Gemeinsame Zukunft in D: Wer hat's geschafft?

Kariali

New Member
Hallo zusammen

Mein Partner und ich haben die hier offenbar klassische Konstellation: Er Türke (25), lebt in Istanbul, ich Schweizerin (33, ok, das ist weniger klassisch), lebe in Deutschland. Wir planen eine gemeinsame Zukunft zusammen. Bisher habe ich ihn mehrfach in Istanbul besucht, was natürlich nicht die Normalität des Alltags widerspiegelt, aber die werden wir erst haben, wenn wir gemeinsam unter einem Dach leben und jeder seiner täglichen Arbeit nachgeht.

Darum möchte er nach Deutschland kommen, im Idealfall längefristig. Erstmal planen wir ein Touristenvisum für ihn zu beantragen. Dafür werde ich ihn einladen. Erst dachten wir, eins für die vollen 3 Monate zu beantragen, aber ein Anruf bei der Deutschen Botschaft in Istanbul hat diese Pläne recht schnell zunichte gemacht. Sie wollen ihm maximal 20 Tage geben, diese dafür aber mit grosser Wahrscheinlichkeit. Immerhin etwas.

Ein Besuch scheint also sehr wahrscheinlich. Während den 20 Tagen möchten wir dann auch in die Schweiz fahren und meine Familie besuchen, damit diese ihn auch kennenlernen kann. Seine Familie hat mich immerhin schon praktisch adoptiert, und ich hoffe, dass meine Familie ihn auch mag und akzeptiert. Und natürlich soll er mal etwas "deutsche Luft" schnuppern und schauen, ob er sich ein Leben hier vorstellen kann. Er meint schon jetzt, dass das für ihn kein Problem sei, aber ich bin da etwas skeptischer. Ist ja immerhin eine andere Kultur.

Und wie geht es danach weiter? Ich denke, für einen Türken, der kein Akademiker oder eine andere "hochqualifizierte Fachkraft" ist, wird es schwierig sein, in Deutschland Arbeit zu finden und darüber ein Arbeitsvisum zu bekommen, oder?
Dann gibt es natürlich noch die Möglichkeit zu heiraten. Aber auch da habe ich gehört, dass es mehrere Monate dauern kann, bis man den Ehepartner dann über einen Familiennachzug nach Deutschland holen kann. Er lernt bereits jetzt Deutsch, aber der Papierkram soll wohl ein Albtraum sein. Ausserdem würde ich ungerne einen Mann heiraten, mit dem ich noch nicht zusammengelebt habe. Aber als Plan B (oder C, D...) bleibt das auf jeden Fall.

Er ist grundsätzlich alles andere als auf den Kopf gefallen ist. Er ist klug, gebildet, spricht drei Sprachen (Türkisch. Englisch und Russisch), ist sehr charismatisch, kann gut mit Menschen, ist sehr strebsam und gründlich, offen und gleichzeitig auf dem Boden geblieben. Ein vernünftiger, liebenswerter Kerl (boah, ok, jetzt fange ich an zu schwärmen). Ich selber kann uns beide für eine Weile finanziell tragen (arbeite momentan und die nächsten 5 Jahre als Wissenschaftlerin an der Uni), bin aber auch recht frisch nach Deutschland gezogen und kenne mich noch nicht so sehr mit den Gegebenheiten aus.

So, nun wollte ich fragen: Wer von euch hat es geschafft, seinen/ihren Partner nach Deutschland zu holen? Wie lief das mit den Visa? Und mit der Arbeitsfindung? Gibt es Hoffnung für uns? Gibt es unter euch vielleicht welche im Raum Berlin/Potsdam, die uns helfen könnten?

Viele Grüsse,
Kariali
 

eruvaer

Well-Known Member
Das kannst nur du wissen ;)

Mein Mann ist kein Türke aber wir hatten auch ein paar guten zu nehmen und laufen noch ein paar weiteren über den Weg, aber er hat von Anfang an gesagt "Egal was kommt, wir finden einen Weg."
Ich hab's zwar nicht gesagt, aber das ist ohnehin mein Grundmotto.

