Einmal waschen, schneiden, legen bitte

Kedi08

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Der wichtigste Mann im Leben einer Frau ist …bis zum Eintritt in die Pubertät zweifelsohne Vati. Falls dieser aus dem einen oder anderen Grund keine wesentliche Rolle in ihrem Leben spielt, ersatzweise der große Bruder, der Verkäufer vom Zeitungskiosk mit seinen Cola-Lollys oder der Neffe vom Pfarrer. Letzterer spielt bei den Jugendfreizeiten abends am Lagerfeuer immer so besonders ergreifend die Gitarre. Soweit in dem verqualmten Halbkreis zu erkennen ist, schaut er dabei ausschließlich uns in die Augen. Ganz tief…auch da besteht kein Zweifel.

Ist diese Phase überstanden, folgen abschnittsweise Jungs, die unsere Schultasche tragen, die Kinokarten bezahlen, mit der besten Freundin durchbrennen. Später wachen wir glücklich beseelt nehmen dem Mann fürs Leben auf, der sich solange durch einen Nachfolger toppen lässt, bis wir uns wirklich angekommen fühlen.

Aber keiner von ihnen steht uns so nah, wie er: der Frisör fürs Leben!

Nur er kennt wirklich unsere wahren Schwächen, begleitet uns mit passendem Styling durch Blind-Dates, Bewerbungsgespräche, tiefste Lebenskrisen und neue Aufbrüche. Kein anderer Mann darf uns ungestraft am hellichten Tag die Haare zerwühlen, ohne dass wir hysterisch kreischend zum nächsten Spiegel stürmen. Sinnlos, ihm etwas vorzugaukeln. Mit einem besorgten Stirnrunzeln lässt er unsere Haarspitzen durch seine Finger gleiten und weiß sofort, wie es wirklich um unseren Seelenfrieden bestimmt ist. Und er darf ungestraft all die Dinge sagen, für die jede weibliche Frisörin ungebremst einem Auftragskiller zum Opfer fallen würde:

Frisörin Elfi sagt: „Haben Sie schon einmal daran gedacht, Ihre Haare kurz zu schneiden? Ihr Gesicht würde damit noch jugendlicher wirken.“

Und wir denken mit Todesverachtung: „Blöde Kuh, das hättest du wohl gerne. Willst du mir die Männer vermiesen? Und überhaupt…jugendlicher aussehen. Habe ich das etwa nötig?“

Die gleiche Aussage, leicht umformuliert, von Frisör Metin: „Meine Süße, ich werde dir mal die Haare kürzer schneiden. Du wirst sehen, deine hübschen Augen kommen dann viel besser zum Ausdruck.“

Und wir denken: „Ja Baby, schneid los…ich lieg dir jetzt schon zu Füßen.“

Elfi versucht minutenlang, uns zu einer speziellen Pflegekur nach dem Waschen zu überreden. Die Haare wären angeblich so strapaziert.

„Neidisch auf mein aktives Nachtleben oder was? Strapaziert wird hier höchstens mein Geldbeutel, wenn ich nicht konsequent Nein sage.“

Metin ist da schon wesentlich geschickter. Seine Pflegekur, so garantiert er uns, duftet nach ganz speziellen Gewürzen aus dem orientalischen Hinterland, hat eine anregende Wirkung nicht nur auf die eigene Kopfhaut und lässt unser Haar leuchten wie einen Sonnenuntergang am Bosporus.

„Ja, her damit. Ich weiß genau, du nutzt die damit verbundene Kopfmassage nur, um mich noch fünf Minuten länger berühren zu dürfen. Was soll’s, dafür bezahl ich dich.“

Elfi bemüht sich unter unserem strengen Blick, die gewünschte Frisur hinzuzaubern. Keine Experimente bitte, einfach nur nachschneiden. Und wehe, es liegt auch nur ein Haarfitzel anders, als beim letzten Mal. Wir sind viel zu nervös, um uns in Ruhe nebenbei in die Zeitschrift zu vertiefen. Diese östrogengesteuerten Wesen darf man keine Minute aus den Augen lassen. Womöglich lässt sie gleich ihren aktuellen Beziehungsfrust an meinem Pony aus.

Solche fiesen Gedanken würden uns bei Metin natürlich nie kommen. Er ist ein Mann, der genau weiß, was er tut. Schon seine Vorfahren haben zielsicher das Abendessen erlegt. Und mit derselben zielsicheren Art erlegt er grade uns. Während Elfi die Ausbildung zur Frisörin damals nur gemacht hat, weil sich mit zwei Fünfen im Bewerbungszeugnis nichts anderes fand, ist Metin selbstverständlich aus künstlerischer Überzeugung hier gelandet. Ein Meister seiner begnadeten Hände. Und ein Meisterdieb unserer Herzen. Ein Mann, der sich um uns bemüht. Der mit angespannten Kiefermuskeln alles gibt, um das absolute Optimum aus uns rauszuholen. Seufzend sinken wir in den Stuhl, den Blick schüchtern gesenkt und lassen uns fallen, wie zuletzt beim eigenen Mann nach einer Flasche Schampus.

Hält Elfi konzentriert den Föhn an die eingedrehte Haarbürste, bemerken wir hämisch grinsend, dass ihr Deo dem schweißtreibenden Job nicht standhält. Metin mit Föhn…das ist ein Anblick wie bei „High Noon“. Der starke Mann mit dem rauchenden Revolver…bereit, jeden zu töten, der uns jetzt stört. Und wenn wir ganz viel Glück haben, hält er den Arm so hoch, dass das mitgewanderte Hemd einen Blick auf seine gut trainierten Bauchmuskeln freigibt.

