Wann fängt das Leben wieder an?

Orient1987

Active Member
Ich habe meinen Vater vor etwas über 7 Wochen verloren. Ich komme damit nicht wirklich klar, es vergeht kein einziger Tag an dem ich nicht an ihn denken muß.

Nun frage ich mich hört das jemals wieder auf, kommt man irgendwie, irgendwann damit klar, wie war es bei euch, ich werde ja nicht die einzige sein, die sowas schon durchmachen musste...
 

Bintje

Well-Known Member
Ich habe meinen Vater vor etwas über 7 Wochen verloren. Ich komme damit nicht wirklich klar, es vergeht kein einziger Tag an dem ich nicht an ihn denken muß.

Nun frage ich mich hört das jemals wieder auf, kommt man irgendwie, irgendwann damit klar, wie war es bei euch, ich werde ja nicht die einzige sein, die sowas schon durchmachen musste...

Noch mal mein herzliches Beileid, liebe Orient. Sieben Wochen sind eine sehr kurze Zeit.
Ja, die Trauer hört irgendwann auf, oder genauer: sie wandelt sich. Was zurückbleibt, ist Wehmut.
Zumindest bei mir war es so.
Ich habe meinen Vater mit 22 Jahren verloren. Er starb an Krebs, leider ging es sehr schnell (wobei: gnädig für ihn), und anfangs waren meine Geschwister und ich wie betäubt, wie unter Schock. Anfangs habe ich nur funktioniert, weil unglaublich viel zu erledigen war; weinen konnte ich erst sehr viel später.
Du fragst, wann das Leben wieder anfängt. Pauschal kann man das sicher nicht sagen, dafür sind Menschen viel zu verschieden, auch die Umstände, unter denen sie ihre Liebsten verlieren. Und sicher hängt es auch davon ab, wie eng man einander verbunden war, auch nach dem Tod ist.
Ich kann nur sagen, ab wann ich das Gefühl hatte, mich zum ersten Mal wieder von Herzen über etwas freuen zu können, ohne dass es überschattet und verdunkelt war: - und daran habe ich mich auch später erinnert, wenn der Kummer mit unverminderter Wucht wieder einsetzte: es war bei einem klassischen Konzert. Morgens hatte ich mitbekommen, dass es für wenig Geld Restkarten gab, radelte sofort zur Veranstaltungshalle, ergatterte 2 Tickets, freute mich darüber wie eine Schneekönigin und hörte und sah abends Leonard Bernstein, wie er Haydns "Schöpfung" dirigierte. Ein unglaubliches Erlebnis; ich war völlig hin und weg und noch auf dem Heimweg so beglückt wie seit Monaten nicht mehr.
Es war das erste Mal, dass ich nicht mehr unentwegt an den Tod meines Vaters gedacht hatte.
Und ab da wurde es besser. Langsam.

Dazu muss ich sagen, dass Musik für mich immer etwas Besonderes war und ist. Ich kann dann alles um mich herum vergessen; egal, wie die Zeiten sind. Wie sich das bei Dir verhält, kann ich nicht sagen. Aber vielleicht gibt es etwas, woran Dein Herz so sehr hängt, dass es Dir ähnlich geht. Ich wünsche es Dir. Dann wirst Du merken, dass Du nach und nach wieder mehr Kraft bekommst. Denn darum geht es: ums Weitermachen und Weiterleben
und lernen, dass der Tod zum Leben gehört wie die abgewandte Seite des Mondes zu unserem ganzen Universum.
 

Orient1987

Active Member
Ich danke dir Bintje, für deine Worte. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zu letzt. Es ging halt auch alles so schnell man konnte sich nicht wirklich drauf vorbereiten, die Ärzte gaben ihm eine Lebenserwartung von 2-3 Monaten und es sind letztendlich 21 Tage gewesen, die uns zusammen noch geblieben sind, unbegreiflich, schmerzlich zu ertragen...
 

