Reichelt und sein Fischwickelblatt auch Bild genannt. Alles hier rein, was die angeht?

Mendelssohn

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Reichelt hat denselben Fehler gemacht, der auch in den Unionsparteien gemacht wurde: Er hat sich an Rechtsaußen rangeschmissen. Die Unionsparteien haben auf diese Weise die AfD aufgewertet und Reichelt hat mit seinen rassistischen und Anti-Corona-Politik-Kampagnen rechte Internet-Tummelplätze bestätigt. So macht man sich überflüssig.
Der Spiegel, so sah ich heute, allerdings nur per Einleitung (der Rest war unter Spiegel+) schreibt, dass die Bild immer noch in der Welt der 1960er Jahre lebe. Dass sie den Sprung in die postindustrielle Zweiklassengesellschaft nicht geschafft hat, hat neben der Kurzsichtigkeit Reichelts noch den Grund, dass sich der Facharbeiter längst zur Mittelklasse zählt und sich entsprechender Quellen bedient und das Prekariat gar nichts Gedrucktes liest. Also wer hat die Bild noch in der Frühstückspause liegen? Im Grunde genommen ist der Einfluss der Bild auf die Kollegen beschränkt - wie im Fall Baerbock - die sich dann drauf stürzen, als würden sie für die Bild schreiben, und so kommt der Schmott dann aufs große Tablett. D. h. die Bild muss gar nicht von ihrem angestammten Klientel gelesen werden, das ja allmählich ausstirbt, solange die anderen Medien auf ihre Themen anspringen. So betrachtet hat sie den Sprung doch ins 21. Jahrhundert geschafft, unbemerkt von ihren Spiegelkontrolleuren.
 

EnRetard

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Bintje

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Der Spiegel, so sah ich heute, allerdings nur per Einleitung (der Rest war unter Spiegel+) schreibt, dass die Bild immer noch in der Welt der 1960er Jahre lebe. Dass sie den Sprung in die postindustrielle Zweiklassengesellschaft nicht geschafft hat, hat neben der Kurzsichtigkeit Reichelts noch den Grund, dass sich der Facharbeiter längst zur Mittelklasse zählt und sich entsprechender Quellen bedient und das Prekariat gar nichts Gedrucktes liest. (...) So betrachtet hat sie den Sprung doch ins 21. Jahrhundert geschafft, unbemerkt von ihren Spiegelkontrolleuren.
Das hat aber weniger mit "Bild" oder politischen Einstellungen, als vielmehr mit der geänderten Strategie des Konzerns zu tun. Die haben einfach das Spielfeld gewechselt. Das Printgeschäft spielt für den ASV nur noch eine ganz untergeordnete Rolle. Ablesbar beispielsweise daran, dass Springer mindestens drei Viertel des Umsatzes inzwischen digital erwirtschaftet, was 2019 angeblich schon 87% des Ergebnisses ausmachte. 2014 erzielten sie mit dem Internetgeschäft noch weniger als 50 % des Ergebnisses. Der Punkt ist, dass sie sich an großen Plattformen wie Stepstone, Idealo usw. beteiligt, sie übernommen oder sogar zur Gänze selbst relauncht haben (Immowelt), um das zunehmend defizitär gewordene Anzeigenschäft zu kompensieren. Bild.de und welt.de tragen natürlich auch dazu bei.

"Leitmedium" im Boulevardbereich ist "Bild" aber immer noch, wobei ich zu bedenken gebe, dass z.B. die britischen Tabloids wie "Sun" viel, viel härter drauf sind, ganz zu schweigen von türkischen Boulevardmedien. Das macht es nicht besser, keineswegs, verhält sich aber vergleichsweise so. ;)
 

Alubehütet

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https://taz.de/Verschwoerungserzaehlungen-und-Corona/!5811451/ Die Bildzeitung gehört tatsächlich zu den wichtigen "Informationsquellen" bei den Paranoikern.
Der Link führt zu einer empirischen Studie von u.a. Pia Lamberti, eine der derzeit anerkannt führenden Expertinnen für Verschwörungstüddelkroams.

„Quelle“ ... in meiner Wahrnehmung eher ein Billiardspiel. Die Bild beobachtet aufmerksam die einschlägigen Blogs und Telegramkanäle und nutzt sie als Inspirationsquelle. Was so gerade eben nicht mehr seriös vertretbar ist, das nimmt sie gerne auf. So sehr die Aluhüte die sogenannten Altmedien auch verachten, so begierig sind sie doch jedesmal, wenn sie von ihnen bestätigt werden. Der Effekt ist ein doppelter für sie: Hier, die Bild hat das auch, dann liegen wir eben doch nicht so falsch und: Die Bild ist eben das einzige der großen Medien, das sich noch was traut; alle anderen sind ohnehin eingeschüchtert oder sowieso linksrotgrünversifft gleichgeschaltet. Dieses alte Image „Einen muß es geben, der die Wahrheit sagt“, eines der widerlichsten Werbekampagnen aller Zeiten.

