Ist die Republik Türkei mittelbar bedroht?

Mendelssohn

Well-Known Member
Gezi war eine Chance, die vertan wurde, weil sich keine Führung fand.
Gezi wurde erbarmungslos zusammengeknüppelt, gerade auch die Führungspersönlichkeiten. In Gezi war ja die Zivilgesellschaft auf der Straße, die von den türkischen Führungskräften in der AKP/MHP und nicht zuletzt vom Militär als eine Bedrohung und nicht als Chance wahrgenommen wird. Darum die endgültige Einschätzung der EU, dass die Türkei noch nicht "reif" sei (die gleichen Maßstäbe hätte man woanders, wo die Zivilgesellschaft missachtet wird, vielleicht auch anlegen sollen). Dass es die sehr zögerliche Haltung der EU gegenüber dem Türkeibeitritt im Vorfeld war, die die türkische Zivilgesellschaft so sehr schwächte, dass Erdogan sie niederknüppeln konnte, ohne mit irgendwelchen Konsequenzen als nur privilegierter Partner rechnen zu müssen, wird häufig vergessen.
Hätte Merkel nicht in Rücksichtnahme auf die neuen osteuropäischen EU-Länder (die nun die EU verraten) die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei blockiert - Frankreich und auch die USA hätten es sich anders gewünscht - dann wäre die türkische Zivilgesellschaft jetzt wesentlich stärker und die Liaison von Traditionalisten und Militär nicht so kompakt wie heute. Aber im Nachhinein ist man immer schlauer. Die Menschen, die es wirklich betrifft, wissen dagegen meistens von Anfang an, wohin der Zug fährt: Jedenfalls nicht ins versprochene Paradies.
 

EnRetard

Well-Known Member
Oder auch nicht. Ich sprach ja davon, dass die türkische Zivilgesellschaft durch den Beitritt bedeutend gestärkt worden wäre. Und dann wäre die Alternative zu Erdogan vielleicht auch nicht ein Militär.
Das ist die optimistische Sichtweise. Die pessimistische ist, dass es in Polen und Ungarn auch eine aktive Zivilgesellschaft gab und gibt und trotzdem der Rechtsstaat abgeschafft wurde.
 

Msane

Well-Known Member
Die Gespräche mit der Türkei wurden blockiert, weil die Türkei eine völlig andere Kultur mit anderer Geschichte ist, welche inkompatibel zur EU ist.
Weder die EU noch die Türkei würden von solch einer Ehe profitieren.
Das würde im Chaos enden.
Aber EU und die Türkei können wunderbar nebeneinander parallel existieren.
Die weitgehenden wirtschaftlichen Beziehungen beweisen dies.
Merkel hatte das erkannt und ihr Angebot der exklusiven Partnerschaft, war die absolut ehrliche Antwort die man echten Freunden gibt.


.
 

sommersonne

Well-Known Member
Die Gespräche mit der Türkei wurden blockiert, weil die Türkei eine völlig andere Kultur mit anderer Geschichte ist, welche inkompatibel zur EU ist.
Dem widerspricht, das man jederzeit Menschen mit einer völlig anderen Kultur ins Land lässt. Die müssen ja dann für kompatibel gehalten werden, ein Land mit solchen Menschen aber nicht.
Merkel hatte das erkannt und ihr Angebot der exklusiven Partnerschaft, war die absolut ehrliche Antwort die man echten Freunden gibt.
Aber so man das den Freunden nie gesagt, sondern vertröstet. Ehrlich geht anders.
 

EnRetard

Well-Known Member
Die Gespräche mit der Türkei wurden blockiert, weil die Türkei eine völlig andere Kultur mit anderer Geschichte ist, welche inkompatibel zur EU ist.
Diese Überheblichkeit wirkt angesichts der Entwicklungen in Polen und Ungarn und des Umstands, dass mit Malta ein Mafiastaat und mit Rumänien und Bulgarien zwei Kleptokratien mit ebenfalls mafiösen Strukturen aufgenommen wurden, etwas - ehem - aus der Zeit gefallen.
 

sommersonne

Well-Known Member
Diese Überheblichkeit wirkt angesichts der Entwicklungen in Polen und Ungarn und des Umstands, dass mit Malta ein Mafiastaat und mit Rumänien und Bulgarien zwei Kleptokratien mit ebenfalls mafiösen Strukturen aufgenommen wurden, etwas - ehem - aus der Zeit gefallen.
Frau Merkel soll Erdogan gesagt haben: "Wir wollen euch nicht in der EU weil ihr eine andere Kultur und einen anderen Glauben habt.". Das glaubst du doch wohl selbst nicht, oder?
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Das ist die optimistische Sichtweise. Die pessimistische ist, dass es in Polen und Ungarn auch eine aktive Zivilgesellschaft gab und gibt und trotzdem der Rechtsstaat abgeschafft wurde.
Wenn man den christlichen Wünschen der Osteuropäer in der Türkeifrage nicht nachgegeben hätte, säßen die gegenwärtigen Populisten weniger fest im Sattel. Es gab weder politische noch ökonomische Gründe, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu Gunsten der Osteuropäer (die wohl Einbußen aus dem großen Topf befürchteten) auf Eis zu legen. Merkel wollte Ruhe haben und hat mit dieser Entscheidung für die gesamte Unruhe in der EU gesorgt, die bis heute herrscht. Hätte man in der Türkeifrage nicht nachgegeben, hätten wir jetzt längst schon eine ordentliche Verteilung von Flüchtlingen und gewiss auch keine Entlassung von Verfassungsrichtern auf der Grundlage EU-widriger Schnelljustiz oder Stacheldrahtzäune um Roma-Viertel. Wer Populisten den kleinen Finger reicht, muss sich nicht wundern, wenn sie alles nehmen, was in ihre Klauen gerät. Es war Merkels größter Fehler, einen Kompromiss mit illiberalen Kräften in Osteuropa zu suchen. - Man kann die Türkei natürlich aus verschiedenen Gründen auf Eis legen, aber nicht, weil Newbies der Demokratie und ökonomisch gepamperte Mitgliedsstaaten dies fordern.
 
Top