Türkischer Partner soll in den Krieg

Kariali

New Member
Hallo ihr Lieben

Ich (33) dachte, Fernbeziehung alleine sei schon schwer, aber es wird wie so oft noch beschissener. Normalerweise versuche ich mich auch gewählt und differenziert auszudrücken, aber momentan bin ich dazu emotinal nicht in der Lage. Also entschuldige ich mich schon mal vorab, sollte der Text nicht sehr ausgereift klingen.

Mein Freund (26) war ein Jahr lang in der Armee, hatte eigentlich einen Schreibtischjob (ihr wisst schon, die Familie dachte, da würde man anständig verdienen und der Job sei sicher). Er musste dann aber mit Anfang 20 zur Grenze und hat da viel Schlimmes erlebt (unter anderem sind Freunde von ihm vor seinen Augen erschossen worden, und er geriet in einen Sprengsatz und wurde am Bein verletzt). Er ist dann aus der Armee raus, weil das alles ihn ziemlich fertig gemacht hat. Er leidet heute noch unter Albträumen.

Nun dachten wir, die Sache mit dem Militär hätte sich erledigt. Er hat schliesslich gekündigt und ist ausgetreten. Das ist jetzt ein paar Jahre her. Er führt ein normales Leben, arbeitet in einem Cafe und einem Hotel, wir planen die Zukunft, wollen irgendwann heiraten und in Deutschland eine Familie aufbauen. Jetzt war am Wochenende aber die Polizei mit einem Schreiben bei ihm. Er müsse sich binnen 10 Tagen bei einer Militärstation (weiss nicht, ob das richtig übersetzt ist) melden. Offenbar sucht Erdogan händeringend nach jungen Männern, die er in der neusten Offensive nach Syrien schicken kann. Mein Freund und ich haben jetzt natürlich Panik, dass er in den Krieg muss. Er hat Diabetes und wird versuchen, sich untauglich schreiben zu lassen. Aber um ehrlich zu sein glaube ich nicht, dass das hilft. Sein Vater ist Regimekritiker, und ich könnte mir vorstellen, dass man die Söhne dann erst recht einzieht und nicht gerade in die sichersten Gebiete schickt. Der Gedanke, dass ich meinen Partner im Krieg verlieren könnte macht mich ganz krank. Ich kann kaum mehr einen klaren Gedanken fassen, weil ich solche Angst um ihn habe. Er meint, ich solle mir keine Sorgen machen, aber ich weiss, dass er das nur sagt, um micht zu beruhigen.

Falls wir das Heiraten jetzt vorziehen würden, könnte er ein Familiennachzugsvisum bekommen, wenn er alle anderen Voraussetzungen erfüllt (Deutsch A1 etc)? Oder geht das nicht, wenn das Militär ihn einziehen will? Welche Optionen haben wir?

Kariali
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Hallo ihr Lieben
Mein Freund (26) war ein Jahr lang in der Armee, hatte eigentlich einen Schreibtischjob (ihr wisst schon, die Familie dachte, da würde man anständig verdienen und der Job sei sicher). Er musste dann aber mit Anfang 20 zur Grenze und hat da viel Schlimmes erlebt (unter anderem sind Freunde von ihm vor seinen Augen erschossen worden, und er geriet in einen Sprengsatz und wurde am Bein verletzt). Er ist dann aus der Armee raus, weil das alles ihn ziemlich fertig gemacht hat. Er leidet heute noch unter Albträumen.
Ich habe mal was von "Freikaufen" gehört. Das gilt aber nur für türkische Jungs in Deutschland.
Ob man als Kriegsversehrter in der Türkei noch einmal eingezogen werden kann, bezweifle ich. Vielleicht geht es ja um eine Versehrtenrente?
 

EnRetard

Well-Known Member
Ich glaube die Geschichte so nicht. Die türkische Armee hat es für diese beschränkte Militäroperation nicht nötig, seit vielen Jahren Ausgeschiedene, noch dazu mit alter Verletzung, psychischem Knacks und Diabetes einzuziehen. Volkssturm ist noch nicht.
 

Alubehütet

Well-Known Member
Ich würde @EnRetard unterstützen. In Syrien sind 3000 türkische Soldaten im Einsatz. Da werden sie nicht gerade deinen Freund wollen. Vielleicht einen Schreibtischjob an der Heimatfront.; auch, weil die so viele Gülenisten losgeworden sind.

Wenn alle Stricke reißen allerdings: Das müßte ein anerkennungsfähiger Asylgrund sein. Dein Freund ist im Militäreinsatz verletzt, das kann er vorzeigen; dann ist eine psychische Traumatisierung glaubwürdig, Militärdienst also nicht zumutbar. Zumindest sollte man BAMF, Gerichte, Gutachter usw. damit so lange beschäftigen können, daß Ihr inzwischen in aller Ruhe geheiratet habt und dein Freund Deutsch kann. Diesbezüglich müßt Ihr also nichts in 10 Tagen übereilen.

Aber erst einmal hingehen und hören, was die wollen. Ich würde nicht vom Schlimmsten ausgehen, das ergibt keinen Sinn. Solche wie deinen Freund brauchen sie nicht an der Front; als Kanonenfutter haben sie sich Söldner der FSA gekauft.



