M
mar
Guest
Titel: Wir machen Urlaub
Heute: Ein Tag im türkischen Berlin
Foto: Rosa Merk
Der Asphalt ist kurz vorm schmelzen, die Luft ist heiß und stickig, und das schon am frühen Vormittag. Wenn man die Augen schließt und tief einatmet schmeckt es nach Istanbul oder einem Ort an der türkischen Mittelmeerküste im Hochsommer, aber nicht nach Berlin. Die Folge: Fernweh! Um dieses zu lindern, fahren wir nach Kreuzberg. Unsere erste Station ist die „Burg am See”. Am Wochenende ist hier die Hölle los, jetzt ist das von Wasser umgebene Areal am östlichen Ende des Paul-Lincke-Ufers eine Oase der Ruhe. Zum türkischen Frühstück mit Schafskäse, Wurst, Tomaten, Gurken, Oliven und Ei (für sensationelle 2,90 Euro) gönnen wir uns ein Tässchen Mokka – und lassen den Blick über die Kronen der Bäume und das Wasser schweifen.
In der Oranienstraße besprenkeln die Ladenbesitzer die Bürgersteige vor ihren Geschäften mit Wasser, um den Staub zu vertreiben und die Luft etwas abzukühlen. Meinem Freund steht trotzdem der Schweiß auf der Stirn, kurz vor seinem ersten Besuch bei einem türkischen Barbier. Ich habe ihm versichert, dass es ein „echtes Erlebnis” sei, wenn die Ohrhaare mit dem Feuerzeug abgeflammt und lästige Gesichtshaare mithilfe einer speziellen Bindfadentechnik gezupft werden. Hussein, der mit seinem Bruder vor der Tür seines Salons „Kücük Istanbul” sitzt und uns erst mal einen Tee anbietet, gelingt es, ihn zu beruhigen und auf dem Frisierstuhl zu platzieren. Die Behandlung beginnt mit einer Gesichtsmassage. Ich setze mich derweil nach draußen und schmökere in „Selam Berlin”, dem besten Istanbul-Berlin Roman, den ich kenne. Mein Freund tippt mir auf die Schulter, er strahlt über beide Ohren. „War gar nicht so schlimm”, sagt er. Barbier Hussein ist auch sichtlich zufrieden: „Schauen Sie, sein Gesicht ist so glatt, dass eine Fliege darauf ausrutschen könnte!”
Über den Kottbusser Damm und den Hermannplatz fahren wir einmal quer durch die Hasenheide. Am Columbiadamm angekommen, können wir auf der anderen Straßenseite schon die zwei Minarette von Sehitlik sehen. Die Moschee liegt direkt neben dem islamischen Friedhof, dem ältesten der Stadt, der viele Geschichten über die ersten türkischen Zuwanderer erzählen kann. Oben am Eingang der Cami, die wie eine kleine Zuckergussausgabe ihrer prächtigen türkischen Vorbilder aussieht, begrüßen uns Ender Cetin und seine Frau Pinar, ein junges Ehepaar, dass hier regelmäßig Führungen macht. Vor der Moschee ziehen wir die Schuhe aus. Da gerade keine Gebetszeit ist, brauche ich meine Haare nicht zu bedecken. Sowieso wirkt hier alles sehr offen und liberal, jeder Interessierte ist herzlich willkommen. Wir setzen uns im Schneidersitz auf den Teppich unter die Kuppel des reich verzierten Gebetsraumes und folgen gebannt den Ausführungen der beiden. Als wir die Moschee verlassen, haben wir viel dazugelernt.
Nach so vielen neuen Eindrücken packt uns ein Bärenhunger. Wir wollen unseren Berliner Türkei-Urlaub aber auf keinen Fall in einer DönerBude enden lassen. Was wir jetzt brauchen, ist ein Ort, der den Reichtum der türkischen Küche widerspiegelt. Wir entscheiden uns für das Restaurant „Defne” am Planufer. Eine gute Wahl: Die kalten und warmen Vorspeisen sind köstlich, ebenso das Lammgeschnetzelte mit Joghurt und Auberginenpüree und die Manti (gefüllte Nudeln). So endet der Tag genau so entspannt, wie er angefangen hat: Mit Blick auf Bäume und Wasser, und einem Gefühl fast wie am Bosporus.
Service
Bierlokal und Teegarten Burg am See, Ratibor-str. 14c, Kreuzberg, tägl. 10-22 uhr
Barbier- und Friseursalon Kücük Istanbul, („Klein-Istanbul”), Oranienstraße 176, Kreuzberg, tägl. 9-20 Uhr, Sa 9-18 Uhr, Fr 13-15 Uhr geschlossen.
