Wahlen in Deutschland

Bintje

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@Bintje Hab Dank für die ausführliche Wahlberichterstattung aus S.-H. :)
Na ja, das waren ja nur Auszüge. Aber ich mag es hier. Und da. Und überhaupt: Schlägt man irgendwo Wurzeln, kommt man nicht schadlos da raus. ; )
In NRW sind fast alle Städte übel segregiert. Größe egal. Dortmund und Essen sind wahrscheinlich die schlimmsten Fälle, aber auch eine Nummer kleiner ist böse. Am krassesten sind aber kleine Industriestädte wie Neheim-Hüsten (Arnsberg) oder Iserlohn.
In Essen kann ich mich das sofort vorstellen, sofort! Dortmund kenne ich weniger gut, glaube es Dir aber genau so. Vielleicht interessiert Dich das?
Eine neueres, sehr umfangreiches Diskussionspapier zur Segregation in 74 deutschen Städten, das vom Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung veröffentlicht wurde: https://bibliothek.wzb.eu/pdf/2018/p18-001.pdf

Was die nördlichste Landeshauptstadt betrifft, ist die soziale Spaltung den Untersuchungen zufolge besonders groß. Text von August 2018:

"„In Kiel kommen zwei Probleme zusammen: eine hohe Armutsquote plus eine deutliche soziale Trennung“, sagt Marcel Helbig, Professor für Bildung und soziale Ungleichheit am WZB und der Universität Erfurt. Er hat die bisher umfangreichste Studie zur „sozialräumlichen Segregation“ vorgelegt. Demnach ist die soziale Spaltung nur in ostdeutschen Städten ausgeprägter als in Kiel: Etwa in Rostock, Schwerin, Erfurt oder Potsdam, wo viele Hartz-IV-Bezieher in Plattenbauten wohnen. Dort sei die Dynamik der sozialen Spaltung historisch beispiellos. „Dieses Niveau kennen wir bisher nur von amerikanischen Städten“, so Helbig. In Westdeutschland ist neben Kiel auch Saarbrücken besonders stark betroffen. [...]“


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Mendelssohn

Well-Known Member
In NRW sind fast alle Städte übel segregiert. Größe egal. Dortmund und Essen sind wahrscheinlich die schlimmsten Fälle, aber auch eine Nummer kleiner ist böse. Am krassesten sind aber kleine Industriestädte wie Neheim-Hüsten (Arnsberg) oder Iserlohn.
In Iserlohn und Neheim-Hüsten tobt die Segregation in NRW am krassesesten?
Dann folgen Dortmund und Essen?
Ich hätte Düsseldorf, Köln, Bonn genannt, weil am Rhein wesentlich mehr Kapital im Umlauf ist als zwischen Ruhr und Emscher/Lippe und die Differenz z. B. zwischen Quartieren wie Marienburg und Niehl größer ist als zwischen Eichlinghofen und Lanstrop. Ich vermute mal, dass Merz aus Iserlohn oder Neheim kommt und du daraus die These der krassesten Segregation in NRW im Sauerland vermutest, das mindestens zur Hälfte vom Tourismus lebt.
 

EnRetard

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Frag mal @Mendelssohn
In Essen ist es eine simple Teilung in Nord und Süd. Der Norden arm und ethnisch gemischt, der Süden reich und weiß. In Dortmund ist es so ähnlich, aber es gibt einen sehr großen Armutsbezirk - die Nordstadt, einen Innenstadtbezirk. Das macht es in Dortmund besonders auffällig. Super auffällig segregiert ist auch Hagen, wo wir so in etwa bei Kieler Größenverhältissen sind. In Köln sind es eher einzelnen Viertel als ganze Stadtbezirke, die durch Armut oder Wohlstand auffallen (Ausnahme: das durchgängig bürgerliche Lindenthal). Aber selbst in verrufenen Stadtbezirken wie Mülheim, Kalk oder Porz gibt es neben völlig ausgegrenzten Vierteln wie Finkenberg ( und der WDR-Film verniedlicht die Zustände noch) ausgesprochen bürgerliche in der Nähe.
 

EnRetard

Well-Known Member
In Iserlohn und Neheim-Hüsten tobt die Segregation in NRW am krassesesten?
Nein, sie tobt nicht. Sie ist da. Seit ewigen Zeiten. Sie bildet die Industriegeschichte ab und du findest sie in fast allen Industriestädten im Ruhrgebiet und im Sauerland. Und am krassesten ist sie auch nicht, aber sehr auffällig, wenn im Tal die kleinen Leute wohnen und auf den Hügeln die Reichen, wenn Gymnasien immer noch viel weißer sind als die entsprechende Altersgruppe und das kaum hinterfragt wird.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
aber es gibt einen sehr großen Armutsbezirk - die Nordstadt, einen Innenstadtbezirk. Das macht es in Dortmund besonders auffällig.
Die Nordstadt von Dortmund ist kein Armutsbezirk, sondern auf dem Sprung zur Gentrifizierung, wie du selbst vor einiger Zeit bemängelt hast, während ich den Einzug von Studenten noch nicht als Gentrifizierung betrachtetete. Es gibt in der Dortmunder Nordstadt einige dunkle Ecken und insgesamt eine niedrigere Einkommens- und Gymnasiastenquote im Vergleich zu Kirchhörde im Südwesten, aber die Armutsbezirke sind in Dortmund woanders: Scharnhorst, Westerfilde und überall dort, wo in den Vorstädten in Plattenbauweise schneller Wohnraum geschaffen wurde. Die Dortmunder Nordstadt ist deutschlandweit das größte zusammenhängende Viertel in Jugendstil und Gründerzeit und damit nicht prädestiniert für einen Armutsbezirk.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Nein, sie tobt nicht. Sie ist da. Seit ewigen Zeiten. Sie bildet die Industriegeschichte ab und du findest sie in fast allen Industriestädten im Ruhrgebiet und im Sauerland. Und am krassesten ist sie auch nicht, aber sehr auffällig, wenn im Tal die kleinen Leute wohnen und auf den Hügeln die Reichen, wenn Gymnasien immer noch viel weißer sind als die entsprechende Altersgruppe und das kaum hinterfragt wird.
Das macht den Bezirk Arnsberg aber nicht auffällig im Vergleich zu anderen Regierungsbezirken in NRW. Nenne mir einen Bezirk in NRW, in dem die Reichen nicht oben und die weniger Privilegierten nicht unten wohnen. Ich bestreite nicht das Faktum der Segregation, aber die Aussage, dass Arnsberg in der Segregations-Skala Spitzenreiter in NRW sei. Da sehe ich woanders größeres Potential, nämlich da, wo das dicke Geld ist.
 

