Bildungsfaschismus

Zerd

Well-Known Member
Es gibt so einiges, das mich zur Zeit beschäftigt...

ZB war ich vor einigen Tagen mit ein paar Lehrern zusammengesessen. Einer davon erzählte mir, dass vier der sechs Schüler, die bei ihm das Klassenziel nicht erreicht haben, Migrationshintergrund hätten. Ein anderer meinte, dass bei ihm alle beide Sitzenbleiber Migrationshintergrund hätten, obwohl ihr Anteil in der Klasse nur 30% beträgt. Ich sagte, sie sollten sich darüber nicht den Kopf zerbrechen, da es ja hinlänglich bekannt sei, dass in keinem anderen westlichen Land der schulische Erfolg so stark von der Herkunft und dem Elternhaus abhinge wie in Deutschland und sie somit voll im Trend lägen.

Das hat sie dann gekränkt, weil sie sich ja für so aufgeschlossen und objektiv halten. Der eine konterte die erwähnte Statistik sofort mit dem Hinweis, dass wohl auch kein anderes Land so detaillierte statistische Daten zur Verfügung stellen würde wie Deutschland und der andere beteuerte, dass diese Schüler eben tatsächlich die schwächsten gewesen seien. Dann habe ich etwa eine halbe Stunde versucht, ein Gespräch mit ihnen darüber zu führen, dass es doch eigentlich keinen Grund geben könne, weshalb der schulische Erfolg trotz gleicher Voraussetzungen bei irgendeinem Volk statistisch signifikant von dem eines anderen Volkes abweicht. Und es war unglaublich, welche Vielzahl an latenten Vorurteilen dabei ans Tageslicht kam, derer sich diese aufgeschlossenen studierten Lehrer nicht einmal bewusst waren. Dieses Land braucht wirklich mehr, und zwar sehr viel mehr Lehrer mit Migrationshintergrund, damit dieser nicht einmal beabsichtigte Bildungsfaschismus endlich ein wenig eingedämmt werden kann.

Und wenn wir schon bei Faschismus sind, dann darf das Thema Griechenland natürlich nicht übergangen werden. Ich kann jedenfalls nur den Kopf darüber schütteln, wenn ich daran denke, welche Summen noch vor ein paar Jahren den systemrelevanten Banken (und natürlich ihren Potenten Anlegern) in den Rachen geschoben wurde und wie nun ein ganzes Land und seine Bevölkerung (leider nicht "systemrelevant") für einen Bruchteil dieser Summe erpresst wird, doch bitte ebenso sehr Politik für den neuen Geldadel zu machen (sprich Privatisierung der Staatsbetriebe und Stärkung des Finanzsektors). Vor dem einen großen Krieg, den in diesen Breitengraden die Politik zur Wiedereinführung der Aristokratie gegen ihre eigene Bevölkerung betreibt, sind alle anderen Brennpunkte dieser Erde eigentlich nur Nebenkriegsschauplätze und Ablenkungen.
 

nordish 2.0

Well-Known Member
Dieses Land braucht wirklich mehr, und zwar sehr viel mehr Lehrer mit Migrationshintergrund, damit dieser nicht einmal beabsichtigte Bildungsfaschismus endlich ein wenig eingedämmt werden kann.
Was für ein Bildungsfaschismus (beabsichtigt oder nicht)?
Letztens schrieb Yalovali etwas von Bildungsverlierern?

Was sind das für Wortkonstrukte?
Was sollen sie aussagen?

Warum bleiben so viele Schüler ohne Migrationshintergrund sitzen, haben sie doch üpberwiegend auch Lehrer ohne Migrationshintergrund?
Warum sollten dann Schüler mit Migrationshintergrund mit Lehrern mit Migrationshintergrund dann weniger sitzen bleiben?

Hauptsache einen Schuldigen für das eigene Versagen suchen.
 

Almancali

Well-Known Member
Hauptsache einen Schuldigen für das eigene Versagen suchen.
Dazu muss man aber in der Lage sein, sein eigenes Versagen zu bewerten. Ich kann mir schon vorstellen, dass die Zahl der Schüler mit Migrationshintergrund sehr wohl Probleme mit der Schule haben bzw. Abschlüsse nicht schaffen. Das liegt aber nicht immer am Unwillen dieser Schüler, sondern eher daran, dass ihnen nicht geholfen wird.

