Ich habe mich zu diesem Thema schon mal geaussert und hier einfach nochmal den Text reinkopiert (4-5 Monate alt). Hat sich nicht viel geaendert. Meine Freundin Aysun ist nach 12 Monaten Izmir jetzt nach Istanbul gezogen. Sie hat aber immer noch keinen Job.
AW: Türkei ich komme
Ich würde gerne ein paar Beispiele aus meinen engen Freundes- und Bekanntenkreis hier anführen. Wie jeder das ganze interpretiert, bleibt ihm/ ihr offen. Nur eins von mir vorneweg:
Die Türkei ist mit Sicherheit KEİN Jobwunderland. Vor allem, wenn wir hier über normale Jobs AUSSERHALB des Bereiches Animation sprechen. (Animation würde ich niemandem empfehlen, der aelter als 27 ist, eine gescheite Ausbildung hat und irgendwann mal eine Famillie gründen will.)
Serap, 37.
- gelernte Bankkauffrau (in Deutschland geboren, Ausbildung in Deutschland
- 2 Jahre im Finanzbereich in London gearbeitet
- seit 7 Jahren in Izmir
- hat 5 Jahre lang als 'Ansprechpartnerin' für Auslaender in einer privaten Schönheitsklinik gearbeitet. War 7 Tage die Woche rund um die Uhr ansprechbar.
- toller Job, viele schöne Seiten (Essen gehen mit Patienten, Tagesausflüge nach der OP)
- Verdienst 1700,- TL
- Spritrechnung monatlich: 500 TL
- Ist von heute auf morgen gefeuert worden
- Jetzt: wieder bei den Eltern, kein Auto, kein Geld ... eventueller Umzug nach Deutschland oder Istanbul
Aysun, 43
- Doktor der Mathematik der ODTÜ
- 5 Jahre London als Investmentbankerin
- 12 Jahre in Deutschland als Investmentbankerin
- sucht seit 1 Jahr eine Stelle in Izmir und Istanbul im selben Bereich und bekommt Gehaelter unter aller Kanone angeboten (2000 TL)
Denise, 30
- PR- und Marketingausbildung
- in Izmir geboren, in Kanada aufgewachsen
- hat als Arbeitssuchende nur Nachteile erfahren (O-Ton: Es ist in der Türkei nicht von Vorteil Türke zu sein.)
- trotz fliessender Sprachkenntnisse und Berufserfahrung hat sie 6 Monate einen Job gesucht (Izmir und Istanbul)
- Angebot einer Universitaet: Praktikum und 1000 TL Bezahlung!
- jetzt arbeitet sie an einer privaten Schule für 1500 TL (Mo-Sa.); Gott sei Dank in der Naehe ihrer Eltern (keine Miete)
- die Schule hat sie 2 Monate lang nicht offiziell als Mitarbeiterin gemeldet
Solmaz, 29
- Ingenieurin aus dem Iran
- spricht fliessend Englisch, Türkisch und Persisch
- hat 1 Jahr lang eine Arbeit gesucht
- jetzt hat sie eine Stelle in ihrem Bereich
- Gehalt: 1500 TL und 5,5 Tage Arbeitswoche
Neslihan, 30
- Kauffrau
- Geboren in D., Ausbildung in D., 5 Jahre Berufserfahrung in D als Managementassistentin
- letztes Jobangebot war im Freihafen von Izmir als Sekretaerin des Managers für 1400 TL
Das Leben in der Türke hat viele wunderbare Seiten. Die Geselligkeit der Leute ist toll. Ich bin eigentlich jedes Wochenende irgendwie unterwegs oder treffe mich mit Leuten. Auch unter der Woche (vor allem im Sommer) geht man ganz problemlos noch auf ein Kaffee, Bier oder was auch immer. In Deutschland muss ja immer jeder sofort in seine 4 Waende zurück. Also wer hier her kommt, sollte für sich abwiegen, was ihm wichtig ist und mit wie viel/ oder wenig er (zumindest auch am Anfang) auskommen kann. Denn gute Wohnungen sind NİCHT billig:
- Miete: ab 550 TL aufwaerts
- Aidat: ab 50 TL aufwaerts
- Strom: 200 - 300 TL monatlich (bei Klimaanlage)
- Dogalgaz: je nach Verbrauch zwischen 30 TL (Sommer) und 400 TL (Winter)
- Benzin: unbezahlbar
- Lebensmittel: 200 - 300 TL (ohne Besonderheiten)
Zum Thema Arbeitgeber:
Die meisten Arbeitgeber rekrutieren ihr Personal aus ihrem Vitamin-B Umfeld. Meine 'Firma' gehört zu einer bestimmten 'Clique'. Das Führungspersonal gehört ausschliesslich auch zu dieser 'Clique'. Da spielt Qualifikation keine Rolle. Einen meiner Kollegen hat man als normalen Angestellten eingestellt. 2 Wochen spaeter hat der obere Chef ihm eine leitende Position zugeschoben. Etwas, was er vorher noch nicht gemacht hat. Warum? Weil er zur Clique gehört. Er hat sich darauf noch nicht mal beworben, der Chef hat gesagt 'Du machst das jetzt einfach mal.'
Und bei vielen Arbeitsverhaeltnissen faengt man erstmal an zu arbeiten, aber der Vertrag laesst noch 3 Monate auf sich warten. Solange ist man nicht gemeldet oder kann sich bei der Versicherung registrieren.
Und irgendwie passiert es auch immer wieder das 'uups' das gezahlte Gehalt mit dem vereinbarten Gehalt nicht übereinstimmt.
Nochmals: Bitte nicht falsch verstehen! Man sollte für sich durchaus die Erfahrungen machen und den Schritt wagen. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Aber oftmals wird mir die Türkei ein bisschen zu rosig gesehen. Von daher: Herkommen, machen, Erfahrungen sammeln und sich dann entscheiden, wo man leben will.
Grüsse aus Izmir