Damit scheiden Willkürherrschaften sämtlicher Coleur, von Ludwig XIV über Vahideddin und die Diktaturen des europäischen Hauses bishin zu den postdemokratischen Populisten der Gegenwart als Kreativkräfte aus. Insofern Erdogan auch die Klaviatur des Populismus beherrscht und anwendet, scheue ich mich, ihn den kreativen Kräften zuzurechnen, obgleich er wie Trump, Johnson, Orban usw. immer wieder Wendungen vollzieht, die von den Protagonisten selbst gewiss als "kreativ" eingeschätzt werden.
Ich habe gar keine Zweifel, dass Du immer weitere Argumente und bestätigende Beispiele für Deine Sichtweise finden und anführen kannst. Das ist ja gerade der größte Vorteil solch dualistischer Ansätze wie der Dialektik, dass sich durch ausreichend große Verallgemeinerung jeder einzelne Aspekt der Wirklichkeit und Wahrnehmung dem einen oder anderen oder wahlweise mal dem einen, mal dem anderen Pol zuordnen lässt.
Mein Ansatz ist da ein gänzlich anderer - unwissenschaftlicher, sozusagen. Wenn es um Menschen und ihre Gesellschaften geht, plädiere ich für Modelle, die vielmehr dem Grundprinzip der Differenzierung als dem der Verallgemeinerung folgen; princip der specification über dem der homogeneität! Denn das besondere, das ihn ausmachende, das erstrebenswerte am Menschen ist eben gerade nicht das sich wiederholende, dem anderen gleichende an ihm, sondern das einzigartige, das unterscheidende, das innovative und kreative an ihm.
Und das ist bedingt eben durch Evolution (symbolisiert durch den Kraken) und Bewusstsein, die der in seinen Naturgesetzen und Determinismen gefangenen rein physikalischen Welt fehlen. Darum funktioniert auch die wissenschaftliche Herangehensweise so gut und erfolgreich in physikalisch-technischen Zusammenhängen und so erbärmlich schlecht bei menschlich-moralischen und soziologischen Angelegenheiten.
Versuch vielleicht einmal den Populismus im dialektischen Ansatz zu erkennen, denn beide sind gleichermaßen dem Prinzip der Verallgemeinerung vornehmlich verpflichtet. Meine Schwierigkeit besteht natürlich darin, dass wenn ich die Differenzierung hochhalte, mir zwangsläufig die einfachen Modelle fehlen (kein Ockhamsches Rasiermesser!), die auf wenigen Begrifflichkeiten aufbauen und folglich mit wenig Aufwand zu kommunizieren sind. Aber das kann eben auch nicht unser Maßstab sein, finde ich, weil uns das wieder auf direktem Weg zum Opportunismus führt.