Wenn z.b die Uhr ungeduldig tickt und es dir irgendwann mit der Dauer des ganzen reicht und du einen Schlussstrich ziehst, dann ist das so.
Wenn er Deutschland kalt und grau und herzlos findet, dann ist er damit alle ~Südländer in Deutschland nicht allein und bleibt vielleicht lieber daheim.

Wenn euch alles wenn und aber keine Rolle spielt und er weiß was er arbeiten will und nicht nur Deutsch lernt, sondern auch hier etwas Richtung Ausbildung oder oder unternimmt, dann stehen die Chancen besser dass alles glatt läuft und er sich gut einlebt, aber wie stark wie Hoffnung bzw euer Wille ist....

Das wisst nur ihr ;)
 

Sabine

Well-Known Member
...

Wenn er Deutschland kalt und grau und herzlos findet, dann ist er damit alle ~Südländer in Deutschland nicht allein und bleibt vielleicht lieber daheim.

...

DAS hat mein Mann damals gesagt, als er nach der Familienzusammenführung dann hier war. Wir haben in der Türkei geheiratet. Vorher hat es mit Besuchen in D nie geklappt.

Von daher bin ich froh, DASS er vorher nie in Deutschland war :cool:

Er hat dann mit Zeitarbeit hier angefangen und ist mittlerweile Busfahrer im Behindertentransport (Ausbildung von Firma bezahlt) und mittlerweile auch ganz zufrieden hier. Aber bis es soweit war, war es ein echt langer Weg. Aber wo ein Wille, da auch ein Weg.

Also kann man nur Daumen drücken, dass alles so kommt, wie Ihr Euch das vorstellt :)
 

BodrumBodrum

Active Member
Hallo Kariali,

also ich habe einige Jahre in der Türkei gelebt und gearbeitet und meinen Mann dort kennen gelernt (Ich bin Bio-Deutsche.) Obwohl es durchaus möglich ist, in der Türkei als Mann und Frau unverheiratet zusammen zu leben, haben wir das nicht gemacht. Ich habe das Zusammenleben mit meinem Mann erst in Deutschland erlebt, als wir dann schon verheiratet waren.

Mein Mann ist jetzt genau 1 Jahr in Deutschland und es war echt, echt, echt, echt schwer.... und trotzdem oder gerade deswegen hat es uns erst recht richtig zusammengeschweißt und ich kann es bis jetzt immer noch nicht glauben, dass ich mit diesem tollen Mann verheiratet bin. :oops::oops::oops:

Wir haben in der Türkei geheiratet. Die Papiere zu besorgen war ein bisschen aufwendig und teuer, aber den Stress hat man schnell vergessen.

Nach der Hochzeit war mein Mann im Goethe-Institut und hat A1 gemacht. Nach dem A1-Zertifikat hat er seine Unterlagen auf dem Konsulat eingereicht und hatte 2 Wochen später (!!!!!!!) sein Visum zur Familienzusammenführung.

In Deutschland hat es dann aber noch bis Mai gedauert, bis er einen Integrationskurs anfangen konnte. Bis dahin war er zu Hause und das ist für einen Türken, der immer gearbeitet hat, wirklich, wirklich fast nicht zu ertragen. Da muss die Liebe schon sehr groß sein.
Dann ging der Kurs los und es war 7 Monate lang eine Zitterpartie, ob er ihn bestehen würde. Ich arbeite im Integrationsbereich und wollte zu Hause mit ihm immer Sprechen üben. Es gab nur Streit. Wir kamen da nämlich in einen Rollenkonflikt. Sind wir Lehrer und Schüler oder Ehefrau und Ehemann ???o_Oo_Oo_O So konnte ich überhaupt nicht einschätzen, wie gut oder schlecht er ist.