Yaso2.0

Well-Known Member
Mein herzliches Beileid, liebe Orient!
Bei diesem Thema kann man nur dann „mitreden“, wenn man es selbst erlebt hat. Keine Empathie oder sonstiges Gefühl kann jemand anderem auch nur den Hauch von dem Gefühl vermitteln, wie sich der Verlust eines Elternteils anfühlt.

Meine Freundin sagte letztes Jahr (kurz nach dem Tod ihres Vaters zu mir: 17 Jahre lang dachte ich, ich hätte die beim Verlust deines Vaters verstanden, ich war ja auch geschockt und unendlich traurig. Jetzt merke ich, dass ich dich damals nicht verstanden habe und es erst jetzt tatsächlich tu.

Ich habe meinen Vater verloren, da war ich 19. Ganz plötzlich und ohne Vorwarnung. Er war von einem Moment auf den anderen einfach nicht mehr da.

Ich dachte, die Welt würde still stehen und mein Leben sei genauso vorbei wie seines.

Wie Bintje schon sagte, jeder Mensch ist unterschiedlich in seiner Trauerbewältigung und der Verarbeitung.

Ich habe einige Monate gebraucht, um zu verstehen, dass auch der Verlust eines der meist geliebten Menschen meines Lebens, nicht die Welt zum stehen bringt. Alle um mich herum haben sich verliebt, geheiratet, Kinder bekommen, Urlaub gemacht und ihr Leben gelebt.

Und ich habe mich gefragt, ob mein Vater gewollt hätte, dass ich jetzt fernab vom Leben bleibe. So habe ich mich tag für tag zurück zu einem Alltag gekämpft, mir Dinge gegönnt, ohne ein schlechtes Gewissen bekommen zu müssen. Die Trauer an sich endet m. M. n. nie, sie verändert sich! Anfangs ist man traurig und redet immer vom Tod des geliebten Menschen und irgendwann wendet sich das Blatt und man lässt lieber die schönen Erinnerungen aufleben. Denn jeder möchte doch lieber in guter Erinnerung bleiben, statt über die Umstände seines Todes.

Mittlerweile sind gut 18 Jahre vergangen und alles was ich damals für unvorstellbar hielt, ist nun da! Ich habe geheiratet, ein Kind bekommen und lebe ein glückliches Leben.

Die Tränen kommen mir auch heute noch, wenn ich an damals zurückdenke, aber sie arten nicht mehr so aus.

Liebe Orient, es wird der Tag kommen, an dem sich die Wolken langsam verziehen, die Sonne schon mal erste warme strahlen durchsickern lässt, um dann langsam aber sicher die Dunklen Tage durch hellere zu ersetzen!

Ich wünsche dir und deiner Familie sehr viel Kraft dabei.
 

eruvaer

Well-Known Member
Ich habe meinen Vater vor etwas über 7 Wochen verloren. Ich komme damit nicht wirklich klar, es vergeht kein einziger Tag an dem ich nicht an ihn denken muß.

Nun frage ich mich hört das jemals wieder auf, kommt man irgendwie, irgendwann damit klar, wie war es bei euch, ich werde ja nicht die einzige sein, die sowas schon durchmachen musste...
Mein herzliches Beileid.

Meinen Verlobten habe ich einst verloren. Nicht ganz das gleiche - aber auch eine sehr sehr nahestehende Person...
Völlig ohne Vorwarnung - Abschied nehmen oder nicht, macht es meiner Meinung nach auch nicht unbedingt einfacher, denn einfach ist es nie jemanden geliebtes zu verlieren.
An mir zog das Leben Wochen und Monate unbemerkt vorbei.
Manchmal sass ich stundenlang da ohne mich zu bewegen und starrte einfach ins Leere mit dem Stift/Buch/wasauchimmer noch in der Hand.
Dieses Loch, diese Leere, dieser Schmerz...scheint unendlich gross, unfüllbar und unendlich...
Man muss lernen seinen Alltag wieder aufzunehmen - ohne die Rituale, für die nun jemand fehlt.
Ich nahm die Welt lange Zeit wie durch eine dichte Isolationsglocke wahr. Alles schien so fern, wie in einer anderen Welt und nichts mit mir zu tun zu haben...
Es half mit Familie und Freunden von ihm über ihn zu reden, es fiel dann leicht zu lachen, denn er war ein Mensch, der wollte, dass jeder etwas zu lachen hat. Sogar bei der Beerdigung in der Kirche haben seine Mama, Geschwister und ich lachen müssen, weil wir uns vorstellten, wie er das alles kommentieren würde.
Das hat bei ihm nicht so nahe stehenden Personen sichtlich zu Verwirrung geführt - aber jeder darf trauern, wie er trauert.