Schauen wir usn die Eltern dieser Migrantenkinder mal genauer an (nehmen wir als Beispiel die Türken). Viele dieser Zuwanderer (Gastarbeiter), die in den 60ern und 70ern hier herkamen, waren in der Regel die ärmeren Türken. Türken, die auf Grund mangelhafter Schulbildung, fehlender Arbeit, keine Perspektive usw. den Schritt in die BRD wagten, um hier Geld zu verdienen und um eines Tages wieder in die TR zurückzukehren.

30 Jahre später sind diese Menschen immer noch in der BRD. Haben hier ihre Kinder bekommen, sind ggf. bereits Rentner usw. Die Kinder besuchen hier die hiesigen Schulen und leiden stark unter den Anforderungen der Schulform. Niemand da der ihnen hilft. Keiner der die Hausaufgaben kontrolliert, da die Eltern vermutlich selbst keine Peilung haben. Keine Hilfen bei Mathe, Geschichte, Deutsch usw.

Ich berichte mal, wie ich meine Schulzeit wahrgenommen habe:
Mein Vater stammte aus ärmlichen Verhältnissen aus einer Region rund um den Marmara-Meer. Schule hat er offensichtlich nicht wirklich besucht (obwohl er gegenteiliges behauptet). Einfachste mathematische Konstrukte aus der Algebra 1 (von Algebra 2, Analysis 1 und Analysis 2 wollen wir nicht sprechen), sind ihm unbekannt. Er kann zwar Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren und Dividieren. Auch etwas Prozentrechnung ist vorhanden. Allerdings Dinge wie Binomische Formeln, Matritzen usw. sind ihm nicht bekannt.

Auch Rechtschreibung und Grammatik (unter der ich persönlich auch leide), sind bei ihm kaum ausgeprägt. Da ist absolut nichts vorhanden. Meine damaligen Hausaufgaben in Deutsch hat er nur nach "Buchstabenform" begutachtet. Er hat sich immer aufgeregt, wenn die Buchstaben nicht ordentlich aussahen. Den Konstrukt des Satzes, Satzbau, Rechtschreibung, Grammatik, Sinn und Inhalt der Sätze, das kannte er nicht. Bis zur vierten Klasse waren mir zahlreiche Wörter nicht bekannt. In einem Übungsdiktat kamm das Wort "Sanitäter" vor, welches ich (obwohl ich in der BRD geboren wurde) nicht kannte. Stattdessen schrieb ich "Sahen die Täter".

Geschichte, Physik, Mechanik, Erdunde, Politik usw. Das konnte man richtig knicken. Selbst meine Schulzeit war geprägt von zahlreichen Stolpersteinen (habe aber keine Klasse wiederholt) und letztendlich doch noch zum Studium an einer Uni geschafft. Erst jetzt mit 42 -> rückblickend -> kann ich sagen: Man hätte es auch wesentlich einfacher haben können. Ich hätte mir auch unendlich viele peinliche Momente sparen können, hätten meine Eltern selbst eine einigermaßen vernünftige Schulbildung mitgenommen. Hausaufgaben tat ich, während meine Eltern im Wohnzimmer den Pädagogen mitlaufen ließen. Von Ruhe, Konzentration und den damit verbundenen Anforderungen des Lernens, wollen wir mal garnicht sprechen.

Doch ja. Migrantenkinder haben definitiv die Arschkarte, wenn die Eltern selbst keine Schule besucht haben und keinen Plan haben, wie man ihren Kindern helfen kann (ja, es nicht einmal merken, dass diese Hilfe benötigen).
 

Lady Yumus

Well-Known Member
Es gibt so einiges, das mich zur Zeit beschäftigt...

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Ich sagte, sie sollten sich darüber nicht den Kopf zerbrechen, da es ja hinlänglich bekannt sei, dass in keinem anderen westlichen Land der schulische Erfolg so stark von der Herkunft und dem Elternhaus abhinge wie in Deutschland und sie somit voll im Trend lägen.
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Das hat sie dann gekränkt, weil sie sich ja für so aufgeschlossen und objektiv halten.
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Und es war unglaublich, welche Vielzahl an latenten Vorurteilen dabei ans Tageslicht kam, derer sich diese aufgeschlossenen studierten Lehrer nicht einmal bewusst waren.
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Danke, dass du dieses Thema angesprochen hast, Zerd. Ich wollte gerade in einem anderen Thread etwas darüber schreiben, da mich einige Vorkommnisse der letzten Woche sehr beschäftigen im Moment.

