Ist die Republik Türkei mittelbar bedroht?

Burebista

Well-Known Member
Da unterschätzt du den Glauben aber sehr. Im Iran ist der Glauben noch sehr präsent, nur die jungen Leute in den Städten wünschen sich einen weniger strengen Islam.
War in Iran 5x. Und kann Dir sagen, dass der Glaube schon da ist (man glaubt an Gott und an dem Propheten) aber man glaubt nicht mehr an die Politisierung des Islams. Und das geschieht überall.
Ich könnte vieles schreiben, aber würde manche Leute in Gefahr bringen.
Gerade gestern bekam ich Nachrichten von Leuten von dort.
Alle sind satt von Islam, sogar auf dem Dorf. Und das schon seit Jahren. Auf den Tankstellen auf den Straßen zeigten mir die Leute einen Kreis über den Kopf (also Turban) und sagten "Azadi nist" (es gibt keine Freiheit).

Off. Wobei Iran ich in meiner Seele als die 2. Heimat ansehe.
Die Türkei, dagegen, die wünscht sich Diktatur und wünscht sich Islamismus. Und hat für mich kaum Respekt mehr. Auch wenn es @Zerd schwer (oh, entschuldigung, der hat es nie schwer) scheinen würde, muss ich das sagen. Die Türkei kann nie Iran überwiegen. Die türkischen Nomaden konnten die Griechen besiegen, aber nicht die Iraner. Punkt.
 
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sommersonne

Well-Known Member
Da hast du schon recht. Aber sie wollen nicht den Islam an sich los werden, sondern eine andere Politik, mehr Freiheit. Ihre Ajatollas sollen nicht mehr die Politik und den Staat bestimmen. Die jungen Frauen, zumindest in den Städten wollen nicht mehr unter schwarzen Mänteln und Kopftüchern gehen und die jungen Leute wollen sich treffen dürfen mit wem, wann und wo sie wollen.
 

Zerd

Well-Known Member
@Zerd
Ohne Zweifel hat es das Bestreben einer Re-Islamisierung der Türkei gegeben und war (vor allem unter Türken im Exil) erfolgreich. Aber alles das zeigt nur, dass die Säkularisation bereits vollzogen ist. Gesellschaften entwickeln sich nicht zurück, ihr Entwicklungsgang kann allenfalls verzögert werden. Aber auch nicht auf Dauer. Das gilt selbst für zementierte Erbfolge-Regierungen wie in NK oder SA. Die Geschichte hält nur selten an. Wenn sie es tut, dann nur für einen Augenblick, nämlich dann, wenn es knallt und alle wie gebannt hinschauen (Benjamin).

Für mich klingt das zu sehr nach einer linearen Geschichtsauffassung. Ich tendiere da mehr zu einer eher zyklischen oder periodischen Geschichtsauffassung. Der Unterschied lässt sich im folgenden Bild gut ablesen:

geschichtsverlauf.png

Die gestrichelte Linie steht für einen linearen Geschichtsverlauf, bei dem sich die Gesellschaften nicht zurück entwickeln, sondern eben immer nur in eine Richtung. Bei der durchgezogenen Linie jedoch, obwohl der allgemeine Trend dem der linearen Auffassung folgt, wechseln sich Entwicklungsphasen permanent ab, sodass sich an der momentanen Entwicklung überhaupt nicht ablesen lässt, ob es gerade "vorwärts" oder "rückwärts" geht.

Sie erfordert daher eine wesentlich differentiertere Betrachtung als es bei einem linearen Verlauf der Fall ist; zwei Punkte sind schon ausreichend, um eine Gerade durch sie zu legen, aber am zyklischen Verlauf können wir erkennen, dass es nur davon abhängt, wo wir die zwei Punkte auswählen, um damit jede beliebige Gerade durch sie zu legen. Das führt dann typischerweise sehr schnell zu Zirkelschlüssen und Nullaussagen.

So eine lineare Geschichtsauffassung lässt sich zu allerlei missbrauchen, je nachdem, ob nun ein´Ende der Geschichte im jüngsten Gericht erwartet wird oder wie bei Hegel der Mensch zu Gott wird. Der Islamist könnte zBsp argumentieren, dass der Islam die letzte der großen Offenbarungsreligionen gewesen ist und darum die Richtung "vorwärts" eigentlich nur die Islamisierung der gesamten Menschheit bedeuten könne (so lange keine weitere Offenbarungsreligion folgt, also Gott seine Meinung ändert) und die Säkularisierung lediglich der Versuch war, diesen Entwicklungsgang ein wenig zu verzögern.

