Jetzt auf ARD "Der Islamreport"

Tanrısız56

Well-Known Member
Ich hab mir den Rest (ca. 25 Minuten) auch noch angeschaut ... In der Grundtendenz fand ich es zwar etwas kritischer als gewohnt, aber na ja ...

Was generell auffiel, war das Andocken an den Re-Islamisierungsdiskurs unter Menschen, die zufällig "in den Islam hineingeboren" worden sind, und sich damit - über alle Unterschiede hinweg - mit der primären Identität "Muslime" ausstaffieren bzw. in der Fremdwahrnehmung als solche bezeichnet werden (in der Sendung z. B. als: "Muslim, Sommelier und Weinmacher"). Es gibt in D'land auch unter formell noch einer christlichen Kirche angehörenden Menschen viele Zeitgenoss_innen, die religiös recht indifferent aufgestellt sind - von dem inzwischen über einen Drittel der Bevölkerung, die keiner Religionsgemeinschaft mehr angehören (wollen), mal ganz abgesehen ... Ein anderes Beispiel: Ein Freund von mir ist Buddist, war früher Katholik, geht ab und an irgendwohin zum (buddistischen) Meditieren. Würde ich diesen Menschen jetzt in seinen Eigenschaften, Fähigkeiten, Stärken, Schwächen usw. jemand anderem beschreiben wollen, käme ich keinesfalls zuerst auf den Gedanken, ihn zunächst mal als "Buddist" zu labeln. Aber claro: "Muslim" - das steht ganz vorne an, das scheint einen Menschen so ausreichend zu charakterisieren, dass ansonsten nicht mehr viel gesagt werden muss ...

Ich habe hier schon häufiger gesagt, dass Religionskritik (und bei den politischen Ausprägungen von Religionen kommt man dann zwangsläufig schnell zur Ideologiekritik!) im Falle des Islam nicht etwa in "antimuslimisches Ressentiment" abgleiten darf. Das heißt, dass ein Mensch nicht einfach danach beurteilt / abgeurteilt werden darf, dass er zufällig irgendwie Muslim ist, sondern nach seiner sonstigen (Glaubens-)Praxis. Hier gibt es bekanntlich ein weites Spektrum - von der Nenn-Muslimin über den Gülenisten bis hin zu bekanntlich sehr heftigen Ausprägungen ...

M. E. lässt sich etwa Spiritualität auch ohne Religion ganz gut erfahren. Sage ich als Ungläubiger ...

Religionen können sich von ihrem "Markenkern" entfernen und das gefällt mir teils durchaus. Beispiel: In vier deutschen EKD-Landeskirchen sind inzwischen gleichgeschlechtliche Trauungen erlaubt - das ist in D'land, das die gleichgeschlechtliche Ehe nach wie vor untersagt, mehr als der Staat gestatten will. Nur: Mit der Christenlehre, der "Heiligen Schrift", den genuin homophoben christlichen (Verfolgungs-)Traditionen (aber hallo!) usw. lässt sich das schwerlichst vereinbaren, worauf konservativ-reaktionäre Christ_innen (immanent zu Recht!) auch entsprechend hinweisen. Ähnlich fände ich es schwierig, etwa gegen "Kinderehen" zu argumentieren, dabei aber das "prophetische Beispiel" zu rühmen ...

Hier noch der Link zu einem überraschend kritischen Feuilleton-Beitrag ("Salafisten in Europa: Das Ziel ist die islamistische Herrschaft") aus der "Neue Zürcher Zeitung":

http://www.nzz.ch/feuilleton/zeitge...uropa-ziel-islamistische-herrschaft-ld.113643

Fazit des (Schweizer) Autors:

Angesichts des Zusammenspiels verschiedener Faktoren wie der weltweiten Reislamisierung der Muslime unter salafistischen Vorzeichen, des ungebrochenen Aufstiegs des politischen Islam wie zurzeit in der Türkei, der allseitig radikalisierenden Wirkung des jihadistischen Spektakel-Terrors und der starken Einwanderung von Menschen aus islamischen Ländern erfordern die Aktivitäten der Radikalen ein sehr viel entschiedeneres Entgegentreten als bisher. Als Folie, vor der über Massnahmen nachgedacht werden kann, könnte dabei der Kulturkampf zwischen den progressiven Kräften und den Katholisch-Konservativen im 19. Jahrhundert dienen. Seine sozialisierend wirkenden Konflikte bieten Anschauungsmaterial – und sein Ausgang Hoffnung.
 
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