Ein kleiner Einblick in ein deutsches Lehrerzimmer eines eher ländlich gelegenen Berufsbildungszentrums, geschehen in der letzten Woche und bezugnehmend auf einige oben von Zerd genannten Punkte:

  • "Vor 70 Jahren wären die (Schüler, die wegen wiederholten Diskriminierungen seitens der Lehrkraft einen Beschwerdebrief an den Schulleiter geschrieben haben) für soetwas im KZ gelandet!" :eek:
  • Bei der Kursaufteilung von 84 Schülern auf 4 Leistungskurse "Deutsch": 3 der 4 Lehrer (inkl. mir), die im kommenden Schuljahr einen solchen Kurs bekommen werden, sitzen in einer Freistunde zusammen im Lehrerzimmer, um die Schüler auf die einzelnen Lehrkräfte zu verteilen. Folgende Kommentare fielen von meiner "Lieblingskollegin" beim Durchgehen der Namen:
    • "Lan Anh" (vietnamesischer Mädchenname): "Was, das soll ein Mädchen sein? Nee du, die will ich nicht, so nen komischen Namen werde ich mir nie merken können! Dann nehme ich lieber die Klara oder Josephine.
    • "Hülya": "Lass mal, was soll das bringen? Wozu braucht die Abitur? Die wird doch sowieso bald zwangsverheiratet und landet als Gebärmaschine hinterm Herd! Ich nehme lieber Thomas, sein Vater ist Tierarzt, das kann ganz nützlich sein!!" :mad: (Die Olle reitet und hat einige Pferde und erhofft sich dadurch wohl Sonderkonditionen etc.)
    • "Lara-Annina": "Ne du, Pornodarstellerinnen/ -namen will ich auch nicht!" :eek:
Ich saß wirklich fassungslos daneben! Ich hasse diese Schnäpfe (sorry!) sowieso schon seit dem ersten Tag! Und sie mich auch. :D Sie beschwert sich wo es nur geht über Kollegen und Schüler. Sie lästert sogar lautstark auf dem Flur über die "Dummheit" einzelner Schüler und erwähnt sie dabei sogar namentlich!

Ich muss dazu sagen, dass ich von den 5 Klassen, die in Kurse einzuteilen waren, 3 Klassen bereits gut kenne, da ich sie in der 11. Klasse unterrichtet habe. Welche Schüler(namen) habe ich mir also gleich zu Anfang freiwillig ausgewählt? Mert, Shira, Patrycja, Joana, Samira, Alessa etc. Dazu noch eine übergewichtige Schülerin und eine, die leider an Krebs erkrankt ist und deshalb häufiger gefehlt hat im letzten Jahr...
Versteht es jetzt bitte nicht falsch, dass ich mich damit profilieren möchte... Ich wollte nur einmal einen Einblick in eine (hoffentlich nicht representative!!) Schule im Norden Deutschlands geben!

Ich freue mich übrigens auf meinen Kurs! Die o.g. Schüler sind nämlich sehr nett und motiviert. Klar, sie haben auch ihre Schwächen und Defizite, die hat ein "Thomas" oder "Christian" aber auch!!
Ein türkischer Schüler möchte später sogar einmal selber Lehrer werden. :) Und ich werde versuchen mein Möglichstes dazu beizutragen um ihn und die anderen auf ihrem Weg zum Abitur zu unterstützen. Auch wenn ich ein wenig Bammel vor dieser Aufgabe habe, da ich soetwas noch nie gemacht habe, da ich vorher auf einer reinen Berufsschule für kaufmännische Ausbildungsberufe war..
Aber wie sagt ein netter Kollege von mir immer: "Mit der Strenge eines Vaters und der Wärme/ Fürsorge einer Mutter ist alles zu schaffen in der Schule!" ;)

PS: Evtl. versteht ihr jetzt, warum ich mich sooft über diese Schüle beschwere und schnellstmöglich dort weg möchte!!!! I hate it, but I love my pupils!
 

Lady Yumus

Well-Known Member
Was für ein Bildungsfaschismus (beabsichtigt oder nicht)?
Letztens schrieb Yalovali etwas von Bildungsverlierern?