Den Kurs hat er bestanden, aber mit einem B1 Zertifikat kannst du in Deutschland beruflich keinen Blumenstrauss gewinnen. Es sei denn, er arbeitet sich von einem Hilfsjob zum anderen. Also sollte es weiter gehen. Da stellt sich die Frage, wie, wo, und wer finanziert das? Wir sind nicht reich. Finanziell kommen wir mit einem Gehalt über die Runden, aber mal eben 350,- Euro oder mehr jeden Monat für eine weiteren Sprachkurs und weiterer Qualifizierung hätte uns wahnsinnig belastet. Und wieder vergehen Wochen und Monate, wo man sich mit der Behörde mit dem berühmten A rumschlägt und nicht viel vorwärts geht. Das ist sehr, sehr schwer für einen stürmischen Türken.

Das härteste ist aber, dass wir die Rollen vertauscht haben: Mein Mann, der in der Türkei alles im Griff hatte, alles gemanagt hat und alles mit links und ganz schnell organisiert hat, wird zum Hausmann. Ich, gehe arbeiten und am Abend bin ich die Managerin für die Integration meines Mannes, schreibe Mails und kämpfe mit Behörden.
Das ist relativ unser Alltag und ich kann dir nur sagen, dass es passieren kann, dass man sich daran auf- und kaputt reibt. Oder ... dass man zusammen wächst und merkt, dass man auch in den schlechten Tagen zueinander steht und die Bedeutung des Wortes "Ehe" ernst nimmt. :):):). Also, neben der Tatsache, dass man als Mann und Frau plötzlich lernen muss miteinander zu leben, muss man den anderen auch noch komplett eine Weile finanziell und organisatorisch tragen. Religion und Kultur haben aber übrigens nie eine Rolle oder einen Konflikt dargestellt.:p:p

Ich denke, 1,5 - 2 schwierige Jahre sind realistisch. Aber dein Partner ist jung und da sind die Karten auf seiner Seite. Außerdem, kommen zur Zeit viele junge und ältere Türken nach Deutschland, aus bekannten Gründen, und fangen hier neu an. Ihr seid nicht allein.

Alles Gute.
 

Kariali

New Member
Vielen Dank für deine ausführliche Schilderung, Bodrum

Das klingt tatsächlich nach einem sehr anstrengenden Papierkrieg. Und so, wie du deinen Mann beschreibst, stelle ich mir auch meinen vor. Er ist auch sehr aktiv, in seiner Heimat top organisiert und hat immer die Zügel in der Hand. Es wird für ihn sicher schwer sein, in Deutschland erstmal zuhause sitzen zu müssen. Ich hatte aber gehofft, dass er vielleicht einen Gelegenheitsjob findet, um zumindest nicht in Langeweile und Frust unterzugehen. Vielleicht in einem türkischen Supermarkt, oder ganz klischeehaft einer Dönerbude. Ausserdem hat er einen LKW-Führerschein, und da werden ja auch immer wieder Fahrer gesucht.

Ich bin zwar auch nicht reich, könnte aber den einen oder anderen Sprachkurs finanzieren. Er fängt sowieso gerade an, Deutsch zu lernen. So hoffe ich, dass - falls wir denn heiraten - alles etwas schneller geht und wir nicht erst noch Jahre warten müssen. Über die Runden kommen würden wir wahrscheinlich. Und vielleicht kann ich bis zum Zusammenziehen ein bisschen was sparen.

Ich wusste gar nicht, dass zugezogene Ehepartner auch einen Integrationskurs machen können. Habe zwar schon gesehen, dass es sowas gibt, aber mir war, dass das hauptsächlich für Asylbewerber war. Gut zu wissen.

Dann werde ich ihn (und mich) mal moralisch darauf vorbereiten, dass er eine Weile von mir abhängig sein wird, womöglich temporär zum Hausmann wird, und es eine Weile dauern kann, bis er sich beruflich auch etwas entfalten kann. Ich denke, wir müssen primär einen Weg finden, wie wir seinen Frust auffangen können. Also Wege, wie er sich trotzdem noch als "Mann" fühlt. Vielleicht kann ich ihn ein bisschen in meinen Berufsalltag einbinden. Vielleicht kann er mir bei dem einen oder anderen wissenschaftlichen Projekt helfen, irgend etwas bauen oder so...

