türkisches "ÖL"- dorado

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Türkisches Öldorado
Die Türkei wird zu einem wichtigen Energiekorridor


Dr. Orhan Kocagöz
Die feierliche Eröffnung der Baku-Tbilissi-Ceyhan-Pipeline (BTC) ist nur der Anfang. Nachdem aserbaidschanisches Rohöl vom Kaspischen Meer über Georgien in das türkische Ceyhan gepumpt wird, sollen in der kleinen Mittelmeerstadt mehrere Raffinerien hochgezogen werden. Die Türkei wird aber nicht nur eine Durchgangsstation für das Schwarze Gold. Mit der so genannten Nabucco-Pipeline wird in wenigen Jahren zentralasiatisches und russisches Erdgas über Anatolien nach Europa transportiert. Die geografische Lage macht die Türkei zu einem Korridor für Energielieferungen in die westlichen Industrieländer.
Mit der BTC-Pipeline hat die Türkei bereits die energiepolitische Karte ausgespielt, denn diese Route sichert dem Land einen wichtigen Platz auf dem geostrategischen Schachbrett der USA und der EU. Die BTC-Pipeline wurde vor allem von der Clinton-Administ–ration tatkräftig unterstützt. Dabei war die 1.770 Kilometer lange Pipeline mit etwa drei Milliarden US-Dollar die teuerste Variante. Andere Routen schieden jedoch aus, weil Iran und Russland ins Spiel gekommen wären. Mit der Türkei bot sich ein verlässlicher westlicher Partner an, auf dessen Boden die Pipeline in Sicherheit ist.
Mit einer Durchleitungskapazität von einer Million Barrel pro Tag soll die BTC-Pipeline mittelfristig etwa fünf Prozent des Weltölangebots stellen. Betrieben wird diese strategisch wichtige Pipeline von einem internationalen Konsortium unter der Führung der britischen BP, während die staatliche türkische Mineralölgesellschaft TPAO 6,53 Prozent an der BTC-Pipeline hält. Darüber hinaus erhält die Türkei jährlich Durchleitungsgebühren in Höhe von 250 Millionen US-Dollar.
Ceyhan wird Ölstandort
Der Bau der BTC-Pipeline füllt das erste Kapitel des türkischen Öldorados. Eine weitere Ölpipeline wird von der Schwarzmeerstadt Samsun über die zentralanatolische Tigerstadt Kayseri bis zum aufstrebenden Ölhafen Ceyhan gebaut. Den Auftrag hierfür hat die türkische Bau- und Energiegruppe Calik Enerji gemeinsam mit der italienischen ENI gewonnen. Über die 1,5 Milliarden US-Dollar teuere und 660 Kilometer lange Pipeline sollen nach Fertigstellung 1,4 Millionen Barrel Rohöl pro Tag gepumpt werden. Calik und ENI beginnen mit dem Bau im Frühjahr 2007.
Calik Enerji mischt aber noch weiter mit, denn zusammen mit der nationalen indischen Ölgesellschaft Indian Oil soll eine Raffinerie mit einer Kapazität von 15 Millionen Tonnen pro Jahr errichtet werden. Zuvor hat der größte Tankstellennetzbetreiber Petrol Ofisi, an dem die österreichische OMV beteiligt ist, den Bau einer Raffinerie mit einer Verarbeitungskapazität von zehn Millionen Tonnen pro Jahr angekündigt. Beide Raffinerien sollen in Ceyhan gebaut werden. Diesen Plänen wollte wohl die türkische Sanko-Unternehmensgruppe nicht nachstehen und hat Investoren eingeladen, auf einem betriebseigenen Areal in Ceyhan ähnliche Stätten hochzuziehen.
Ceyhan ist aber nicht der einzige Standort, an dem Raffinerien vorgesehen sind. Im Visier der russischen Lukoil ist Zonguldak, eine Stadt zwischen Istanbul und Samsun. Dort will der Ölkonzern eine Raffinerie mit einer Kapazität von zehn Millionen Tonnen pro Jahr bauen, in der vor allem russisches und kasachisches Öl verarbeitet werden. Um den viel befahrenen Bosporus zu entlasten, strebt Lukoil den Bau von Pipelines nach Westen an. Es ist aber auch denkbar, dass ein Teil an türkische Tankstellen verkauft wird. In dieses Geschäft wollen die Russen ebenfalls einsteigen. Zeitungsmeldungen zufolge beschäftigen sich die Ölgesellschaften TNK (Russland) und KazMunaiGaz (Kasachstan) ebenfalls mit einem Engagement in der Türkei.
