Zunächst einmal stimmt es mE nicht, dass sich nur Leute mit dieser Frage beschäftigen, denen es gerade schlecht geht. Es gibt genügend andere (bei weitem nicht nur Philosophen), für die es in jeder Lebenslage eine lohnende Beschäftigung ist, sich mit dem Leben und seinem Sinn gedanklich auseinander zu setzen. Und trotzdem sind es in meinen Augen noch zu wenige: zum Kochen braucht man das Wissen um die Zutaten und die Zubereitung, wer eine Sprache sprechen will, braucht zumindest minimale Kenntnisse um die Grammatik und die Vokabeln, wer ein Haus bauen will, braucht Kenntnisse über das Baumaterial und statische Gegebenheiten, selbst zum Autofahren brauchen wir einen Führerschein, usw. Und nur beim Leben, das nun ja wirklich jeden lebendigen Menschen betrifft, soll es nicht nötig sein, sich ein paar allgemeine Gedanken darum zu machen? Das wäre ja geradezu fahrlässig.
Dass viele es trotzdem erst dann tun, wenn es ihnen schlecht geht und sie in einer vermeintlichen Krise stecken, ist wohl viel eher eine direkte Folge davon, dass sie es in den übrigen Zeiten viel zu selten oder oberflächlich getan haben. Man hofft dann wohl, mit einer einzigen Antwort alle Knoten auf einmal aufzulösen, die sich durch die bisherige Nachlässigkeit über all die Jahre gebildet haben. Das ist dann in den meisten Fällen natürlich illusorisch.
„Den“ Sinn des Lebens etwa in der Form, dass er auf jedes einzelne Leben und jeden Menschen anwendbar wäre, gibt es vermutlich gar nicht. Dennoch hat jeder Mensch, ob es ihm nun bewusst ist oder nicht, ein gewisses Bündel aus Bedürfnissen, Gewohnheiten, Überzeugungen und Werten, die man zusammengenommen durchaus unter Sinn des Lebens subsumieren könnte. Ich glaube, es war Bodrum, der es weiter oben sehr schön zusammengefasst und auf einen Punkt gebracht hat: es sind eine Anzahl von solchen Kleinigkeiten wie das kleine eigene Gärtchen, die einem das Gefühl geben können, genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, genau hierher zu gehören, im Reinen zu sein mit sich, sodass es einfach „passt“.
Ich finde, es macht durchaus Sinn, sich möglichst frühzeitig mit solchen Fragen zu beschäftigen und sein Leben möglichst danach auszurichten. Gerade in unserer Zeit, in der die Menschen mit allen möglichen Reizen und Informationen geradezu überflutet werden, ist es vielleicht nicht die schlechteste Idee, sich dem hin und wieder eine Weile zu entziehen und den Blick und die Ohren auf den eigenen Bauch und den eigenen Kopf zu richten, was die einem so zu sagen haben.