Zum Glück kommunizieren wir sehr viel. Und ich habe den Eindruck, dass er sehr resilient ist. Das gibt mir etwas Hoffnung. Und ja, wir sind nicht alleine, und das ist gut zu wissen. Wir werden nicht die ersten und auch nicht die letzten sein, die da durch müssen.
 

eruvaer

Well-Known Member
bis er sich beruflich auch etwas entfalten kann. Ich denke, wir müssen primär einen Weg finden, wie wir seinen Frust auffangen können. Also Wege, wie er sich trotzdem noch als "Mann" fühlt.
Ein Sportverein wäre sicher gut.
Wenn er Fußball mag oder gar schwimmen was auch immer.
Darüber findet sich dann auch leichter ein Job.
Wenn er gerne etwas baut, finden auch sicher soziale Projekts in deiner Stadt wo er helfen kann einen Spielplatz oder sonstwas für soziale Projekte zu bauen. Auch hier wieder gute Aussichten über die Kontakte einen Job zu finden.
So hat er auch was eigenes ohne dich und kann ohne dich Deutsch lernen im praktischen Alltag.
 

Sabine

Well-Known Member
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Ich wusste gar nicht, dass zugezogene Ehepartner auch einen Integrationskurs machen können. Habe zwar schon gesehen, dass es sowas gibt, aber mir war, dass das hauptsächlich für Asylbewerber war. Gut zu wissen.

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Wenn Mann einen Platz bekommt, kann er da gerne mitmachen. Bezahlen müßt ihr in eurem Fall aber selber.

Ich glaub das wären bei uns damals 2003 um die 800 € gewesen, da hat Männe glatt drauf verzichtet...
 

Kariali

New Member

BodrumBodrum

Active Member
Ich wusste gar nicht, dass zugezogene Ehepartner auch einen Integrationskurs machen können. Habe zwar schon gesehen, dass es sowas gibt, aber mir war, dass das hauptsächlich für Asylbewerber war. Gut zu wissen.

Jeder Zuwanderer, der in Deutschland über einen Aufenthaltstitel verfügt (also Aufenthaltsgenehmigung) und über unzureichende Deutschkenntnisse verfügt, um auf dem Arbeitsmarkt einen Job zu finden, hat das Recht auf einen Integrationskurs. Das zuständige Amt heißt auch Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Hat also nix mit nur für "Asylbewerber" zu tun. :rolleyes: Man wird für so einen Kurs vom Ausländeramt "berechtigt" und vom Jobcenter "verpflichtet". In beiden Fällen muss man 1,95 Euro pro 100 Unterrichtsstunden bezahlen. Insgesamt besteht der Kurs aus 700 Unterrichtsstunden. Bei vorliegenden finanziellen Gründen kann man sich von den Kosten komplett befreien lassen und der Staat übernimmt die vollständigen Kosten. Wenn man innerhalb von 2 Jahren seine B1 Prüfung besteht, bekommt man auch 50% des gezahlten Geldes zurück. (Oder 100%) Steht alles auf den Seiten des BAMF. www.bamf.de

Ausserdem hat er einen LKW-Führerschein, und da werden ja auch immer wieder Fahrer gesucht.

Ein in der Türkei gemachter Führerschein ist in Deutschland nur 6 Monate gültig. D.h. dein Partner muss hier noch mal alle seine Führerscheine machen. :cool: Er muss nicht noch mal komplett alle Fahrstunden nehmen, aber er muss noch mal in alle Prüfungen. D. h. der LKW-Führerschein wird ihm erstmal nix nützen. Plus: um in Deutschland als LKW-Fahrer einen Job zu finden, braucht man eine IHK-Zertifikat. Alles andere entspricht nicht den Vorschriften für Gefahrenguttransporte in D. Keine Sorge, dass kann man aber über eine verkürzte Qualifizierung nachholen.

Aber alle anderen Tipps wie Vereine und Netzwerken und so, kann ich definitiv so auch nur unterstreichen.
 
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