Wettbewerb der Raffinerien
Die Raffineriepläne von Calik-Indian Oil, Petrol Ofisi-OMV und Lukoil liegen bereits bei der zuständigen Energiemarkt-Regulierungsbehörde EPDK zur Genehmigung vor. Insgesamt werden diese Investitionen ein Volumen von zehn Milliarden US-Dollar umfassen, wobei über die Hälfte aus dem Ausland kommen wird. Die neuen Investitionspläne werden dazu führen, dass im Jahre 2010 eine Raffineriekapazität von etwa 70 Millionen Tonnen pro Jahr installiert sein wird. Bis zu diesem Datum soll die Nachfrage nach Einschätzung von Analysten des türkischen Ablegers der britischen HSBC aber nur auf 35 Millionen Tonnen steigen. Es wird daher zu einem erbitterten Wettbewerb unter den Raffineriebetreibern kommen. Andererseits werden sich bis dahin zahlreiche Exportmöglichkeiten ergeben.
Chancen für deutsche Unternehmen können sich in vielfältiger Hinsicht ergeben. Ein Beispiel hierfür ist die Firma Pipelineplaner ILF Beratende Ingenieure GmbH aus München, die den 1.070 Kilometer langen türkischen Abschnitt der BTC-Ölleitung geplant hat. An dem Bau von Pipelines sind hingegen meist inländische Baufirmen beteiligt, die jedoch immer wieder ausländische Firmen ins Boot holen. Hinzu kommen zahlreiche Mitwirkungsmöglichkeiten beim Bau der Raffinerieanlagen, die äußerst komplex und umfassend sind, so dass zahlreiche spezialisierte Unternehmen zum Zuge kommen können.
Erdgas kein Nebenschauplatz
Alles dreht sich um BTC, aber der Bezug von Erdgas ist für die Türkei ebenso wichtig wie der von Erdöl. In den letzten Jahren ist Russland zu einem bedeutenden Lieferanten für Erdgas geworden. Die wichtigste Erdgas-Pipeline, die so genannte Blue Stream-Linie, führt vom russischen Schwarzmeerhafen Dzhubga nach Samsun an der türkischen Küste und wird vom russischen Gasriesen Gazprom betrieben.
Weitere Pipelines sind in Planung, denn der Erdgasbedarf der Türkei ist immens. Aber auch der europäische Hunger auf den wichtigen Energieträger ist ungestillt. Der zusätzliche Bedarf soll zum großen Teil über die Türkei transportiert werden. Beispielsweise soll eine 285 Kilometer lange Pipeline zwischen der Türkei und Griechenland bald fertiggestellt werden. Die Beziehungen der beiden Nachbarstaaten könnten durch die Energiekorridore durchaus intensiviert werden, und zwar auch dann, wenn dieses kurze Teilstück bis 2010 nach Italien verlängert werden soll, damit der Anschluss an den südeuropäischen Gasring erfolgen kann.
Ein weiteres Projekt ist schon beschlossene Sache. Mit dem schillernden Begriff Nabucco soll die Türkei energiepolitisch in Österreich und somit in Europa ankommen. Die Pipelineroute führt über Bulgarien, Rumänien, Ungarn nach Österreich. Mit der Fertigstellung wird im Jahre 2009 gerechnet. Dann soll Gas beispielsweise aus Aserbaidschan nach Europa fließen. Ohnehin geplant war eine parallele Erdgasleitung zur BTC-Linie. Die brasilianische Petrobras will dar–über hinaus gemeinsam mit der TPAO im Schwarzen Meer nach Rohöl suchen. Sollten diese Bemühungen zum Erfolg führen, befindet sich die Türkei endgültig im Ölfieber. Aber selbst wenn nur die Raffineriepläne realisiert werden sollten, steigt die Türkei in die Liga der „Energieplayer“ dieser Welt auf.

Der Autor
Dr. Orhan Kocagöz ist Leiter des Informa-tionsdienstes Turconomics und externer Lehrbeauftragter an den Hochschulen in Erlangen und Bremen.
Kontakt
Turconomics, Zirndorf
Tel.: 0911/ 47 98 834
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