Die Einsamkeit des Briefzustellers

alterali

Well-Known Member
Es begab sich aber zu der Zeit,
als es in Deutschland noch eine ehrenvolle Aufgabe des Staates war, Briefe zu befördern.
Ja der Staat hatte ein Monopol darauf.


Er hatte bei dem Staatsunternehmen für die Semesterferien als Aushilfe als Briefträger angefangen.
Eine blaue Armbinde mit Posthorn am Arm das war alles. Einen Eid musste er nicht leisten.

Man holte sich die Briefe aus einem Verteilerregal ab und sortierte sie so wie man die Tour laufen wollte.
Er hat das auch schnell kapiert und es bei seiner ersten Strecke auch innerhalb weniger Tage
nach der ersten Tour zum Briefträgertreff bei Tchibo zu einer Tasse Kaffee geschafft.
Dann wieder rein ins Postamt zur Nachmittagstour.
Das war oft schwierige Arbeit. das Aufkommen an Briefen und Karten (ja auch Päckchen) war wesentlich geringer.
Zu der Zeit wurden die Hausbriefkästen auch gerade erst erfunden.
Und wegen einzelner Sendungen hoch in die 4. Etage das war nicht gerade optimal.
Also: jetzt galt es: Die Tour war sortiert. so 2, 3 Sendungen passten nicht. Es gab so ein Fach,
in welches man Briefe zurückstecken konnte wenn sie nicht zur eigenen Tour gehörten. Dort hinein mit den Briefen
und sofort nix wie raus.
Dann bekam man sie am nächsten Morgen. Da war es dann auch in Ordnung.

Ja aber das funktionierte nicht immer. Die Verteiler kannte ja alle Tricks.
Die steckten Dir die Rückläufer blitzschnell wieder in Dein Fach.

Ja einmal hatte er dann wieder so eine Urlaubskarte, schon über eine Woche unterwegs,
4. Etage im Seitenflügel. da wurde er kriminell: Postunterdrückung.
Die Karte hatte er einfach 'vergessen' und erst am nächsten Morgen ausgetragen.

Das hatte auch keiner bemerkt. So vergingen die Tage und die Sache machte ihm wirklich Freude.

Ja, aber es bahnte sich da etwas an.
Er hatte da einen fest angestellten Kollegen (wahrschienlich Beamter),
der fuhr jeden Tag mit Moped und kleinem Hänger raus, bewältigte eine Riesentour und war stolz darauf.
War ja ok. Aber der ging in Urlaub.
Und nun sollte/musste er dessen Tour übernehmen.

Kein Mopedführerschein also Bus.
Am ersten Tag sortieren, sortieren, sortieren bis nach eins.
Bepackt in den Bus und suchen, wer wo wie. Einige standen schon vor ihren Geschäften.
Einer fragte: Waren sie heut morgen schon mal da?
Völlig am Ende zurück zum Amt. Da wurde ihm die 2. Tour erlassen.
Am nächsten Tag klappte alles schon viel besser. Auch eine 2. Tour.
Aber Tchibo war auf Wochen gestrichen.

Und dann auch noch ein paar Tage später nachmittags: Von der anderen Straßenseite der Zuruf
eines Bauarbeiters: Na, trägste Briefe Du Schluse?
 
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