Ich persönlich halte eine solche lineare Geschichtsauffassung auch zu sehr und zu offensichtlich an das physikalisch-naturwissenschaftliche Weltbild angelehnt: da gab es auch am Anfang den großen Urknall und seitdem entwickelt sich alles den Naturgesetzen entsprechend schön deterministisch in zeitlicher Abfolge und da die Zeit nur eine Richtung kennt, muss es bei der Geschichte genauso sein, wenn wir sie als Summe aller kausal zusammenhänger Ereignisse begreifen.

Und dass dieses Weltbild einige offensichtliche Schwächen und Nachteile hat, vor allem wenn es darum geht, Vorgänge und Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Leben im allgemeinen und dem Menschen im besonderen zu beurteilen, habe ich hier ja schon an verschiedenen Stellen ausgeführt und begründet (Stichworte Emergenz, Bewusstsein, Wertvorstellungen)...
 

NeoAslan+

Well-Known Member
Griechenland bewaffnet die Inseln in der Nähe des Festlandes der Republik Türkei und verstößt vorsätzlich gegen internationale Vereinbarungen.
Griechische Personen in Tarnanzügen installieren Kriegsgerät auf den Inseln Meis und Simi.
Das sind kriegerische Handlungen seitens der Europäischen Union und erhebliche Bedrohungen der nationalen Sicherheit der Türkei.
Das gilt insbesondere auch für die französische Militärpräsenz und ihrer Kollaborateure.

Das sind ungeheuerliche Drohgebärden und Bedrohungen, die von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ggb. der Republik Türkei ausgehen.

Offensichtlich haben die Griechen auf den Inseln im Mittelmeer
Terroristennester eingerichtet und diese müssten wohl vernichtet werden.

Es ist an der Zeit, dass die Republik Türkei ihre Inseln in Besitz nimmt und sichert.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Für mich klingt das zu sehr nach einer linearen Geschichtsauffassung. Ich tendiere da mehr zu einer eher zyklischen oder periodischen Geschichtsauffassung.
Ich tendiere zu einer dialektischen Geschichtsauffassung, d. h. auf der Höhe ihrer Entfaltung bleibt einer wirkmächtigen Idee oder einem großen Theoriegerüst nur noch die Abwicklung. Und während sich die Idee abwickelt entsteht etwas Anderes, nicht unbedingt etwas, das höher entwickelt wäre. Aber es geht auf keinen Fall zurück, niemals. Wenn alte Denkfiguren wieder auftauchen, dann in veränderter Form, nämlich so, dass sie den bisherigen Entwicklungsverlauf in sich aufnehmen. Daher ist die AKP auch keine Partei des Alten bzw. eines altvorderen Islam, sondern eine ganz moderne machtorientierte Partei, die sich mit dem Islam als äußere Hülle ummantelt. So wie kein moderner Christ noch glauben wird, dass er von Engelschören begleitet ins himmlische Paradies eintreten wird - sofern er sich nicht willentlich eines großen Unrechts schuldig gemacht hat - so wenig wird ein hier und jetzt lebender Muslim gute Taten vollbringen, um im Jenseits von Jungfrauen umringt zu werden. Die Zeiten sind vorbei. Hinzukommt, dass selbst in den ganz "gläubigen Zeiten" des Mittelalters, der Zweifel an der Allmacht Gottes nie ganz ausgelöscht werden konnte, weder ganz unten, wo der schnelle Tod oft als Erlösung betrachtet wurde, noch oben, wo der Glaube noch nie ganz heimisch war.
Die AKP/Erdogan verwaltet dialektisch betrachtet die Abwicklung des religiösen Islam. Als Habitat wird er bleiben wie Katholizismus und Protestantismus in Europa. Nur Sekten - wie z. B. die zahlreichen evangelikalen Gruppierungen oder die turbanesken Jihadisten - können heutzutage noch Glaubensgemeinschaften finden, denen man allen möglichen Stuss erzählen kann. Das reicht nicht für eine Wiederbelebung des voraufgeklärten Geistes.
 

Zerd

Well-Known Member
Ich tendiere zu einer dialektischen Geschichtsauffassung, d. h. auf der Höhe ihrer Entfaltung bleibt einer wirkmächtigen Idee oder einem großen Theoriegerüst nur noch die Abwicklung. Und während sich die Idee abwickelt entsteht etwas Anderes, nicht unbedingt etwas, das höher entwickelt wäre. Aber es geht auf keinen Fall zurück, niemals. Wenn alte Denkfiguren wieder auftauchen, dann in veränderter Form, nämlich so, dass sie den bisherigen Entwicklungsverlauf in sich aufnehmen.

