Afghanistan

Bintje

Well-Known Member
Ich denke schon länger, dass Afghanistan einen eigenen Thread wert wäre, bin aber zu faul. Wer macht einen? ;)

Immer der, der fragt :p ich habe einen Vorschlag für den Titel "Wir fliegen lieber Bier und Gedenksteine aus statt den Menschen die uns dort halfen".

In eroberten Teilen des Landes hängen schon wieder Leichen an den Laternen. Auf jeden Fall bin ich mal gespannt was bei den Verhandlungen mit den Taliban raus kommt.

"Der Afghanistan-Krieg nimmt ein mehr als unrühmliches Ende. "Mission accomplished", hat Generalleutnant Erich Pfeffer, Chef des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, den abgezogenen deutschen Truppen zugerufen. Welch ein Irrtum, welch eine Irreführung! You cannot accomplish a mission impossible. Ein Krieg, den man nicht gewinnen kann, ist ein verlorener Krieg. Von "Auftrag ausgeführt" kann da keine Rede sein. Die Ehrlichkeit gebietet das Eingeständnis: Nach fast 20 Jahren hat der von den USA angeführte Westen kapituliert. Deutschland blieb nach dem Prinzip "Gemeinsam rein, gemeinsam raus" nur, die Kapitulation mitzuvollziehen."


Diesen Kommentar schrieb Theo Sommer vor mehr als einem Monat, und ich fand, er traf in weiten Teilen den Nagel auf den Kopf.
Schon die Russen hatten sich am Hindukusch verausgabt, das Land stürzte in einen Bürgerkrieg.
Nun ist der Westen abgezogen. Die Taliban gewinnen wieder die Oberhand. Immerhin seien etliche afghanische Helfer, die die Deutschen während des langjährigen Einsatzes unterstützt hatten, inzwischen in Sicherheit, meldete kürzlich das "Migazin". Aber zahlreiche weitere Helfer müssten noch auf die Ausreise warten. Andere haben gar kein Visum und laufen bei Fluchtversuchen sicherlich auch den Taliban in die Arme, die angeblich schon alle Grenzübergänge nach Iran kontrollieren.

Zugleich hält die Bundesregierung an Abschiebungen in eines der unsichersten Länder der Welt fest, einen zerfallenden Staat, der inzwischen wieder überwiegend von den radikalislamistischen Taliban kontrolliert wird.
Dieser Tage eroberten die Taliban Kunduz. Bis sie die Hauptstadt Kabul einnehmen, scheint nur eine Frage der Zeit.

Während Erdoğan als einsamer Nato-Außenposten den Flughafen in Kabul mit Hilfe syrischer Söldner zu schützen versprochen hat und dabei offenbar auch auf Ungarn und Pakistan baut, setzt das Auswärtige Amt in Berlin auf Gespräche mit den Taliban: die laut Medienberichten angeblich "versichert" haben sollen, sich für den Schutz der langjährigen Unterstützer der deutschen Soldaten einzusetzen. Wer's glaubt ...
Auch andere internationale Beteiligte kochen ihr ganz eigenes Süppchen in Afghanistan.


Kurzum: Das Chaos ist perfekt. Den gebeutelten Menschen in Afghanistan drohe "eine neue Schreckenszeit", sagt der frühere Außenminister Joschka Fischer.
Und nun? Wie weiter?
 

Alubehütet

Well-Known Member
Schon die Russen hatten sich am Hindukusch verausgabt
Das Trauerspiel von Afghanistan.

Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt,
Ein Reiter vor Dschellalabad hält,
„Wer da!“ – „„Ein britischer Reitersmann,
Bringe Botschaft aus Afghanistan.““

Afghanistan! er sprach es so matt;
Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,
Sir Robert Sale, der Commandant,
Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.

Sie führen in’s steinerne Wachthaus ihn,
Sie setzen ihn nieder an den Kamin,
Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht,
Er athmet hoch auf und dankt und spricht:

„Wir waren dreizehntausend Mann,
Von Cabul unser Zug begann,
Soldaten, Führer, Weib und Kind,
Erstarrt, erschlagen, verrathen sind.

„Zersprengt ist unser ganzes Heer,
Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,
Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,
Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt.“

Sir Robert stieg auf den Festungswall,
Offiziere, Soldaten folgten ihm all’,
Sir Robert sprach: „Der Schnee fällt dicht,
Die uns suchen, sie können uns finden nicht.

„Sie irren wie Blinde und sind uns so nah,
So laßt sie’s hören, daß wir da,
Stimmt an ein Lied von Heimath und Haus,
Trompeter, blas’t in die Nacht hinaus!“

Da huben sie an und sie wurden’s nicht müd’,
Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,
Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,
Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.

Sie bliesen die Nacht und über den Tag,
Laut, wie nur die Liebe rufen mag,
Sie bliesen – es kam die zweite Nacht,
Umsonst, daß ihr ruft, umsonst, daß ihr wacht.

Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
Vernichtet ist das ganze Heer,
Mit dreizehntausend der Zug begann,

Einer kam heim aus Afghanistan.


Theodor Fontane (1858)

 
Zuletzt bearbeitet:

sommersonne

Well-Known Member
Ich bin immer wieder erstaunt in welche Desaster sich der Westen immer wieder hinein ziehen lässt, nein sich selbst hinein zieht. In welchem arabischen Land hätte wann schon mal eine solche militärische Intervention Erfolg gehabt.
Das hat nicht mal damals bei den Kreuzzügen geklappt. Nichts dazu gelernt ...

Jetzt brauchen wir unsere Freiheit nicht mehr am Hindukusch zu verteidigen.
 

sommersonne

Well-Known Member

Alubehütet

Well-Known Member
In welchem arabischen Land hätte wann schon mal eine solche militärische Intervention Erfolg gehabt.
Rein militärisch: Irak. Saddam Hussein ist weg. Das Problem war, daß man für das Danach nie ein Konzept hatte. Anders als für Deutschland.

Afghanistan ist anders. Afghanistan kannst Du, wie die Schweiz, nie militärisch erobern. Ein ähnliches Problem hat schon die Türkei mit den Kurden in den Bergen.

In Afghanistan hätte man die Finanzquellen austrocknen müssen. Aber für eine weltweite Freigabe und Legalisierung von Heroin sind wir noch nicht weit genug. Selbe Problem Mexiko. Legalisiere Kokain, und Du kriegst viel Druck aus dem Kessel.
 

sommersonne

Well-Known Member
Rein militärisch: Irak. Saddam Hussein ist weg. Das Problem war, daß man für das Danach nie ein Konzept hatte. Anders als für Deutschland.
Das ist ein schlechtes Beispiel. Der Irak wurde angegriffen obwohl es den USA bewusst war das es keine Atombomben gab. Die gewünschte Veränderung und Stabilisierung des Landes wurde auch nicht erreicht, ganz im Gegenteil. Al Kaida ist aus den unterlegenen irakischen Soldaten und Offizieren entstanden.
 

Alubehütet

Well-Known Member
Aber der Irak war kein militärisches Problem. Weil Du ja meintest, Militärinterventionen im Nahen Osten hätten noch nie funktioniert, gerechtfertigt oder nicht.

So, wie man den Irak kaputtboykottiert hatte, war das einzige, was noch funktionierte, und das mit hoch ausgebildeten Männern, das Militär. Und nicht einmal denen bot man eine Perspektive. Du meinst übrigens den IS.

In das kaputtgebombte Deutschland kam man mit Marshallplan, Tschuwinggamm und Glenn Miller, Nachrücker Elvis. Im Irak hatte man nichts dergleichen. In Afghanistan sind wir aber nie so weit gekommen.
 

sommersonne

Well-Known Member
Aber der Irak war kein militärisches Problem. Weil Du ja meintest, Militärinterventionen im Nahen Osten hätten noch nie funktioniert, gerechtfertigt oder nicht.

So, wie man den Irak kaputtboykottiert hatte, war das einzige, was noch funktionierte, und das mit hoch ausgebildeten Männern, das Militär. Und nicht einmal denen bot man eine Perspektive. Du meinst übrigens den IS.

In das kaputtgebombte Deutschland kam man mit Marshallplan, Tschuwinggamm und Glenn Miller, Nachrücker Elvis. Im Irak hatte man nichts dergleichen. In Afghanistan sind wir aber nie so weit gekommen.
Kein militärisches Problem? Ich habe Tage vor dem Fernseher gesessen als die Amerikaner den Irak zerbombt haben. Man durfte dem Krieg zusehen. Für mich ist das militärisch genug.
So etwas wie ein Marshallplan war da garnicht vorgesehen.

Ja, du hast recht, ich meinte den IS, danke.

Ich bezweifle das ein Marshallplan für Afghanistan vorgesehen war.
 

Msane

Well-Known Member
Über 1 Billionen Dollar hat die Internationale Gemeinschaft in über 20 Jahren in Afghanistan gesteckt, das dürfte wohl der mit Abstand größte Marschallplan aller Zeiten gewesen sein.
Alles Perlen vor die Säue, die Afghanen schaffen es tatsächlich bei Aufbauprojekten bis zu 100% der Finanzierung in Korruption verschwinden zu lassen... deshalb ist das Leid der Bevölkerung trotz umfangreicher Hilfe so groß.

Wenn ich zu meinem Bücherregal gehe, stelle ich fest, dass die Afghanen wirklich alle Kriterien erfüllen welche in geschichts- und völkerkundlicher Literatur als wohlstandsverhindernd beschrieben werden.

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