Hatun Sürücü

Mendelssohn

Well-Known Member
Tja, wenn die Brüder Gülen-Anhänger wären, dann ...
Die Brüder waren so schlau, sich nicht auf den guten alten Brauch zu berufen. Der ist seit ein paar Jahren Straftatbestand. Außerdem war der Freispruch vorher klar. Daß Frauenmörder in Erdogans Türkei freigesprochen, aber Kritiker des AKP-Regimes ohne Anklage bis zu 5 Jahre in Haft sitzen können, wissen wir seit Jahren. Wäre es zu einer Verurteilung gekommen, hätte der Richter nach dem Urteilsspruch direkt in die deutsche Botschaft flüchten müssen, die dann von türkischem Militär umstellt worden wäre. Sei froh, daß der Richter auf die Eskalation verzichtet hat.
 

Alubehütet

Well-Known Member
Daß Frauenmörder in Erdogans Türkei freigesprochen, aber Kritiker des AKP-Regimes ohne Anklage bis zu 5 Jahre in Haft sitzen können, wissen wir seit Jahren.
Dem mag so sein, es wird berichtet über eine Tendenz, daß immer weniger Gewalt gegen Frauen verurteilt wird, hat aber vielleicht nichts mit diesem speziellen Fall zu tun. Die Brüder sind ja auch von einem deutschen Gericht freigesprochen worden. Eine Revision fand nicht mehr statt, da sie sich dann schon in die Türkei abgesetzt hatten und die Türkei die Auslieferung verweigerte (warum eigentlich? Die sind in Deutschland geboren und haben mutmaßlich ein Verbrechen in Deutschland begangen?).

Letztlich hängt alles an der Aussage der Melek, die zum Tatzeitpunkt, 18jährig, mit dem Mörder seit vier Wochen befreundet war, angezogen vom konservativen Islam der Sürücüs. Die hat den Prozeß als traumatisch erlebt und will das in der Türkei schon mal gar nicht wieder erleben: Sie kann nicht vorgeladen werden, da sie in Deutschland unter dem Zeugenschutzprogramm steht, heißt, mit einer neuen Identität an einem anderem Ort lebt. Die taz hat ihre traurige Geschichte: http://www.taz.de/!539776/

Verblüffend, daß wir uns alle noch an diese Geschichte erinnern. Als der Name gestern im Radio fiel wußte ich sofort wieder, von wem die Rede war; hatte Bilder und ihre Stimme wieder im Kopf. Ein Fall von vielen hat dieser doch eine Riesendebatte ausgelöst. Gut so, ist sie wenigstens nicht umsonst gestorben, hat vielleicht andere vor ihrem Schicksal bewahrt, ist die Aufmerksamkeit für Zwangsverheiratungen und Ehrenmorde größer geworden.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Warum sollte man froh sein, wenn ein Richtet Unrecht spricht, nur um auf Eskalation zu verzichten? Lernt man das in der juristischen Ausbildung?
Wenn es, wie alubehütet gezeigt hat, keinen lückenlosen Nachweis dafür gibt, daß die älteren Brüder den jüngeren zum Mord angestiftet haben, dann würde eine Verurteilung wie ein Kotau gegenüber einem sich überlegen fühlenden abendländischen Rechtsempfinden wirken, welches umgehend mit der Versetzung, der Entlassung oder der Inhaftierung der beteiligten Staatsanwälte, Richter usw. geahndet worden wäre. Der Rechtsstaat in der Türkei ist zur Zeit sehr brüchig. Es gibt keine Rechtssicherheit, nicht einmal für Richter.
Daß es überhaupt zu einem Prozeß kam, daß also eine Anklageschrift verfaßt und vom Richter angenommen wurde, ist vor diesem Hintergrund positiv zu bewerten.
Der Deutschkurde, der seine Frau erst zerstochen, mit der Axt malträtiert und dann am Seil hinter seinem Auto durch Hameln geschleift hat, hat zum Entsetzen der Nebenklägerin auch nur 14 Jahre bekommen. Hat der Richter Unrecht gesprochen und dies in seiner juristischen Ausbildung gelernt?
 

sommersonne

Well-Known Member
Der Deutschkurde, der seine Frau erst zerstochen, mit der Axt malträtiert und dann am Seil hinter seinem Auto durch Hameln geschleift hat, hat zum Entsetzen der Nebenklägerin auch nur 14 Jahre bekommen. Hat der Richter Unrecht gesprochen und dies in seiner juristischen Ausbildung gelernt?
Auf jeden Fall widerspricht es dem Rechtsempfinden des nicht juristisch gebildeten Bürgers. Ich bin auch so einer und in meinen Augen war das Mord mit Vorsatz und hätte mit lebenslänglich enden müssen.

Wenn man bedenkt das man bei lebenslänglich bereits nach 15 Jahren bei guter Führung und Prognose für die Zukunft entlassen werden kann, hat er nur ein Jahr "zu wenig" bekommen. Aber wer weiß ob er sich gut geführt hätte und die abschreckende Außenwirkung des Urteils ist dahin.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Auf jeden Fall widerspricht es dem Rechtsempfinden des nicht juristisch gebildeten Bürgers. Ich bin auch so einer und in meinen Augen war das Mord mit Vorsatz und hätte mit lebenslänglich enden müssen.
Der Täter hat gestanden und bereut. Auch tritt er sein gesamtes Hab und Gut (einschließlich des Tatwerkzeugs Auto) an das Opfer ab. Es soll sich um mehr als 100 000 Euro handeln (Radiobericht gestern).
Der Fall Sürücü ist wesentlich komplexer und undurchsichtiger. Hinzu kommt die Schwierigkeit, daß ein türkisches Gericht über eine in Deutschland begangene Straftat zu befinden hat. Auch in Deutschland gilt: im Zweifel für den Angeklagten- und zwar unabhängig davon, wodurch der Zweifel hervorgerufen wird.
Nur sehr selten widerspricht ein Urteil dem Rechtsempfinden des juristisch nicht gebildeten Bürgers. Solche Urteile schaffen es dann in die headlines. Würde der nicht juristisch gebildete Bürger über alle Umstände Bescheid wissen, würde sein Urteil vielleicht noch weniger vom Richterspruch abweichen.
Der nicht juristisch gebildete Bürger ist in einem Strafprozeß ja als Schöffe vertreten (in den USA als Geschworener). Schöffen sind dem vorsitzenden Richter gleichgestellt.
 

Alubehütet

Well-Known Member
Das Üble ist ja, daß die Sürücüs anscheinend 100%ig hinter der Tat stehen. Der Vater schenkt dem Mörder eine goldene Armbanduhr als Zeichen der Auszeichnung und Anerkennung. Die Brüder richten ihm eine Imbißbude in Istanbul ein. Jeder von uns hat das Bauchgefühl: Und das ist nicht erst seit der Tat so. Die haben das so abgekartet.

Aber es gibt keine Beweise außer die Aussagen von der Melek. Und selbst sie war bei keiner Besprechung unmittelbar dabei, sondern kann nur sagen: Das und das hat mir mein damaliger Freund erzählt.

Kann sein, daß das türkische Urteil ein Unrechtsurteil ist. Sehe ich keinen zwingenden Grund zu, das so zu sehen. Sie haben nach Aktenlage genau so entschieden wie zuvor ein deutsches Gericht entschieden hat, das das alles live erlebt hat – Die Todesdrohungen der Sürücüs gegen die Melek selbst im Gerichtssaal. Und neue Beweise scheinen nicht aufgetaucht.
 
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