.
Davon bin ich auch nicht ausgegangen. Das wäre ja noch schöner.
Medien sind meinungsbildend und das ist ihnen nicht mehr bewußt oder es ist ihnen egal, Hauptsache die Kasse klingelt. Natürlich nicht alle, aber immer mehr. Vielleicht liegt es auch nicht unbedingt am "kleinen" Journalisten, sondern an der Chefetage, die auf Auflage dringt.

Unheil kann man auch ohne körperliche Gewalt anrichten.
Ich habe kein Problem mit Pressefreiheit, aber ich habe ein mulmiges Gefühl in letzter Zeit. Ich hoffe das sich bald wieder "pure" Information durchsetzt.
 
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