Türkei: Verfassungsgericht erklärt Wikipedia-Sperre für rechtswidrig

Bintje

Well-Known Member
China und die Türkei sind weltweit die einzigen Staaten, in denen Wikipedia vollständig gesperrt ist.
Noch. Geht es nach dem türkischen Verfassungsgericht, soll die Sperre aufgehoben werden.

Das oberste türkische Gericht hält die seit rund zweieinhalb Jahren geltende Sperre von Wikipedia in der Türkei für nicht mit der Verfassung vereinbar und fordert ihre Aufhebung. Das berichteten mehrere Medien wie die Zeitung "Cumhuriyet" und die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu.

Die Blockade des Onlinelexikons verstößt nach Ansicht des Gerichts gegen die Meinungsfreiheit.

https://www.spiegel.de/netzwelt/net...t-ende-der-wikipedia-sperre-an-a-1302802.html

Na bitte, geht doch!
 

sommersonne

Well-Known Member
Hoffentlich überzeugt das auch Erdogan. Er hat gerade ein neues Projekt, Soldaten nach Libyen schicken und streitet sich noch mit dem Bürgermeister von Istanbul wegen eines Kanals. Was schert den da Wikipedia.
 

Msane

Well-Known Member
Er wird die Entscheidung des Verfassungsgerichts nutzen, um zu behaupten das unter seiner Präsidentschaft, die Türkei ein Hort der Rechtstaatlichkeit ist und seine Anhänger werden es ihm abkaufen.


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Zerd

Well-Known Member
Danke für diesen Beitrag!

Ich sehe Licht am Ende des Tunnels.

Diese Einschätzung wäre wohl etwas verfrüht, denn zur selben Zeit bekam ein guter Freund von mir Besuch von der Polizei, musste auf dem Polizeirevier eine Aussage machen und hat nun vermutlich mit einer Anzeige zu rechnen, weil er auf facebook einen (nicht beanstandeten) Artikel geteilt hat, unter dem irgendein anderer User einen den Präsidenten verunglimpfenden Kommentar hinterlassen hat und dies der Polizei gemeldet wurde. Ich würde dabei nicht einmal ausschließen wollen, dass es sich beim Verfasser des Kommentars und dem Denunzianten um dieselbe Person handelt...
 

beren

Well-Known Member
Diese Einschätzung wäre wohl etwas verfrüht, denn zur selben Zeit bekam ein guter Freund von mir Besuch von der Polizei, musste auf dem Polizeirevier eine Aussage machen und hat nun vermutlich mit einer Anzeige zu rechnen, weil er auf facebook einen (nicht beanstandeten) Artikel geteilt hat, unter dem irgendein anderer User einen den Präsidenten verunglimpfenden Kommentar hinterlassen hat und dies der Polizei gemeldet wurde. Ich würde dabei nicht einmal ausschließen wollen, dass es sich beim Verfasser des Kommentars und dem Denunzianten um dieselbe Person handelt...


Der Tunnel ist lang.

Es tut mir sehr leid um deinen Freund.
Denke nicht, dass er für etwas bestraft wird, wofür er nichts kann.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Doch. Es hat sich was geändert: Seit gestern ist Wikipedia in der Türkei wieder erreichbar!
Wie deuten wir diese Rechtsentscheidung?
Als wohlüberlegtes Urteil eines Gerichts in Sachen Rede- und Meinungsfreiheit?
Als Zeichen internationaler Weltzugewandtheit der Türkei?
Als Signal der ökonomischen Vernunft?
Als Indiz eines Machtverlusts der AKP?
Als Ausdruck eines öffentlichen Stimmungswandels?
Als Reaktion auf die Wirkungslosigkeit von Sperren in Zeiten türkischer Hacker-Eliten, nicht nur in den USA?
 

Bintje

Well-Known Member
Wie deuten wir diese Rechtsentscheidung?
Als wohlüberlegtes Urteil eines Gerichts in Sachen Rede- und Meinungsfreiheit?
Als Zeichen internationaler Weltzugewandtheit der Türkei?
Als Signal der ökonomischen Vernunft?
Als Indiz eines Machtverlusts der AKP?
Als Ausdruck eines öffentlichen Stimmungswandels?
Als Reaktion auf die Wirkungslosigkeit von Sperren in Zeiten türkischer Hacker-Eliten, nicht nur in den USA?

Kann alles sein oder nicht. Möglicherweise ist es viel einfacher und pragmatischer: Da die Sperrung einzelner Beiträge von der AKP-Regierung fortlaufend erleichtert worden sei und mittlerweile noch nicht mal mehr eines Gerichtsbeschlusses bedürfe, wie taz-Korrespondent Jürgen Gottschlich berichtet, halte ich auch für denkbar, dass die Wikipedia-Totalsperre vor allem deshalb aufgehoben wurde - in Abwägung der Verhältnismäßigkeit.

"Seiten, die aus politischen Gründen gesperrt sind, gehören meistens in einen kurdischen oder linksradikalen Kontext. Yaman Akdeniz, ein Kommunikationswissenschaftler, der sich mit dem Thema beschäftigt, hat gegenüber der Deutschen Welle Türkei gesagt, 2018 – für 2019 gibt es noch keine Zahlen – habe es über 240.000 Sperrungen gegeben. Das bedeutet allerdings nicht, dass Websites stets komplett blockiert wurden. Meist betraf es nur einzelne Artikel, 3.000 Mal allein bei Nachrichtenseiten. So wurden beim Onlineportal der Hürriyet Texte zensiert, bevor die Zeitung von einem regierungsfreundlichen Medienkonzern übernommen wurde. Derzeit trifft es Portale aus dem regierungskritischen Spektrum wie Sözcü, Cumhuriyet, Oda TV oder T24. [...] Das Internet, sagte Yaman Akdeniz, ist „das letzte große Feld, auf dem in der Türkei über die Meinungsfreiheit gerungen wird“.

https://taz.de/Internetzensur-in-der-Tuerkei/!5654120/

Das Wikipedia-Urteil ist natürlich super. Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.
Heise übertitelte einen lesenswerten Text dazu bündig und treffend.

Türkei: Das freie Wort bleibt in Haft

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