Was sind das für Wortkonstrukte?
Was sollen sie aussagen?

Warum bleiben so viele Schüler ohne Migrationshintergrund sitzen, haben sie doch üpberwiegend auch Lehrer ohne Migrationshintergrund?
Warum sollten dann Schüler mit Migrationshintergrund mit Lehrern mit Migrationshintergrund dann weniger sitzen bleiben?

Hauptsache einen Schuldigen für das eigene Versagen suchen.

Das sehe ich ein wenig anders:
Tagtäglich bekomme ich mit, wie Schüler wegen der unterschiedlichesten "Merkmale" diskriminiert und benachteiligt werden. Sicher nicht von jedem Lehrer, aber leider doch von zu vielen von ihnen! Sei es weil sie nicht 100%ig in Wort und Schrift der Deutschen Sprache mächtig sind oder aber aus einer sozial schwachen Familie kommen.. Viele meiner Kollegen treten diese jungen Menschen mit Füßen und lassen sie spüren, dass sie als minderwertig betrachtet werden. Es fehlt ihnen einfach an Verständnis und Empathie für die Situation der Schüler! :mad:

Anderes Beispiel: Ich habe im vergangenen Jahr in einer Klasse der Berufsfachschule für Einzelhandel "Rechnungswesen" unterrichtet. Was ja nicht unbedingt zu den Lieblingsfächern der meisten Schüler zählt. ;)
Diese Klasse war nicht gerade einfach (Hauptschüler und Realschüler, vielfältige Migrationshintergründe, ehemalige Strafgefangene, Opfer von häuslicher Gewalt, Mädchen, die mit 16 Jahren schon eine Abtreibung hinter sich hatten, Lernschwächen etc.). Viele Kollegen habe diese Jugendlichen spüren lassen, dass sie sie am unteren Rand der Gesellschaft sehen und sie sowas von respektlos behandelt (Mittelfinger zeigen, Beleidigungen übelster Art, Diskriminierungen, Inkonsequenz (z.B. den Schülern das Trinken in der Stunde verboten während der Kollege in der Stunde genüßlich seinen Kaffee geschlürft hat) etc.
Die Schüler haben diesen Kollegen das Leben natürlich zur Hölle gemacht! Es gab unzählige Klassenkonferenzen über meist wirklich lächerliche Dinge bis hin zum Schulausschluss für manche der Schüler.
Ich habe wirklich keinen sozial- oder sonderpädagogischen Hintergrund und es ging das eine oder andere Mal auch etwas chaotisch zu, ABER meine Schüler waren niemals respektlos mir gegenüber, im Gegenteil: Sie wischten freiwillig die Tafel, hielten mir die Türen auf etc. Viele Kollegen konnten es nicht glauben, dass diese Klasse sich gesittet verhalten kann und Unterricht möglich ist!! Klar, manche haben Fehlzeiten im 3-stelligen Bereich, waren also so gut wie nie im Unterricht, manche machten einfach nie ihre Hausaufgaben etc. Diesen Schüler musste ich also schlechte Noten geben.. Aber es gab auch viele Schüler, die wieder Mut fassten und wirklich gute Noten erzielt haben (1-2). Sie waren aber auch sehr fleißig, führten ihre Mappen vorbildlich etc. Das glaubte mir kein Kollege! Die meistens stehen kurz vorm Burn-out und lassen ihre psychischen Probleme an den schwächsten Gliedern in der Kette aus! :mad:

Für das kommende Schuljahr habe ich mich wieder freiwillig für diese Klassenstufe gemeldet. Und morgen mache ich mit dieser Klasse ein schönes Abschlussfrühstück: Jeder hat auf einer Liste eingetragen, was er mitbringen wird.. Meine Kollegen schütteln nur den Kopf, es würde ja sowieso niemand etwas mitbringen und Bock hätten sie erst recht nicht mit denen zu frühstücken!
Frag mich mal, Kollege, ICH habe keinen Bock auf solche deplatzierten Leute wie euch!!! :p
Ich freue mich auf das Frühstück morgen und bin mir sehr sicher, dass es uns an nichts mangeln wird, da fast jeder Schüler etwas mitbringen wird. Zum Halbjahr hatte es auch ganz prima geklappt. Und es haben sich wirklich interessante und nette Gespräche über den Unterricht hinaus ergeben. :)
 
