nAn-coeur Kenan
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"Hallo, da draussen,
man nennt mich Kerim, d.h. eigentlich heisse ich Kevin und stamme aus Schwerin. Aber in Neukölln meinten meine Mitschüler, ich bräuchte einen anständigen Namen.
Ich brauche eure Hilfe, denn am Mittwoch vormittag wurden wir abgeholt. Zur ersten grossen Pause standen plötzlich überall Uniformierte und trieben uns in Mannschaftswagen mit vergitterten Fenstern. Wir fuhren etwa zwei Stunden und auch die Harten unter uns hatten Angst, weil ihre Handies keinen Empfang mehr hatten.
Als die Fahrt schliesslich endete und die Wagentüren geöffnet wurden, befanden wir uns auf einem runden Platz, der von einer Seite durch eine Toreinfahrt begrenzt war, die von einem Bogen mit der Inschrift "Bildung macht frei" überspannt wurde.
Wir mussten uns in Zweierreihen aufstellen und wurden durch das Tor zu unseren "Bildungsbungalows" geführt, wo wir übernachten sollten. Beim ersten Appell lernten wir die Leiter des "Integrationscamps" kennen; einen grossen Blonden, der selbst eine Menge Sprachprobleme hatte und ein kleiner mit buschigen Augenbrauen, der zwischen den Reihen herumlief und jedem, der aufschaute drohte: "Euch schicken wir ratz-fatz zurück, wenn ihr nicht spurt!" Mehmet fragte "Nach Neukölln, oda wat?" und musste sofort zur Strafe drei deutsche Mittelgebirge nennen oder 100 Liegestütze machen.
Der grosse Blonde meinte, Deutschland wäre kein Einwanderungsland, Multikulti wäre tot und er würde durchgreifen und denen in Berlin zeigen, wie der Keks krümelt. Ich versuchte zu protestieren, dass ich auch Deutscher sei - also nicht wie Isa, Mussa und Mohammed, deren Eltern in den 1970'ern eingewandert waren und die in Berlin geboren waren - sondern seit 1990 ja auch bundesdeutsch.
Aber der grosse Blonde hörte nicht zu, sondern verfing sich in einem Satzteil und wurde von der Braue zuckend weggeführt.
Seitdem müssen wir hier ständig deutsche Staatsmänner aufzählen, mit verbundenen Augen auf einer Landkarte die Grenzen der Bundesländer nachziehen und deutsche Schlager hören. Ich durfte nicht 'mal meine Mama anrufen. Die Braue meinte, meinen Eltern werde die Sozialhilfe gekürzt, obwohl ja mein Vater für die Gauckbehörde arbeitet.
Bitte holt mich hier 'raus, sagt meinen Eltern bescheid, sie heissen Henry und Sunny Schöffer aus Schwerin, aber die wohnen jetzt in Kreuzberg - ich sage auch nie wieder 'Lan'....ICH SCHWÖR'S!
Euer Kevin"
Die grosse Befreiungsaktion wird koordiniert durch www.nAn-coeur.de
PS: Hierbei handelt es sich um eine exklusive "turkish-talk" Veröffentlichung - only for Turgay.
man nennt mich Kerim, d.h. eigentlich heisse ich Kevin und stamme aus Schwerin. Aber in Neukölln meinten meine Mitschüler, ich bräuchte einen anständigen Namen.
Ich brauche eure Hilfe, denn am Mittwoch vormittag wurden wir abgeholt. Zur ersten grossen Pause standen plötzlich überall Uniformierte und trieben uns in Mannschaftswagen mit vergitterten Fenstern. Wir fuhren etwa zwei Stunden und auch die Harten unter uns hatten Angst, weil ihre Handies keinen Empfang mehr hatten.
Als die Fahrt schliesslich endete und die Wagentüren geöffnet wurden, befanden wir uns auf einem runden Platz, der von einer Seite durch eine Toreinfahrt begrenzt war, die von einem Bogen mit der Inschrift "Bildung macht frei" überspannt wurde.
Wir mussten uns in Zweierreihen aufstellen und wurden durch das Tor zu unseren "Bildungsbungalows" geführt, wo wir übernachten sollten. Beim ersten Appell lernten wir die Leiter des "Integrationscamps" kennen; einen grossen Blonden, der selbst eine Menge Sprachprobleme hatte und ein kleiner mit buschigen Augenbrauen, der zwischen den Reihen herumlief und jedem, der aufschaute drohte: "Euch schicken wir ratz-fatz zurück, wenn ihr nicht spurt!" Mehmet fragte "Nach Neukölln, oda wat?" und musste sofort zur Strafe drei deutsche Mittelgebirge nennen oder 100 Liegestütze machen.
Der grosse Blonde meinte, Deutschland wäre kein Einwanderungsland, Multikulti wäre tot und er würde durchgreifen und denen in Berlin zeigen, wie der Keks krümelt. Ich versuchte zu protestieren, dass ich auch Deutscher sei - also nicht wie Isa, Mussa und Mohammed, deren Eltern in den 1970'ern eingewandert waren und die in Berlin geboren waren - sondern seit 1990 ja auch bundesdeutsch.
Aber der grosse Blonde hörte nicht zu, sondern verfing sich in einem Satzteil und wurde von der Braue zuckend weggeführt.
Seitdem müssen wir hier ständig deutsche Staatsmänner aufzählen, mit verbundenen Augen auf einer Landkarte die Grenzen der Bundesländer nachziehen und deutsche Schlager hören. Ich durfte nicht 'mal meine Mama anrufen. Die Braue meinte, meinen Eltern werde die Sozialhilfe gekürzt, obwohl ja mein Vater für die Gauckbehörde arbeitet.
Bitte holt mich hier 'raus, sagt meinen Eltern bescheid, sie heissen Henry und Sunny Schöffer aus Schwerin, aber die wohnen jetzt in Kreuzberg - ich sage auch nie wieder 'Lan'....ICH SCHWÖR'S!
Euer Kevin"
Die grosse Befreiungsaktion wird koordiniert durch www.nAn-coeur.de
PS: Hierbei handelt es sich um eine exklusive "turkish-talk" Veröffentlichung - only for Turgay.