Was mir an dieser SIchtweise fehlt, ist der Faktor Mensch. Hier wird Ideen und Gesellschaften, die eigentlich Produkt menschlichen Lebens und Handelns sind, ein Eigenleben, eine Eigendynamik zugestanden, die im Grunde völlig unabhängig von dem Menschen oder den Menschen, die sie hervorbringen.

Das betrifft zwangsläufig auch die Freiheit des Menschen, die damit negiert oder zumindest so in ein Zwangskorsett gesteckt wird, dass sie die beschriebene Dialektik nicht verhindern und in jedem Fall ihm zuarbeiten wird. Es steht zu befürchten, dass ein Gesellschaftssystem, das auf solchen Vorstellungen gründet, unvermeidlich ebenfalls die Freiheit des Menschen einschränken und der beschriebenen Idee und ihrer Eigendynamik unterordnen wird.

Das ist für mich zu fatalistisch und pessimistisch und entspricht so überhaupt nicht meinen persönlichen Erfahrungen mit meinen Mitmenschen. Das Leben im allgemeinen und der Mensch im besonderen sind nicht derart festgelegt, zumindest nicht grundsätzlich. Da wo Verhaltensweise und Angewohnheiten wir eine Festlegung anmuten, bringen sie solche Vorstellungen hervor.

Aber genau darin liegt auch eine der Schwächen der wissenschaftlichen Herangehensweise an den Menschen und seine Erzeugnisse: wie Adorno schon gesagt hat, konzentriert sich die Wissenschaft auf das sich wiederholende in der Natur, und damit auch beim Menschen. Eine solche Betrachtung muss zwangsläufig das einmalige und einzigartige am Menschen, zu der die Freiheit des Menschen sowohl an sich als auch aufgrund seiner individuellen Folgen gehört, übergehen, da dieses aus dem Raster fällt oder bestenfalls als statistisch nicht relevant vernachlässigt wird.

Wir müssen die Welt modellieren, völlständig erfassen können wir sie nicht. Dabei hat jedes Modell den grundsätzlichen Makel, dass es auf Abstraktionen und nicht weiter zurückführbaren Basisannahmen beruht. Und es wirkt: jedes Modell zeitigt Folgen, nicht selten im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeihung. Und wenn dem tatsächlich so ist, dann sollten wir allmählich davon Abstand nehmen, Modelle danach zu beurteilen, welchen Beobachtungen und Überlegungen sie entspringen, und sie vielmehr danach beurteilen, welche Folgen sie zeitigen (sollen). Ich diesem Sinne lehne ich Welt- und Menschenbilder ab, die die Freiheit und Kreativität des Menschen unterschätzen oder gar vollständig ignorieren und Ideen unterordnen.

Natürlich entwickelt sich jeder Mensch weiter und damit auch die Gesellschaft, in der er lebt, wie auch Ideen und Vorstellungen. Insofern ist alles anders und neu, auch wenn es Ähnlichkeiten zu schon dagewesenem aufweisen sollte. Aber dass es sich dabei zwangsläufig "abwickelt" und dabei die Gegenthese stützt, erycheint mir im Fall von Erdogan und der AKP als zu weit hergeholt und etwas krampfhaft in das dialektische Modell gepresst. Sicher, Erdogan will den Islam reformieren und mit der Moderne versöhnen und sicher hat seine Politik auch sehr viele neoliberale Elemente. Aber dass er dabei eine Vereinigung wie bei der deutschen Einheit anstrebt, als das kleine schwache (alte) einfach vom großen starken Bruder geschluckt wurde, oder dass es zwangsläufig so kommen muss, kann ich mir kaum vorstellen.

Natürlich kann ich es mir vorstellen, natürlich ist es möglich. Aber eben nicht als Folge einer unvermeidbaren Dialektik, sondern einfach nur, dass sich durch entsprechende individuelle Veränderungen und Entwicklungen der Menschen eine solche Dynamik in der Gesellschaft entwickelt.
 

Msane

Well-Known Member
Da hast du schon recht. Aber sie wollen nicht den Islam an sich los werden, sondern eine andere Politik, mehr Freiheit. Ihre Ajatollas sollen nicht mehr die Politik und den Staat bestimmen. Die jungen Frauen, zumindest in den Städten wollen nicht mehr unter schwarzen Mänteln und Kopftüchern gehen und die jungen Leute wollen sich treffen dürfen mit wem, wann und wo sie wollen.

Ich finde da sind die USA ein Vorbild (omg was habe ich jetzt gesagt, die USA lobend erwähnen ist ja fast schon mit Teufelsanbeterei gleichzusetzen, man möge mir diesen Frevel verzeihen) ... dort sind sehr viele Bürger sehr religiös, aber jeder kann so leben wie er möchte und die Verfassung garantiert es.
Freiheit ist ein hohes Gut.

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