Merkel-Besuch in der Türkei

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m Schatten Schröders

Von Jürgen Gottschlich, Istanbul
Wenn Angela Merkel morgen erstmals als Kanzlerin in die Türkei kommt, wird sie keinen leichten Stand haben. Vorgänger Gerhard Schröder machte sich für den EU-Beitritt stark - von ihr dürfen das die Türken nicht erwarten.
Istanbul - Ein Jahr hat sich Angela Merkel Zeit gelassen, damit die Erinnerung an ihren Vorgänger ein bisschen verblasst ist. Jetzt tritt sie auch in Ankara und Istanbul in seine Fußstapfen - nach allen anderen außenpolitisch wichtigen Plätzen.
AP​
Merkel und Erdogan (im September 2003): "Iftar Essen" in Istanbul


Gerhard Schröder galt in der Türkei zu Recht als ganz enger Verbündeter. Außer vielleicht Großbritanniens Premierminister Tony Blair gibt es keinen EU-Regierungschef, der seinerzeit mehr als Schröder getan hat für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Dass das mit Merkel nicht so gewesen wäre, ist in der Türkei schon zu ihrem Wahlsieg vor einem Jahr lang und breit erörtert worden. Und dass sich an dieser Einschätzung durch die bisherige Türkei-Politik der Großen Koalition etwas geändert hätte, kann man kaum behaupten. Merkel wird ein Programm absolvieren, das Schröders letztem Besuch auf den ersten Blick verblüffend ähnelt. Nach einer kurzen Pflichtaufwartung in der Hauptstadt Ankara, wo sie am Donnerstag Präsident Necdet Sezer und Ministerpräsident Tayyip Erdogan trifft, fliegt sie noch am Nachmittag mit Erdogan nach Istanbul. Hier absolviert sie mit dem Ministerpräsidenten im Kreise seiner Getreuen ein "Iftar-Essen", das traditionelle Fastenbrechen während des Fastenmonats Ramadan. Eine Geste, die Schröder mit "seinem Freund" Erdogan vor einem guten Jahr schon vorgemacht hatte.
Um Merkels eigentliches Anliegen geht es dann am Freitag bei einem großen Wirtschaftskongress - aber auch das hat Schröder schon immer so gehalten: Er kam regelmäßig mit großem Wirtschaftsgefolge in die Türkei.
Das Dauer-Streitthema Zypern eskaliert
Nur zum Abschluss des Besuches gibt es ein Novum: Gemeinsam mit Erdogan wird Merkel vier "hochrangige Religionsführer" treffen, vermutlich den orthodoxen Patriarchen Bartholomäus, den armenischen Patriarchen Mutafyian, den Mufti von Istanbul Mustafa Cagrici und den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, Isak Haleva. Schröder begnügte sich zuletzt mit einem Abstecher zu Bartholomäus, aber das Thema Religion hat ja im Laufe des vergangenen Jahres an Brisanz gewonnen. Vor zwei Monaten reiste Merkels Generalsekretär Ronald Pofalla eigens vorab in die Türkei, um sich über die Lage der Christen im Lande zu informieren - als gäbe es im deutsch-türkischen und europäisch-türkischen Verhältnis keine wichtigeren Themen.
Zurzeit drohen die EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei zu scheitern: Die EU beklagt nicht nur weiter große Defizite im Bereich Meinungsfreiheit und Gleichstellung der Frau. Vor allem der Konflikt um die Anerkennung der Republik Zypern scheint unaufhaltsam auf einen Eklat zuzusteuern. Dieser Konflikt belastet das EU-Beitrittsverfahren der Türkei nachhaltig. Das Grundübel ist Zyperns Aufnahme in die EU im Jahr 2004, ohne zuvor die Teilung zwischen griechischem und türkischem Teil überwunden zu haben. Uno-Generalsekretär Kofi Annan legte damals einen Plan zur Wiedervereinigung vor. In einer Abstimmung im Frühjahr 2004 wurde er zwar im türkischen Teil mit großer Mehrheit angenommen, von den Griechen aber mit ebenso großer Mehrheit abgelehnt.
Treibende Kraft der Ablehnung war der Präsident der griechischen Zyprer, Tassos Papadopoulus, der wusste, dass ein EU-Beitritt für den griechischen Teil ohnehin sicher war - und nur die Türken draußen bleiben müssten, wenn der Uno-Plan scheiterte. Der damalige Beitrittskommissar Günter Verheugen war so empört, dass er öffentlich von Betrug durch Papadopoulus sprach. Aus schlechtem Gewissen versprach die EU dann vollmundig, die türkischen Zyprern nicht unter der Ablehnung der Griechen leiden zu lassen und die Wirtschaftsblockade gegen Nordzypern aufzuheben.
Wird Merkel der Türkei helfen oder sie auflaufen lassen?
Das haben Papadopoulus und seine Regierung bisher erfolgreich verhindert, inzwischen als Vollmitglied der EU. Stattdessen drängen sie nun darauf, dass die Türkei die Republik Zypern völkerrechtlich anerkennt, also die Regierung Papadopoulus - weil es ja nicht sein kann, dass die Türkei mit der EU verhandelt und zugleich einen EU-Staat nicht anerkennt.
Sollte Erdogan dies tun, wäre sein politischer Untergang besiegelt. Falls die EU den türkischen Zyprern, deren Lebensfähigkeit nur durch die Türkei gesichert wird, nicht wenigstens ein Stück entgegen kommt, dürfte bis Ende des Jahres das türkische EU-Beitrittsverfahren Geschichte sein - ganz im Sinne von CSU-Chef Edmund Stoiber. Denn wenn das Verfahren erst mal auf Eis gelegt wird, was die griechischen Zyprer fordern, wird es wohl kaum je wieder aufgetaut.
Bisher ist nicht erkennbar, ob Merkel diese Entwicklung noch stoppen will - oder ob sie ihr gerade recht kommt, wie die jüngsten Äußerungen verschiedener CDU-Ministerpräsidenten nahe legen. Aus ihrer Umgebung verlautete noch heute, die Kanzlerin werde während ihres Türkei-Besuchs auf einer Anerkennung Zyperns durch die Regierung in Ankara bestehen: Es werde "keinen Rabatt für die Türkei geben".
Andererseits hat sich Ministerpräsident Erdogan bei einem Treffen mit US-Präsident George W. Bush noch einmal versichern lassen, wie wichtig den USA eine feste Anbindung der Türkei an die EU ist. Die derzeitige finnische EU-Ratspräsidentschaft arbeitet zurzeit massiv hinter den Kulissen daran, doch noch in letzter Sekunde einen Zypern-Kompromiss zu Wege zu bringen.
Als Vorschlag kursiert, dass die türkischen Zyprer ein Gebiet (die Grenzstadt Varosha) an die Griechen abgeben, sie dafür im Gegenzug ihren Hafen Famagusta wiedereröffnen dürfen und darüber direkten Handel mit der EU aufnehmen können. Damit könnte dann Erdogan innenpolitisch punkten, um seinerseits die türkischen Häfen und Flughäfen für griechisch-zyprische Schiffe und Flugzeuge öffnen und damit zumindesten die Zollunion mit Zypern umsetzen.
Militär wettert gegen weitere Islamisierung
Voraussetzung für einen solchen Deal wäre eine breite Unterstützung innerhalb der EU, vor allem aber von Deutschland, das im Januar selbst die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Wenn Merkel wirklich daran interessiert wäre, dass der Beitrittsprozess weitergeht, müsste sie sich darüber hinaus dafür stark machen, im Zypern-Konflikt ein paar Monate Zeit zu gewinnen. Das ist deshalb so entscheidend, weil im April des kommenden Jahres in der Türkei ein neuer Präsident gewählt wird - und diese Wahl bereits jetzt zu enormen Spannungen zwischen der moderat-islamischen Regierung Erdogans und dem kemalistisch-laizistischen Militär führt.
Zeitgleich mit Erdogans Treffen mit Bush in Washington hielt der neue türkische Generalstabschef Yasar Büyükanit vor der Kriegsakademie in Istanbul eine Brandrede und drohte ziemlich offen damit, dass das Militär eine weitere "Islamisierung der Republik" nicht hinnehmen werde, sprich die Übernahme des Präsidentenamtes durch Erdogan oder einen anderen Kandidaten der Religiösen.
Für die kemalistische Elite der Türkei gibt es kaum einen größeren Tabubruch, als wenn ein heimlicher Gegner des Laizismus - als solcher gilt Erdogan - zusammen mit seiner kopftuchtragenden Gattin in den Präsidentenpalast zöge. In solchen Wahlkampfzeiten ist es immer schwierig, schmerzhafte Kompromisse durchzusetzen. Weshalb es klüger wäre, der Türkei für die Zypernfrage Zeit bis nach April 2007 zu geben.
Ob Merkel dazu bereit ist, ist allerdings fraglich. Zwar hat sie auf Nachfrage bisher immer betont, wenn auch mit wenig Begeisterung, die Bundesregierung werde sich an zuvor abgeschlossene Verträge halten und deshalb auch die Verhandlungen mit der Türkei "fair" begleiten. Wenn es zum Ende des Jahres aber die Möglichkeit gibt, festzustellen, dass sich die Türkei formal nicht an ihre Versprechen hält und die Häfen für Zypern bis dahin nicht geöffnet hat - dann könnte man sich das ganze weitere ungeliebte Thema vielleicht sparen.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,440752,00.html
 

