Das nennt Forist Zerd Menschlichkeit und Venunft.
Ja, das tut er. Aus der Überzeugung heraus, dass es immer die Menschen sind, die eine bestimmte staatliche oder politische Struktur ausfüllen und umsetzen. Und wenn die Leute von heute auf eine demokratische Struktur losgelassen werden, dann kommt ganz offenbar alles andere als mehr Demokratie dabei heraus. Und da gilt dann für mich der gute alte Spruch, der hier übrigens suggestiv verfälscht wurde: stell Dir vor, es wäre Krieg und keine geht hin!
Aber von Anfang an: ganz offensichtlich ist Sachsen seiner Zeit voraus, dort ist die AfD schon fast so weit wie die Nsdap 1933 deutschlandweit. Wenn einige Bundesländer bald nachziehen und ein Bundespräsident sagen wir wie Gauck die Rolle Hindenburgs übernimmt, könnte schon hundert Jahre nach dem dritten Reich der III. Weg hier folgen.
Deutschlandweit fehlt da noch ein bißchen was, obwohl man auch hier auf einem guten Weg ist. Der letzte sozialdemokratische Kanzler war der Genosse der Bosse und hat seiner Klientel mit Hartz IV und Niedriglohnsektor eine neoliberale Keute verpasst, die sich selbst die unternehmerfreundlichen Parteien in dieser Dreistigkeit nicht zugetraut hätten. Und nun versucht es dieselbe Klientel mit dem Genossen der Banken; mal sehen, was wir diesmal zu erwarten haben.
Den Comedypreis des Wochenendes hat sich eindeutig die Union verdient. Geprägt von Markus Söder kam das Thema Modernisierung auf und plötzlich wollte CDU'ler die größten Modernisierer sein, von der einzig wahren Modernisierungspartei und einer möglichen Modernisierungskoalition war ständig die Rede. Meine Güte, welche Partei stellte denn in den letzten 16 Jahren den Kanzler in diesem Land und hatte folglich das meiste Sagen. Wenn dieses so lange von dieser einen Partei entscheidend mitregierte Land heut offenbar einen solch großen Modernisierungsbedarf offenbar, wessen Verantwortung kann das dann überhaupt sein? Und genau die wollen jetzt die Modernisierer sein und auf einmal nachholen, was sie die letzten 16 Jahre versäumt haben?!?
Das ist die lustige Seite an dieser Angelegenheit, das Traurige ist, dass diese Leute glauben (und damit sogar recht haben könnte), dass das Wahlvolk ihnen das abnimmt. Gute alte Demokratie mit lauter rational agierenden Akteuren und mündigen Wahlbürgern!
Afd und FDP kamen deutschlandweit auf über 10 Prozent, was bedeutet, dass jeder zehnte Wähler sich nicht an einigen Nazi-Faschisten in der Partei stört, und sich ebenso viele nicht an einigen neoliberalen Sozialdarwinisten stören, was ja letztendlich auch nur eine abgeschwächte moderne Form des Faschismus ist.
Alles in allem ist also davon auszugehen, dass sich etwa die Hälfte des Wahlvolks gerne desorientiert und unbelehrbar an der Nase herumführen lässt und etwa ein Viertel des Wahlvolks menschenverachtendem Extremismus zugeneigt ist.
Und ja, ich bin ziemlich stolz darauf, nicht zu diesem Haufen zu gehören. Sicher laufen unter den 23% Nichtwählern auch eine Menge unvernüftige und unmoralische Menschen herum, aber zumindest haben diese die institutionelle und strukturelle Unvernunft nicht durch ihre Stimme legitimiert und honoriert; sie haben stattdessen den Irrglauben abgelehnt, dass es zur Zeit tatsächlich einen Unterschied machen könnte, ob und wen sie wählen!
Ganz ehrlich, Leute, glaubt irgendjemand in dieser Runde ernsthaft daran, dass innen- oder außenpolitisch, wirtschafts- oder gesellschaftspolitisch einen qualitative Unterschied machen würde, ob wir in den nächsten Wochen nun die Jamaika- Kolation oder die Ampel-Koalition bekommen? Oder ob es einen solchen Unterschied gemacht hätte, wenn eine rotrotgrüne oder meinetwegen auch eine blauschwarzgelbe Koalition möglich gewesen wäre?
Ich nicht!
Dabei denke ich durchaus, dass wir früher oder später wieder die Kurve kriegen werden hin zu einer besseren Welt im Sinne von mehr Gleichheit, mehr Brüderlichkeit, mehr Freiheit und mehr Nachhaltigkeit, nicht nur innerhalb abgeschlossener Gemeinschaften, sondern auch weltweit. Aber dafür gibt es derzeit weder im öffentlichen Diskurs noch im Gebaren der meisten Menschen und der Institutionen den geringsten Hinweis. Im Gegenteil, derzeit deutet alles darauf, dass es erst noch eine Weile schlimmer werden wird, bevor es dann wieder besser wird. Damit es besser werden kann. muss sich erst grundlegend etwas ändern.
Und selbst diejenigen, die keinen Plan haben, was das sein könnte, können damit anfangen, diejenigen Mechanismen und Werte zu untergraben und zu unterlaufen, die die gegenwärtige Entwicklung nicht nur in Gang halten, sondern sie sogar beschleunigen. Und dazu zählt nun einmal auch der Wahlzettel, mit dem wir alle ein zwei Jahre, Landtags-, Kommunal- und Europawahlen mitgerechnet, diese Entwicklung legitimieren und honorieren, in Gang und am Funktionieren halten.
Ich denke, die Menschheit muss aus zweihundert Jahren ungezügeltem Rationalismus seine Lehren ziehen. Das dominierende ethische Konzept dieser Zeit ist der Funktionalismus, also das (rational) bedingt Moralische. Wir müssen erkennen, was die Nebenwirkungen und auch die Langzeitfolgen dieses bedingt moralischen Ansatzes sind. Denn rational begründen lässt sich mit den geeigneten Voraussetzungen (und prinzipiell beliebigen Basisannahmen, Präsumptionen, ersten Präferenzen) so ziemlich jedes Verhalten und jede Maßnahme. Solange jahrhundertealte Werte diesen Begründungsprozess noch prägen, kann das einigermaßen funktionieren oder zumindest diesen Eindruck erwecken.
Aber mit der Zeit entsteht bei diesem Ansatz unweigerlich eine gewisse Konvergenz hin zu einer atomisierten individualisierten Beliebigkeit, die jegliches Funktionieren einer Gesellschaft erschwert oder gar ganz verhindert, das Dschungelprinzip gewinnt folglich immer mehr die Oberhand. Mit den Erfahrungen der letzten zwei Jahrhunderte scheint mir das sogar eine unvermeidliche Konsequenz dieses Ansatzes zu sein.
Ich gebe gerne zu, ich habe nicht den geringsten Plan, wie und in welche Richtung sich das alles irgendwann einmal ändern wird, und ich erwarte auch nicht, das noch zu erleben. Aber es muss sich etwas ändern, davon bin ich überzeugt, und jede Veränderung wird bei Einzelpersonen mit ganz kleinen Schritten beginnen. Ja, das kommt mir menschlich, vernünftig und vor allem moralisch vor!