Sehitlik-Moschee und Islamischer Friedhof, Columbiadamm 128, Neukölln
Restaurant Defne, Planufer 92c, Kreuzberg, tägl. 16-1 Uhr, So ab 10 Uhr
Weitere Tipps:
bestes Lahmacun (türkische Pizza): Misir Carsisi, Skalitzer Str. 134, Kreuzberg
bestes Baklava (türkisches Zuckergebäck):
Gaziantep Kilicoglu Baklavaci, Adalbertstr. 9, Kreuzberg (weitere Filialen in Wedding, Schöneberg und Neukölln)
Kumpir (türkische Ofenkartoffeln, mit 12 wählbaren Zutaten): Oranienstr. 10-11, Kreuzberg
Hamam (türkisches Bad)
Frauenzentrum Schokofabrik, Naunynstraße 72, Kreuzberg
Sultan Hamam, Bülowstraße 57, Schöneberg (mit Männer- und Familienbadetag)
Bücher:
Yadé Kara, „Selam Berlin”, Diogenes, Zürich 2003
Ingeborg v. Böer/ Ruth Haerkötter / Petra Kappert (Hrsg.), „Türken in Berlin 1871-1945”, de Gruyter, Berlin/ New York 2002
Gewusst?
• im Durchschnitt verzehren die Bundesbürger fünf Döner pro Jahr und damit 100 Mal mehr Döner als Currywürste – zumindest behauptet das das Internetportal www.doener365.de.
• Baklava besteht zu rund 17 Prozent aus Zu- cker und rund 10 Prozent aus Honig; nach dem Verzehr sollte man redaktionsinternen Schätzungen zufolge mindestens einen Liter Wasser trinken.
• Berlin hat exakt 3.396.990 Einwohner, Istanbul zwischen 10 und 15 Millionen.
• Der Altersdurchschnitt liegt in der Türkei bei 26,8 Jahren, in Deutschland bei 41,3.
• Im Berliner Durchschnitt kommen 3.809 Einwohner auf einen Quadratkilometer, in Friedrichshain-Kreuzberg sind es stolze 12.900.
quelle: zitty berlin 2006 http://magazin.zitty.de/332/titel:_wir_machen_urlaub.html
ps. das andere defne ist in der rollbergstraße und dort gibt es freitag und samstag türkische nostalgische musik ala zeki müren etc. 030-62903275
Heute: Ein Tag im türkischen Berlin
Der Asphalt ist kurz vorm schmelzen, die Luft ist heiß und stickig, und das schon am frühen Vormittag. Wenn man die Augen schließt und tief einatmet schmeckt es nach Istanbul oder einem Ort an der türkischen Mittelmeerküste im Hochsommer, aber nicht nach Berlin. Die Folge: Fernweh! Um dieses zu lindern, fahren wir nach Kreuzberg. Unsere erste Station ist die „Burg am See”. Am Wochenende ist hier die Hölle los, jetzt ist das von Wasser umgebene Areal am östlichen Ende des Paul-Lincke-Ufers eine Oase der Ruhe. Zum türkischen Frühstück mit Schafskäse, Wurst, Tomaten, Gurken, Oliven und Ei (für sensationelle 2,90 Euro) gönnen wir uns ein Tässchen Mokka – und lassen den Blick über die Kronen der Bäume und das Wasser schweifen.
In der Oranienstraße besprenkeln die Ladenbesitzer die Bürgersteige vor ihren Geschäften mit Wasser, um den Staub zu vertreiben und die Luft etwas abzukühlen. Meinem Freund steht trotzdem der Schweiß auf der Stirn, kurz vor seinem ersten Besuch bei einem türkischen Barbier. Ich habe ihm versichert, dass es ein „echtes Erlebnis” sei, wenn die Ohrhaare mit dem Feuerzeug abgeflammt und lästige Gesichtshaare mithilfe einer speziellen Bindfadentechnik gezupft werden. Hussein, der mit seinem Bruder vor der Tür seines Salons „Kücük Istanbul” sitzt und uns erst mal einen Tee anbietet, gelingt es, ihn zu beruhigen und auf dem Frisierstuhl zu platzieren. Die Behandlung beginnt mit einer Gesichtsmassage. Ich setze mich derweil nach draußen und schmökere in „Selam Berlin”, dem besten Istanbul-Berlin Roman, den ich kenne. Mein Freund tippt mir auf die Schulter, er strahlt über beide Ohren. „War gar nicht so schlimm”, sagt er. Barbier Hussein ist auch sichtlich zufrieden: „Schauen Sie, sein Gesicht ist so glatt, dass eine Fliege darauf ausrutschen könnte!”