EnRetard

Well-Known Member
Scharnhorst, Westerfilde und überall dort, wo in den Vorstädten in Plattenbauweise schneller Wohnraum geschaffen wurde. Die Dortmunder Nordstadt ist deutschlandweit das größte zusammenhängende Viertel in Jugendstil und Gründerzeit und damit nicht prädestiniert für einen Armutsbezirk.
Die Nordstadt ist sowenig das größte Gründerzeitquartier in Deutschland wie Berlin die drittgrößte Stadt der Türkei ist. Die Nordstadt wurde im Krieg großflächig zerbombt, so dass sie zwar noch einige schöne Ensembles hat wie den Borsigplatz und einiges an schönen Fassaden in der Bornstraße und Umgebung hat, aber Leipzig Gruß an @sommersonne hat viel mehr zusammenhängende Gründerzeitbebauung als Dortmund und in Berlin dürfte in mehreren Bezirken auch jeweils mehr zusammenkommen. Die Heinrich-Böll-Stiftung hat eine eindrucksvolle Karte zur Kinderarmut in DO produziert, je dunkler das Rot desto ärmer, und der größte rote Fleck ist die Nordstadt. https://www.boell.de/sites/default/files/2021-04/Factsheet Dortmund-1.pdf

Was die Einkommensverhältnisse betrifft, so ist die Nordstadt, besonders das Nordmarkt-Viertel, der Dortmunder Tiefpunkt mit 50% des Dortmunder Einkommensdurchschnitts. Klar gibt es Tendenzen zur Gentrifizierung, die Stadt fördert sie aktiv, indem sie Schrottimmobilen vom Markt nimmt, aber geh z.B. die Mallinckrodtstraße lang, du siehst nix davon. Am Hafen ist was zu merken, aber im Nordmarktviertel, nö, nix. Und die ethnische Segregierung in Dortmund schlägt wirklich alles. https://www.dortmund.de/media/p/sta...Staatsangehoerigkeit_Statistische_Bezirke.pdf

Das macht den Bezirk Arnsberg aber nicht auffällig im Vergleich zu anderen Regierungsbezirken in NRW. Nenne mir einen Bezirk in NRW, in dem die Reichen nicht oben und die weniger Privilegierten nicht unten wohnen. Ich bestreite nicht das Faktum der Segregation, aber die Aussage, dass Arnsberg in der Segregations-Skala Spitzenreiter in NRW sei. Da sehe ich woanders größeres Potential, nämlich da, wo das dicke Geld ist.
Ich rede nicht vom Regierungsbezirk Arnsberg, der von Bochum bis Bad Laasphe reicht. Das Arnsberg in () bezog sich auf die westliche Hälfte der Stadt Arnsberg (Neheim-Hüsten).
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Die Nordstadt ist sowenig das größte Gründerzeitquartier in Deutschland wie Berlin die drittgrößte Stadt der Türkei ist.
Sorry, es muss NRW heißen:

"Die Dortmunder Nordstadt ist das flächenmäßig größte zusammenhängende Gründerzeitviertel in NRW."

Ändert aber nichts an der Aussage, dass die Dortmunder Nordstart kein Armutsviertel oder Armutsbezirk ist. Dann sähe es dort ganz anders aus. Wie z. B. in Scharnhorst, Im Odemsloh oder ähnlicher Plattenbausiedlungen in sämtlichen Vorstädten des Dortmunder Nordwestens. Die Nordstadt hat viele Probleme, aber ist im Vergleich zu vielen abgehängten Stadtteilen eine Oase der Infrastruktur und des individuellen Handels.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Noch etwas: der Nordmarkt ist nicht die Nordstadt, sondern ein kleines Viereck im östlichen Teil auf dem Weg zum Borsigplatz, der schon wieder sehr schmuck ist. Unser Gerätewart wohnt direkt am Nordmarkt und hat es bis heute überlebt. Seine Kinder sind wohlerzogen, inzwischen um die dreißig. Die Mallinckrodtstraße ist ein Hauptverkehrsader, die im östlichen Teil durch eine Baumallee geteilt wird, in der zwischen Nordmarkt und Borsigplatz bei diesem Wetter die Anwohner ihrer Stühle zwischen die parkenden Autos stellen. Am westlichen Teil der Mallinckrodstraße ist der Bülow-Park, in dem das Anwohnerleben bei gutem Wetter spielt. Willst du mir wirklich etwas über das Viertel erzählen, durch das ich zur Schule ging, wo meine erste Disko (Fantasio) war, wo meine Halle steht und wodurch ich mindestens zweimal die Woche fahre?
 
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