Ist die Republik Türkei mittelbar bedroht?

sommersonne

Well-Known Member
Stimmt auch wieder. Man muß schon aufpassen wo man sich gerade befindet. Die gelobte Freiheit ist in manchem Bundesstaat ziemlich eingeschränkt.
Ich wundere mich immer wenn Leute unbedingt in die USA auswandern wollen und dazu Himmel und Hölle in Bewegung setzen.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Was mir an dieser SIchtweise fehlt, ist der Faktor Mensch. Hier wird Ideen und Gesellschaften, die eigentlich Produkt menschlichen Lebens und Handelns sind, ein Eigenleben, eine Eigendynamik zugestanden, die im Grunde völlig unabhängig von dem Menschen oder den Menschen, die sie hervorbringen.

Das betrifft zwangsläufig auch die Freiheit des Menschen, die damit negiert oder zumindest so in ein Zwangskorsett gesteckt wird, dass sie die beschriebene Dialektik nicht verhindern und in jedem Fall ihm zuarbeiten wird. Es steht zu befürchten, dass ein Gesellschaftssystem, das auf solchen Vorstellungen gründet, unvermeidlich ebenfalls die Freiheit des Menschen einschränken und der beschriebenen Idee und ihrer Eigendynamik unterordnen wird.
Der Mensch ist kein Faktor.
Der Mensch ist auch nicht frei, nur weil er sich außer auf seine Lebensinstinkte, auch noch auf seine Logik verlässt.
Der Mensch will frei sein, aber doch unter Regeln, damit er nicht vor dem nächsten Freiheitssuchenden Angst um sein Leben haben muss. Die dialektische Geschichtsauffassung hat das wohl im Blick und thematisiert deshalb sogar die Möglichkeit einer repressiven Freiheit, also einer Freiheit auf Kosten der anderen, und damit auf Kosten der Humanität.
Es ist ja nicht so, als sei die Freiheit ein Selbstzweck. Damit ein jeder machen kann, was ihm nützt. Dann wäre jeder Diktator legitimiert. Auch hier ist die Geschichte bzw. sind die Menschen weiter. Geschichte ist Menschheitsgeschichte, eine andere Geschichte gibt es nicht. Deshalb kann der Mensch gar nicht fehlen.
Vermutlich meinst du, dass kein geschichtliches System - wie auch immer aufgebaut - die menschliche Willkür berücksichtigt, die so manche unvermutete Wendung bringen kann.
Dies ist wohl wahr. Deshalb haben personalisierte Systeme wie z. B. das Erdogan- oder Putinsystem auch diese Paranoia vor der Opposition. Würden sie dialektisch denken, wüssten sie, dass ihre Macht sich nur durch eine existierende Opposition erhalten kann, dass das Eine nicht ohne das Andere geht - unter Menschen.
 

Burebista

Well-Known Member
Geschichte ist Menschheitsgeschichte, eine andere Geschichte gibt es nicht. Deshalb kann der Mensch gar nicht fehlen.
Vermutlich meinst du, dass kein geschichtliches System - wie auch immer aufgebaut - die menschliche Willkür berücksichtigt, die so manche unvermutete Wendung bringen kann.
Dies ist wohl wahr. Deshalb haben personalisierte Systeme wie z. B. das Erdogan- oder Putinsystem auch diese Paranoia vor der Opposition. Würden sie dialektisch denken, wüssten sie, dass ihre Macht sich nur durch eine existierende Opposition erhalten kann, dass das Eine nicht ohne das Andere geht - unter Menschen.

Du denkst westlich...
Was Du hier schreibst erinnert mich an einer Diskussion,
Ich sagte: Hauptgesetz im Orient ist: "Denjenigen, den du nicht sterben läßt, der wird dich nicht am Leben lassen" (das ist das Motto der ganzen rumänischen Geschichte, aber auch der osmanischen, griechischen, serbischen, bulgarischen, russischen usw.). Also man muss ihn töten, oder man stirbt selbst später.

Der deutsche Freund, mit dem ich sprach, war verblüfft. Wirklich verblüfft. Man konnte die Verblüffung in den Augen sehen. Und antwortete: "Na ja, aber hier weiß jeder, dass meine eigene Sicherheit von der Sicherheit meines Feindes bestimmt wird. Nur dann kann ich sicher sein, wenn auch auch Feind weiß, dass er sicher sein kann".

Dieses Gespräch ist real. Es hat stattgefunden.

Erdogan und Putin sind einfache Orientalier. Die wissen: Entweder Die (die Opposition), oder Wir (die Jetzigen, die Unsrigen).