Über den Kottbusser Damm und den Hermannplatz fahren wir einmal quer durch die Hasenheide. Am Columbiadamm angekommen, können wir auf der anderen Straßenseite schon die zwei Minarette von Sehitlik sehen. Die Moschee liegt direkt neben dem islamischen Friedhof, dem ältesten der Stadt, der viele Geschichten über die ersten türkischen Zuwanderer erzählen kann. Oben am Eingang der Cami, die wie eine kleine Zuckergussausgabe ihrer prächtigen türkischen Vorbilder aussieht, begrüßen uns Ender Cetin und seine Frau Pinar, ein junges Ehepaar, dass hier regelmäßig Führungen macht. Vor der Moschee ziehen wir die Schuhe aus. Da gerade keine Gebetszeit ist, brauche ich meine Haare nicht zu bedecken. Sowieso wirkt hier alles sehr offen und liberal, jeder Interessierte ist herzlich willkommen. Wir setzen uns im Schneidersitz auf den Teppich unter die Kuppel des reich verzierten Gebetsraumes und folgen gebannt den Ausführungen der beiden. Als wir die Moschee verlassen, haben wir viel dazugelernt.
Nach so vielen neuen Eindrücken packt uns ein Bärenhunger. Wir wollen unseren Berliner Türkei-Urlaub aber auf keinen Fall in einer DönerBude enden lassen. Was wir jetzt brauchen, ist ein Ort, der den Reichtum der türkischen Küche widerspiegelt. Wir entscheiden uns für das Restaurant „Defne” am Planufer. Eine gute Wahl: Die kalten und warmen Vorspeisen sind köstlich, ebenso das Lammgeschnetzelte mit Joghurt und Auberginenpüree und die Manti (gefüllte Nudeln). So endet der Tag genau so entspannt, wie er angefangen hat: Mit Blick auf Bäume und Wasser, und einem Gefühl fast wie am Bosporus.
Service
Bierlokal und Teegarten Burg am See, Ratibor-str. 14c, Kreuzberg, tägl. 10-22 uhr
Barbier- und Friseursalon Kücük Istanbul, („Klein-Istanbul”), Oranienstraße 176, Kreuzberg, tägl. 9-20 Uhr, Sa 9-18 Uhr, Fr 13-15 Uhr geschlossen.
Sehitlik-Moschee und Islamischer Friedhof, Columbiadamm 128, Neukölln
Restaurant Defne, Planufer 92c, Kreuzberg, tägl. 16-1 Uhr, So ab 10 Uhr
Weitere Tipps:
bestes Lahmacun (türkische Pizza): Misir Carsisi, Skalitzer Str. 134, Kreuzberg
bestes Baklava (türkisches Zuckergebäck):
Gaziantep Kilicoglu Baklavaci, Adalbertstr. 9, Kreuzberg (weitere Filialen in Wedding, Schöneberg und Neukölln)
Kumpir (türkische Ofenkartoffeln, mit 12 wählbaren Zutaten): Oranienstr. 10-11, Kreuzberg
Hamam (türkisches Bad)
Frauenzentrum Schokofabrik, Naunynstraße 72, Kreuzberg
Sultan Hamam, Bülowstraße 57, Schöneberg (mit Männer- und Familienbadetag)
Bücher:
Yadé Kara, „Selam Berlin”, Diogenes, Zürich 2003
Ingeborg v. Böer/ Ruth Haerkötter / Petra Kappert (Hrsg.), „Türken in Berlin 1871-1945”, de Gruyter, Berlin/ New York 2002
Gewusst?
• im Durchschnitt verzehren die Bundesbürger fünf Döner pro Jahr und damit 100 Mal mehr Döner als Currywürste – zumindest behauptet das das Internetportal www.doener365.de.
• Baklava besteht zu rund 17 Prozent aus Zu- cker und rund 10 Prozent aus Honig; nach dem Verzehr sollte man redaktionsinternen Schätzungen zufolge mindestens einen Liter Wasser trinken.
• Berlin hat exakt 3.396.990 Einwohner, Istanbul zwischen 10 und 15 Millionen.
• Der Altersdurchschnitt liegt in der Türkei bei 26,8 Jahren, in Deutschland bei 41,3.
• Im Berliner Durchschnitt kommen 3.809 Einwohner auf einen Quadratkilometer, in Friedrichshain-Kreuzberg sind es stolze 12.900.
quelle: zitty berlin 2006 http://magazin.zitty.de/332/titel:_wir_machen_urlaub.html
ps. das andere defne ist in der rollbergstraße und dort gibt es freitag und samstag türkische nostalgische musik ala zeki müren etc. 030-62903275