Zuletzt bearbeitet:

Almancali

Well-Known Member
@Lady Yumus: Bei den von dir genannten Beispielen, wo die Kinder bereits anhand ihrer Namen gewissen Diskriminierungen ausgesetzt sind, stellt sich letztendlich sogar eine doppelte Ladung an Problemen ein. Zum Einen, weil sie ggf. durch ihre Familien (wie ich es beschrieben habe) keine Hilfe erhalten und zum Anderen, die Lehrer, die bereits eine Pauschalverurteilung abgegeben haben.
 

alterali

Well-Known Member
Was für ein Bildungsfaschismus (beabsichtigt oder nicht)?
Letztens schrieb Yalovali etwas von Bildungsverlierern?

Was sind das für Wortkonstrukte?
Was sollen sie aussagen?

Warum bleiben so viele Schüler ohne Migrationshintergrund sitzen, haben sie doch üpberwiegend auch Lehrer ohne Migrationshintergrund?
Warum sollten dann Schüler mit Migrationshintergrund mit Lehrern mit Migrationshintergrund dann weniger sitzen bleiben?

Hauptsache einen Schuldigen für das eigene Versagen suchen.
Sie es mal sportlich!
Im Sport ist erst einmal der Trainer Schuld. Der wird gefeuert.
 

Lady Yumus

Well-Known Member
@Lady Yumus: Bei den von dir genannten Beispielen, wo die Kinder bereits anhand ihrer Namen gewissen Diskriminierungen ausgesetzt sind, stellt sich letztendlich sogar eine doppelte Ladung an Problemen ein. Zum Einen, weil sie ggf. durch ihre Familien (wie ich es beschrieben habe) keine Hilfe erhalten und zum Anderen, die Lehrer, die bereits eine Pauschalverurteilung abgegeben haben.

Da hast du leider Recht. Es beginnt schon bei den Namen und geht mit diskriminierender Behandlung im Unterricht weiter! :mad:
 

Zerd

Well-Known Member
....
... Ich wollte nur einmal einen Einblick in eine (hoffentlich nicht representative!!) Schule im Norden Deutschlands geben!

...

Deine Hoffnung trügt vermutlich, denn die von mir geschilderten Eindrücke stammen aus einer ebenfalls ländlich gelegenen Berufsschule im Süden des Landes. Und ganz ähnliche Kommentare, wie Du sie beispielhaft anführst, sind auch hier zu vernehmen. Und selbst den Beschwerdebrief einer Klasse gegen einen Lehrer hat es gegeben, mit dem selbst ich schon einmal eine Diskussion hatte, weil er eine türkische Schülerin mehrfach mit dem Spruch "wir sind hier nicht in der Koranschule" zurechtweisen zu müssen glaubte (interessanterweise war es eine recht gut integrierte überhaupt nicht religiöse Schülerin, die noch nie eine Koranschule von innen gesehen hatte; für ihn war der türkische Name Grund genug!). Dem verbeamteten Lehrer und seinem Schulleiter ging dieses Schreiben sonstwo vorbei; im Gegenteil, Letzterer hielt es sogar für nötig, die Schüler zurechtzuweisen.

Lehrer mit Migrationshintergrund, vor allem wenn sie hier aufgewachsen sind, hätten einfach den Vorteil, dass sie ihr ganzes Leben lang immer wieder mit gezielter oder gut gemeinter latenter Diskriminierung zu tun hatten und aufgrund dieser Erfahrungen ihren Kollegen gehäuft einen Eindruck davon geben könnten, wie manche Aussagen und Verhaltensweisen gerade auf heranwachsende Schüler wirken.

Und was die Verhältnisse zuhause oder den Bildungsgrad der ersten Gastarbeitergeneration angeht: unter anderem genau darin liegt doch das Versagen dieses Schulsystems, dass diese mittlerweile 50 Jahre alten Nachteile selbst heute noch in der dritten und vierten Generation zum Tragen kommen. Wenn ich 50 Jahre lang mit zweierlei Mass messe und bei der EMpfehlung für die weiterführende Schule oder der Versetzungsentscheidung lieber mal bei einem Akademikerkind ein Auge zudrücke als bei einem, dessen Namen ich (nach 50 Jahren!) nicht einmal richtig aussprechen kann, dann kommt eben genau dieses Ergebnis zustande.
 
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