PS. @Mendelssohn Ich könnte Stunden lang sprechen (und das habe ich schon gemacht, vor deutschen Studenten in Deutschland) und zeigen wie nebeneinander die Weltanschauungen der Orientalier und der Westler davonlaufen. Man könnte, z.B. in 2 Stunden den Unterschied nur durch die Analyse der Sprichwörter zeigen. Es ist ein Unterschied in der Mentalität, in der Weise wie man Dialoge führen kann und muss (um sich zum Schluss behaupten zu können und zu siegen), wie man die rote Linie setzt und sie verteidigt muss.

Ich kann das ganze verstehen, da ich in 2 Kulturen großgewachsen bin, die sehr verschieden sind. Ich meine nicht Rumänisch vs. Siebenbürgisch-sächsisch, sondern orientalisch (türkisch-Dobrudja) und westlich (österreichisch-Bukowina). Das waren die Extremen. Siebenbürgen war die Mitte und Trost.

PPS. @sommersonne schrieb mal "was für eine Geschichte". Und es war nur die Mediascher Geschichte. Aber es gibt noch viel mehr Familiengeschichten, beeinflusst von exakt diesem Mentalitätsunterschied zwischen österreichisch-Bukowina und türkisch-Dobrudja. Wobei ich auch deutsches (und polnisches) Blut aus der Bukowina, aber auch türkisches Blut aus der Dobrudja geerbt habe.
Eine Saga könnte geschrieben werden :)
 
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santiago

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Vielleicht passiert noch ein Wunder ? :(
Türkei und die Türk. Lira gehen wirtschaftlich nur in eine Richtung.
Jetzt wackeln auch die TR-Banken etwas.
Die Talfahrt setzt sich fort.
Ein Krieg gegen GR hilft der Ein- Mann vermutlich auch nicht.
Beim Sultan "Grossmaul" weiss man es nie. Die letzten Investoren wurden verscheucht.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Es gibt keine reale Alternative zu Verhandlungen. Die Nato ist ein Militärbündnis, aus dem man erstens nicht so leicht aussteigen kann wie aus einem politischen und wirtschaftlichen Bündnis und zweitens auch nicht so leicht gefeuert werden kann, sofern man die Amerikaner in dieser Frage auf der Seite stehen hat. Für die USA dürfte der türkische Natopartner fast wichtiger sein als der griechische. Die Grenze zu Nordafrika wird von den Spaniern und Italienern bewacht, die Grenze im Ostmittelmeer und zum Iran und zum russischen Schwarzmeer von den Türken. Da gibt es ordentlich Verhandlungsmasse der Türkei gegenüber Griechenland.
Nur mal am Rande: wenn sich Schäuble nicht für Griechenland mit aller Kraft eingesetzt hätte, wäre Griechenland jetzt vielleicht nicht mehr in der EU, dafür aber UK, das seit neuestem so tut, als sei es nie in der EU gewesen.
 

sommersonne

Well-Known Member
https://www.rnd.de/politik/turkei-n...ritikern-fest-7GTNXK2VBZBY5CNV3TQLF5P7VU.html
"... Am Dienstag nahm die Polizei bei Razzien in 19 Provinzen des Landes 27 Anwälte fest. Ihnen wird offenbar zur Last gelegt, dass sie angebliche Anhänger des Exilpredigers Fethullah Gülen verteidigen. ...
Bereits vor zehn Tagen hatte die Staatsanwaltschaft die Festnahme von 60 Rechtsanwälten, angehenden Anwälten und Richtern angeordnet, denen “Terrorvergehen” vorgeworfen werden. Die Juristen hätten Kontakt mit Gülen-Anhängern gehabt und versucht, “unter dem Vorwand anwaltlicher Mandate die Verfahren zugunsten der Terrororganisation zu beeinflussen”, hieß es in der Erklärung der Staatsanwaltschaft. ..."

Rechtsanwälte werden mit ihren Mandanten in einen Topf geworfen. Das artet ja in Berufsverbote aus.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Die Juristen hätten Kontakt mit Gülen-Anhängern gehabt und versucht, “unter dem Vorwand anwaltlicher Mandate die Verfahren zugunsten der Terrororganisation zu beeinflussen”, hieß es in der Erklärung der Staatsanwaltschaft. ..."

Rechtsanwälte werden mit ihren Mandanten in einen Topf geworfen. Das artet ja in Berufsverbote aus.
Offenbar wird die Gülen Partei/Organisation in der Türkei inzwischen als terroristische Vereinigung betrachtet. Wenn Anwälten beispielsweise Mitgliedschaft nachgewiesen werden kann, kann Untersuchungshaft bis zur Anklage gegen sie erhoben werden. Wenn der Kontakt dagegen einzig in der Verteidigung eines Gülenisten besteht, wäre dies natürlich ein rechtsstaatlicher Verstoß, weil der angeklagte Gülenist dann notwendig ohne einen selbstgewählten Verteidiger vor Gericht und Untersuchungsrichtern stünde.
 
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