Rückblickend war alles besser – AMEN 2

Valerie_28

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Ich kam am Flughafen an und durfte erst einmal eine dreiviertel Stunde auf meinen Chef warten, bis der mich endlich abholte – eine lange Zeit in der ich mir vorkam wie auf einem Jahrmarkt voller Marktschreier; das lag wohl oder übel daran, dass ich alleine reiste. Dann im Hotel, steckte man mich in ein Zimmer mit einer Ukrainischen Tänzerin – sie kannte ich bereits – und einem homosexuellen Animateur – von dem sich am Schluss herausstellte, dass er durch und durch hetero war.

Meinen ersten Abend im Club verbrachte ich mit einer Erkundungstour, bei der ich mich glatt verlaufen habe, sonst blieb der Abend aber ohne größere Ereignisse. Das holte der Tag danach aber gleich wieder auf – mein Animationschef wurde kurzerhand aus dem Hotel geschmissen.
Da stand ich nun, wusste nicht ob ich mit ihm mitgehen, oder mich hier in mein Schicksal fügen sollte. Entschied mich aber kurzerhand doch für das Schicksal und den bequemeren Weg, meine Koffer nicht noch einmal packen zu müssen.

Mein Team besteht oder besser gesagt bestand zum größten Teil aus Russen. Bestand deswegen, weil nach der ersten Woche und dem neuen Chef viele davon gegangen sind oder gegangen wurden. So besetzte man die fehlenden Stellen mit Türken nach.
Nach anderthalb Wochen kam die nächste „Überraschung“ auf mich zu. Als ich nichts ahnend zur Rezeption ging um nach irgendetwas zu fragen, lief ich meinem Ex Freund direkt über den Weg. Wir hatten uns dazwischen zwei Jahre lang nicht gesehen, waren aber nie wirklich voneinander getrennt – d.h. keiner von uns hatte je den Mut einen Schlussstrich unter die ganze Geschichte zu ziehen…
… zwei Jahre um ihn zu vergessen oder zumindest zu verdrängen und da steht er plötzlich. Von den über 2000 Hotels die es in Antalya und Umgebung gibt muss er ausgerechnet in dem arbeiten, wo ich auch bin.
Wer jetzt freudestrahlend denken sollte, dass sei Kismet: quatsch! Das war einfach nur schlechtes Timing – oder was ich befürchte - das Leben wollte mir wieder mal eine reinhauen.
Themenwechsel;

Mein Arbeitsalltag:
8:15 Uhr aufstehen, schnell etwas aus mir zu machen, dass man anschauen kann;
8:50 Meeting inklusive Austausch der ersten Klatschgeschichten und erstem Kaffee (wobei dieser Kaffee noch nie in seinem Leben Koffein gesehen hat);
9:00 gemeinsames Frühstück bei dem ich immer versuchte, mein Völlegefühl vom Vortag zu übertreffen.
9:30 Zweites Meeting bei dem darüber gesprochen wird, was man alles diesmal vermeiden sollte zu tun. Z.B. keine Gäste mit unüberlegten Witzen beleidigen, nicht dem Generalmanager über den Weg laufen, es zu vermeiden mit Hotelgästen knutschend im Hotelgelände gesehen zu werden etc.
10:00 Arbeiten bis
12:30 Mittagspause, wenn nicht gerade eine Tanzprobe am Programm steht, was so ziemlich jede Mittagspause ist;
14:30 Weiterarbeiten bis
17:30 Heim gehen um sich endlich zu duschen um dann um
19:00 zum Entrance zu rennen, weil man nicht auf die Uhr gesehen hat. Entrance ist übrigens das elendslange Stehen am Eingang zum Restaurant um die Gäste zu begrüßen – kommt euch sicher bekannt vor was…
20:00 Endlich selbst etwas essen zu können, obwohl man eigentlich nichts mehr will, weil man sich eine Stunde die Beine in den Bauch gestanden hat und einem nur noch schlecht ist;
20:30 Treffen im Backstage-Bereich und beginn der Minidisco;
21:30 Wirklicher Showbeginn;
23:00 Besuch der grottenschlechten Disco in der immer die gleiche Musik spielt, oder Fortsetzung der Tanzprobe vom Mittag – was wieder meistens der Fall ist;
2:00 Auf dem Zahnfleisch nach Hause kriechen und ins Bett fallen, wenn nicht irgendwo intern noch eine Party steigt.

Wer jetzt noch Lust hat als AnimateurIn zu arbeiten, der hat den Sinn der ganzen Sache endlich verstanden – es gibt keinen.
Manche machen diesen Job, weil sie nichts anderes können, manche machen ihn, weil sie nichts anderes wollen und manche wiederum machen diesen Job weil er doch im Grunde großen Spaß macht, wenn man sich nicht dabei umbringt – meine damit jeglichen Drogenkonsum wegen zu viel Stress.

So, jetzt ist das Meiste um den Beruf Animateur gelüftet. Keine große Sache, keine großen Vorkenntnisse benötigt, kein ultimativer Traumjob; eben nur ein ganz normaler Beruf.
 

turkish talk

Well-Known Member
Hi Valerie,
schön, dass Du wieder da bist! Willkommen und vielen Dank für die sehr ausführliche Schilderung des Arbeitsfeldes einer Animationskraft. Man kann sich wirklich nicht vorstellen, was das für ein Knochenjob ist, den Ihr da macht.

Ich schaffe es nicht mal, fünf Minuten am Tag zu lächeln ...
Wir sind schon auf weitere Geschichten gespannt.

Viele Grüße
 

Sedef52

Active Member
wenn man nicht hinter die kulissen schauen kann, denkt man sich wirklich animateure hätten ein tolles leben...

wie lange machst du das jetzt schon valerie?
 
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