Am drastischsten sichtbar in der Kampagne gegen arabischstämmige Journalist:innen in der dritten/vierten Reihe der ÖR-Medien, die sich irgendwann in Jugendtagen auf AlQuds-Demos haben blicken lassen, oder die neue Vorsitzende der Grünen Jugend. Das speist sich von ganz rechts. Und ist in den Fakten ja noch nicht mal falsch.
 

Alubehütet

Well-Known Member
Zur Erinnerung. Dank einer Schenkung von Friede Springer ist Döpfner jetzt Milliardär und hält 41% der Stimmrechte im Springer-Konzern.
Mutmaßlich steuerfrei, die Gesetzeslage jedenfalls gibt das her.
 
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Bintje

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... weil ich gerade im Erdogan-Thread drüber stolperte:

Du wirst mir sicher zustimmen, dass der Zustand der Zeitungslandschaft im Ruhrgebiet beklagenswert und die Übernahme von Agenturmeldungen nicht die Krönung des Journalismus ist.
Ich gebe Dir recht, @EnRetard . Aber es ist ja bei weitem nicht nur im Ruhrgebiet so, sondern bundesweit - und da wir zuletzt hier bei Döpfner waren:
Er war derjenige, der die Fusion von Regionalzeitungen und die Einrichtung größerer Zentralredaktionen, die die Mantelteile von Regional- und Lokalzeitungen einheitlich mit aufgepeppten Agenturmeldungen beliefern, seit den 200'ern engagiert propagierte und durchsetzte. Um das mal so zu bezeichnen. Dazu gehörte natürlich ein eiserner Sparkurs mitsamt Schrumpfen und Schließen von Redaktionen bis hin zum Ausstieg zahlreicher Blätter aus Manteltarifverträgen. Die Zeitungslandschaft ist dadurch natürlich keineswegs vielfältiger geworden, nur öder, aber viele Leser:innen bemerken es nicht oder nur, wenn sie mehr als nur das Blatt an ihrem Heimatort lesen und z.B. Mantel- und Serviceteile vergleichen. Vieles hat sich ins Internet verlagert hin zu neuen journalistischen Formen und Bezahlmodellen, und der Trend zum Lokalen und Sublokalen soll das verbreitete Zeitungssterben aufhalten und das Überleben von lokalen und regionalen Printausgaben bei drastisch geschrumpften Auflagen sichern. So weit, so überwiegend unschön, und natürlich geht auch nicht alles davon auf Döpfners Konto. Aber er war ein frühzeitig entschiedener und teils brutal agierender Apologet dieser Entwicklung.
Umso erfreuter war ich über diesen Kommentar von Florian Gless ("Stern") - oder hatten wir den schon?

 
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sommersonne

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Aber es ist ja bei weitem nicht nur im Ruhrgebiet so, sondern bundesweit -
So auch schon lange bei der Leipziger Volkszeitung. Die gibt es schon ewig. Aber nicht lange nach der Wende fiel auf das von Stadtteilen Leipzigs als von Kiezen gesprochen wurde. Hier hat es noch nie Kieze gegeben. Stadtteile sind "Viertel", mein Viertel. Es gab auch Leserbriefe und da hat es die LVZ dann zugegeben. Geldmangel wurde als Grund angegeben.
 

Bintje

Well-Known Member
So auch schon lange bei der Leipziger Volkszeitung. Die gibt es schon ewig. Aber nicht lange nach der Wende fiel auf das von Stadtteilen Leipzigs als von Kiezen gesprochen wurde. Hier hat es noch nie Kieze gegeben. Stadtteile sind "Viertel", mein Viertel. Es gab auch Leserbriefe und da hat es die LVZ dann zugegeben. Geldmangel wurde als Grund angegeben.
Wann das genau war, weißt Du wahrscheinlich nicht mehr, oder? Aber die Zeitung wurde ja nach der Wende erstmal von der Treuhand verwaltet, bis mit Springer und Madsack zwei West-Verlage zum Zuge kamen. Und dass etliche Wörter in Ostdeutschland ganz anders besetzt waren als im Westen, kann ich aus eigenem Erleben bestätigen. Davon erzählte auch Hartwig Hochstein, aus Westdeutschland stammender Ex-Chefredakteur der LVZ, der das Blatt 1991 von Wolfgang Tiedke übernahm, nachdem Springer und Madsack dort eingestiegen waren und es bis 2003 leitete. Tiedke, der die unsichere Übergangsphase davor begleitet hatte, war noch im 'Roten Kloster' in Leipzig ausgebildet worden, übernahm die Chefredaktion 1989 und stand dann zwei Jahre lang an der Spitze der LVZ. Er äußerte sich ebenfalls zur Frage des Sprachgebrauchs - spannend!
Eben habe ich alte Interviews mit beiden gefunden, die Dich vielleicht auch interessieren.

Tiedke: https://d-nb.info/1126249491/34

Hochstein: https://www.bpb.de/mediathek/144836/ich-habe-nicht-den-besserwessi-gespielt
 
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