Volkan72

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AW: Merkel-Besuch in der Türkei

Liebe Angie,
schönen Urlaub in der Türkei denn viel mehr wird nicht bei rum kommen!


LG
Volkan
 
A

Anouk

Guest
AW: Merkel-Besuch in der Türkei

Zitat von Bati Trakyali:
Doch eine ziviliesierte Partnerschaft
was das auch heisen magZizou

... verzeih, aber Du meintest sicherlich "privilegierte Partnerschaft". Das bedeutet u.a., dass die Türkei zwar kein Vollmitglied der EU ist, aber assoziiertes Mitglied (sprich Beitrittskandidat), und dass es aufgrund der Zollunion mit der EU weitaus weniger Handelsbeschränkungen als mit reinen Drittstaaten gibt.

lg
anouk
 

Bati Trakyali

New Member
AW: Merkel-Besuch in der Türkei

Zitat von Anouk:
... verzeih, aber Du meintest sicherlich "privilegierte Partnerschaft". Das bedeutet u.a., dass die Türkei zwar kein Vollmitglied der EU ist, aber assoziiertes Mitglied (sprich Beitrittskandidat), und dass es aufgrund der Zollunion mit der EU weitaus weniger Handelsbeschränkungen als mit reinen Drittstaaten gibt.

lg
anouk

genau du hast recht,aber du hast mich schon verstanden:lol:
auserdem war das ironisch gemeint mit der bedeutung,aber trotzdem danke
das du das ausführlich beschrieben hast
 
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