EDIT: Heiratspläne zu schmieden macht allerdings insofern Sinn, als daß er nur so als Flüchtling in deiner Nähe wohnen darf. Ansonsten verschicken sie ihn quer durch ganz Deutschland nach irgendwo hin; Verlobung reicht da nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:

Kariali

New Member
Vielen Dank für eure Antworten!

Wir wissen beide auch nicht, was das soll. Für uns klingt auch alles etwas absurd. Also ja, es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich anzuhören, was die wollen. Diabetes, Brille und die Kriegsverletzung sollte wirklich ausreichen, um ihn nicht einzuziehen (falls sie das wollen). Irgendwie denke ich aber auch, dass selbst für den Schreibtisch eigentlich genügend Leute da sein sollten. Schliesslich finden viele Türken die Aktion rund um Syrien ja gut.

Plan B ist jetzt, dass er sich sonst als Student irgendwo einschreibt. Dann können sie ihn wohl die nächsten 5 Jahre nicht einziehen. Über einen allfälligen Asylantrag habe ich auch schon nachgedacht, aber wie Alubehütet schon sagt ist das dann mit viel Bürokratie verbunden und für uns als Paar auch nicht sehr schön. Aber die Idee, dadurch inzwischen in Ruhe heiraten und alles für einen Ehegattennachzug in die Wege leiten zu können, finde ich als Plan C gut.

Heiraten wollen wir wahrscheinlich so oder so. Hatte halt gehofft, dass er sich mein Leben erstmal als Tourist anschaut, denn so Knall auf Fall in ein anderes Land zu ziehen wäre sicher nicht gerade klug. Ich hoffe, es ist alles nur halb so dramatisch, und wir können das Problem schnell aus dem Weg räumen. Dann steht der Antrag für ein Touristenvisum an. Hoffentlich wird dann alles gut.

Wir hoffen jetzt das Beste. Danke für eure Worte. Werde euch auf dem Laufenden halten.
 

eruvaer

Well-Known Member
Vielen Dank für eure Antworten!

Wir wissen beide auch nicht, was das soll. Für uns klingt auch alles etwas absurd. Also ja, es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich anzuhören, was die wollen. Diabetes, Brille und die Kriegsverletzung sollte wirklich ausreichen, um ihn nicht einzuziehen (falls sie das wollen). Irgendwie denke ich aber auch, dass selbst für den Schreibtisch eigentlich genügend Leute da sein sollten. Schliesslich finden viele Türken die Aktion rund um Syrien ja gut.

Plan B ist jetzt, dass er sich sonst als Student irgendwo einschreibt. Dann können sie ihn wohl die nächsten 5 Jahre nicht einziehen. Über einen allfälligen Asylantrag habe ich auch schon nachgedacht, aber wie Alubehütet schon sagt ist das dann mit viel Bürokratie verbunden und für uns als Paar auch nicht sehr schön. Aber die Idee, dadurch inzwischen in Ruhe heiraten und alles für einen Ehegattennachzug in die Wege leiten zu können, finde ich als Plan C gut.

Heiraten wollen wir wahrscheinlich so oder so. Hatte halt gehofft, dass er sich mein Leben erstmal als Tourist anschaut, denn so Knall auf Fall in ein anderes Land zu ziehen wäre sicher nicht gerade klug. Ich hoffe, es ist alles nur halb so dramatisch, und wir können das Problem schnell aus dem Weg räumen. Dann steht der Antrag für ein Touristenvisum an. Hoffentlich wird dann alles gut.

Wir hoffen jetzt das Beste. Danke für eure Worte. Werde euch auf dem Laufenden halten.
Das mit dem Studium müsste eigentlich recht problemlos klappen, würde ich als Plan A im Auge behalten.
 

beren

Well-Known Member
Hab meinen Vater gefragt, er sagt, wenn er "Gazi" ist, dann wird der nicht wieder eingezogen. Als Jemand mit Verletzung fällt er sicher darunter

Anderer Fall:
Wenn die Familie zwei Söhne hätte, und der eine im Kampf getötet worden wäre, dann würde der zweite Sohn auch nicht zum Krieg eingezogen.
 

Kariali

New Member
Das mit dem Studium müsste eigentlich recht problemlos klappen, würde ich als Plan A im Auge behalten.

Ich weiss nur nicht genau, was er mit "I'll register as a student" meint, da er das Abi nicht abgeschlossen hat. Vielleicht will er sich für einen Schulabschluss einschreiben. Mal sehen, vielleicht ist es ja gar nicht nötig.

Hab meinen Vater gefragt, er sagt, wenn er "Gazi" ist, dann wird der nicht wieder eingezogen. Als Jemand mit Verletzung fällt er sicher darunter

Zynischerweise sind seine Verletzungen zu geringfügig um als "Gazi" zu gelten. Er wurde durch einen Sprengsatz am Bein verletzt, aber die Verletzung beeinträchtigt ihn heute nicht mehr.
 

eruvaer

Well-Known Member
Ich weiss nur nicht genau, was er mit "I'll register as a student" meint, da er das Abi nicht abgeschlossen hat. Vielleicht will er sich für einen Schulabschluss einschreiben. Mal sehen, vielleicht ist es ja gar nicht nötig.
Vielleicht reicht ein "Berufsschulstudium" also eine theoretische Fortbildung oder eine Variante die es in Deutschland auch gibt, ein Studium an einer Fachhochschule mit entsprechendem Berufsabschluss?
 
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