Und letztendlich ist es immer das was mir am meisten hilft:
Das, was diese Person in die Welt getragen hat, mitzunehmen - zu leben.
So lebt die Person in dir und durch dich weiter.

So schmerzlich jeder Tod war, so dankbar bin ich dafür jeden Einzelnen kennengerlernt zu haben.
Und in gewissen Momenten sitzt mir eine kleine Stimme im Ohr, die sagt, was er dazu gesagt hätte und bringt mich zum Schmunzeln. - Mit einem lachenenden und einem weinenden Auge.
 

Orient1987

Active Member
Danke euch allen, gut zu wissen, das ich nicht die einzige bin, die da durch musste/ muss. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und das Verhältnis zu meinem Vater war sehr eng, auch wenn er kein einfacher Mensch war, ist er mein Vater gewesen. Ich habe in der letzten Zeit viele Schicksals Schläge durchmachen müssen und das jetzt war die Krönung, das alles zu verarbeiten ist langsam garnicht mehr so einfach, eine Nachbarin letztens sagte zu mir ich bewundere dich für deine Kraft, das du das alles so durch stehst. Im stillen habe ich gedacht wenn du wüsstest, wie es innerlich in mir aussieht...
 

eruvaer

Well-Known Member
eine Nachbarin letztens sagte zu mir ich bewundere dich für deine Kraft, das du das alles so durch stehst. Im stillen habe ich gedacht wenn du wüsstest, wie es innerlich in mir aussieht...
Andere wären vielleicht schon mit einem Nervenzusammenbruch in der Klinik.
Du bist stärker als du glaubst.
Was der Mama und den Geschwistern von meinem Verlobten geholfen hat, war übrigens ein toller Trauerbegleiter. Aber so einen findet man wohl nicht an jeder Ecke...gibt da sicher auch haufenweise nutzlose Phradendrescher.
Aber auch deine Nachbarin meint es nur gut. Sie weiss eben auch nicht besser, wie sie dir zeigen soll, dass sie für dich da ist.
 

Berfin1980

Well-Known Member
Danke euch allen, gut zu wissen, das ich nicht die einzige bin, die da durch musste/ muss. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und das Verhältnis zu meinem Vater war sehr eng, auch wenn er kein einfacher Mensch war, ist er mein Vater gewesen. Ich habe in der letzten Zeit viele Schicksals Schläge durchmachen müssen und das jetzt war die Krönung, das alles zu verarbeiten ist langsam garnicht mehr so einfach, eine Nachbarin letztens sagte zu mir ich bewundere dich für deine Kraft, das du das alles so durch stehst. Im stillen habe ich gedacht wenn du wüsstest, wie es innerlich in mir aussieht...
Von mir auch mein herzliches Beileid.
Ich habe auch Verluste hinnehmen müssen und vermisse die Menschen auch, aber es war am Ende bei allen für sie selbst eine Wohltat. Ich denke damit geht jeder Angehörige anders um.

Es gibt den Begriff der Trauerarbeit und arbeiten geht der Mensch meistens ein Leben lang. Kannst du dir nicht mal eine Gesprächsgruppe suchen da gibt es doch Angebote. Manchmal hilft der Austausch mit anderen Betroffenen.

Es bringt dir auf jeden Fall nichts, es nicht raus zu lassen, man muss nicht die Starke markieren.
 
Top