Die Zeit verfliegt, während wir mit ihm die Balkonbepflanzung und das gespaltene Verhältnis zu unserer Mutter besprechen. Untermalt wird das Ganze durch diverse Komplimente über unser Parfüm, die neuen Schuhe und den dazu passenden Nagellack. Auf sein Kommando hin...schauen wir fassungslos in den Spiegel. Nachdem wir uns von dem Schreck erholt haben, dass die fremde Frau dort gegenüber nicht nur verdächtig Ähnlichkeit mit uns hat, sondern sich als unser Selbst entpuppt, huldigen wir atemlos unserem Magier mit der Schere. Fasziniert und beeindruckt, dass ein Mann sich noch solche Mühe für uns gibt. Und erst die Freude in seinen Augen. Wie ein kleiner Junge, der nach tagelanger Arbeit das Modelflugzeug zusammengebaut hat. Keine Frage, dass wir ihn sein Kunstwerk mit Unmengen von Haarspray fixieren lassen. Während wir Elfi einen Vortrag aus einer Fachzeitschrift über die Verklebung der Lungenbläschen durch das Einatmen gleichen Stylingprodukts halten.

Der erste Schritt zurück auf die Straße ist schwer. Als wenn man nach einem berauschenden Liebesfilm das Kino verlässt und wieder in die graue Wirklichkeit zurückkehrt. Hand aufs Herz, Ladys. Ein Mann, der uns, wenn auch nur alle paar Wochen für eine oder zwei Stunden, so zur Königin aufleben lässt, hat doch nur eins verdient:

Unsere bedingungslose Hingabe und Treue. Und ein passendes Trinkgeld. Ach nein, das Trinkgeld ist für Elfi. Bei Künstlern heißt das ja Gage…:lol:
 
H

hatira

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AW: Einmal waschen, schneiden, legen bitte

In Österreich gibt´s nur Elfis.:| Fies.:|


Danke Kedi, man könnte süchtig werden nach deinen Gutenachtgeschichten.
 

Kedi08

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AW: Einmal waschen, schneiden, legen bitte

In Österreich gibt´s nur Elfis.:| Fies.:|


Danke Kedi, man könnte süchtig werden nach deinen Gutenachtgeschichten.

Vielen Dank, freut mich, dass sie dir gefällt. Dabei habe ich die Idee dazu sogar geklaut. In der neuen Ausgabe der Zeitschrift "Petra" ist ein Artikel mit der Überschrift "Mein Friseur und ich". (Rüge an den Verlag, das schreibt man heute mit "ö".) Aber ich fand den Artikel etwas fade und dachte gleich: och nö, da habe ich aber mehr zu sagen...:lol:

Und ihr habt echt nur Elfis? Du Arme, komm nach Hamburg, da wird dir geholfen.:wink:
 

Farina

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AW: Einmal waschen, schneiden, legen bitte

Anregungen kann man sich ja holen und dann selber kochen .... :lol:

.... oder wie war das? :wink:
 

Gizelle

Well-Known Member
AW: Einmal waschen, schneiden, legen bitte

Bis eben war ich eigentlich zufrieden mit meiner Daniela. Wo krieg ich denn jetzt einen Metin her? :shock:
 
G

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AW: Einmal waschen, schneiden, legen bitte

ich glaube ich muss dringend zum frisör......kedi gibst du mir bitte die adresse von deinem maestro???

ps: deine geschichte ist wie immer köstlich, genau die richtige lektüre zum feierabend.
 

Kedi08

Active Member
AW: Einmal waschen, schneiden, legen bitte

ich glaube ich muss dringend zum frisör......kedi gibst du mir bitte die adresse von deinem maestro???

ps: deine geschichte ist wie immer köstlich, genau die richtige lektüre zum feierabend.

Ich hab mich ja wohl hoffentlich verlesen...

Du kannst mein Auto haben, meine EC-Karte, meine Lebensversicherung...aber bestimmt nicht meinen Frisör.

Übrigens, psssst, unter uns...er fand die Geschichte so rührend, dass er zum Dank sogar einen Hausbesuch gemacht hat. Weil ich doch noch nicht raus kann...aber erzähl das bloß nicht Netti, die hat ein schwaches Herz...:redface::oops:
 
G

Gast

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AW: Einmal waschen, schneiden, legen bitte

Ich hab mich ja wohl hoffentlich verlesen...

Du kannst mein Auto haben, meine EC-Karte, meine Lebensversicherung...aber bestimmt nicht meinen Frisör.

Übrigens, psssst, unter uns...er fand die Geschichte so rührend, dass er zum Dank sogar einen Hausbesuch gemacht hat. Weil ich doch noch nicht raus kann...aber erzähl das bloß nicht Netti, die hat ein schwaches Herz...:redface::oops:

hmmmmmm und ick dachte, dass wäre der anfang einer langen freundschaft:lol: so kann man sich täuschen. ok, dann greife ich wohl wieder selbst zum lockenstab. tzzzzzzt

und vallah, ich schwöre........ich werde es netti gleich brühwarm erzählen!!! kannst dich schon mal warm anziehen, hi, hi!!!
 
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