Was wäre der Verlust?

Vaterlich

Well-Known Member
Chef des türkischen Industrie- und Unternehmensverbandes TUSIAD: "Die Türkei wurde zu einem mittelöstlichen Land." In noch klarer Deutsch übersetzt: Die Türkei ist nun so ein Scheissland wie noch nie zuvor.

So ein unnötiges Land! Was wäre der Verlust wenn die Türkei aus der Erdkarte gelöscht wäre?
 

Bintje

Well-Known Member
So ein unnötiges Land! Was wäre der Verlust wenn die Türkei aus der Erdkarte gelöscht wäre?

Die Menschen. Die Landschaft, die Kultur, die Sprache, die Musik. Wörter wie Yakamoz, Çaydanlık, Hüzün, für die es im Deutschen entweder viele oder kein Wort gibt. Die Schönheit und Schäbigkeit von İstanbul. Gedichte von Nâzım Hikmet. Zum Beispiel.
 

Zerd

Well-Known Member
Alle Nationalstaaten sind im Grunde völlig überflüssig, viel zu groß, viel zu mächtig und darum auch nur da, um die Interessen der Mächtigen und Reichen zu schützen und dafür auch mal völlig unnötige Kriege zu führen.

Was spräche denn dagegen, die ganze Welt in selbstverwaltete Kommunalbezirke aufzuteilen, deren Grenzen dann auch für die Menschen durchlässig wären. Jeder EInzelne würde sehr viel mehr zählen und auf der anderen Seite wäre die Macht und der Reichtum von Einzelnen auf natürliche Weise beschränkt.

Aufgrund der Freizügigkeit und den kleinen Verwaltungsbezirken wäre jede Kommune gewissermaßen gezwungen, im Sinne der Bevölkerung verwaltet zu werden. Sollte eine dieser Gemeinden in Größenwahn verfallen und seine Nachbarn erobern wollen, wären Bündnisse gegen diesen Unruhestifter viel einfacher zu schließen, um ihn wieder in seine Schranken zu weisen usw.

Im Grunde hätte es für die überwiegende Mehrheit der menschen nur Vorteile. Nur die Tempel, Paläste und Armeen würden sehr viel kleiner ausfallen. Ich für meinen Teil könnte damit sehr gut leben.
 

sommersonne

Well-Known Member
Die Welt wäre ärmer ohne die Türkei. Ohne die Ausgrabungen in der Türkei würden wir unsere Vergangenheit viel weniger kennen und verstehen.
Die Tierwelt, Flora und Fauna, die Menschen (auch wenn die Hälfte der Menschen gerade falsch liegt) sind einfach nur herrlich und überhaupt nicht wegzudenken.
 

beren

Well-Known Member
:rolleyes: Ich dachte erst, es geht hier ums Übersetzen. :D

Smalltalk, na ja.



https://www.zeit.de/politik/ausland/2017-09/bildung-tuerkei-recep-tayyip-erdogan-islam/seite-3
Bildung in der Türkei: "Absolut mittelöstlich und antiwestlich" | ZEIT ...

Mittelöstlich klingt erst mal nicht negativ.

Ich hätte also den Satz erst mal nicht so negativ verstanden.

Jetzt hab ich den obigen Artikel gelesen, wo auch dieses Wort vorkommt, und hab mal bei Wiki "Mittlerer Osten" nachgeschlagen.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Mittlerer_Osten

Ja, was soll ich ich sagen.

...................


Mir fällt dazu ein Gedicht ein:


ORDA BİR KÖY VAR UZAKTA

Orda bir köy var, uzakta,
O köy bizim köyümüzdür.
Gezmesek de, tozmasak da
O köy bizim köyümüzdür.

Orda bir ev var, uzakta,
O ev bizim evimizdir.
Yatmasak da, kalkmasak da
O ev bizim evimizdir.

Orda bir ses var, uzakta,
O ses bizim sesimizdir.
Duymasak da, tınmasak da
O ses bizim sesimizdir.

Orda bir dağ var, uzakta,
O dağ bizim dağımızdır.
İnmesek de, çıkmasak da
O dağ bizim dağımızdır.

Orda bir yol var, uzakta,
O yol bizim yolumuzdur.
Dönmesek de, varmasak da
O yol bizim yolumuzdur.

Ahmet Kutsi TECER

FAZIT:

Das Gedicht sagt eigentlich schon alles.

Genauso wie ich mich in Berlin Kreuzberg fühle, und zwar in dem Kiez wo ich aufgewachsen bin und das meine "Heimat" ist, genauso ist die Türkei, meine Heimatstadt und die Dörfer meiner Eltern meine Heimat!

Heimatlos sein ist vergleichbar mit einem Kind, der seine leiblichen Eltern nicht kennt.





 

Zerd

Well-Known Member
Heimatlos sein ist vergleichbar mit einem Kind, der seine leiblichen Eltern nicht kennt.

Oder aber auch umgekehrt: es wäre doch schließlich vorstellbar, dass manche Menschen während ihrer Sozialisation in Kindheit und Jugend ein solches Selbstverständnis und vielleicht Selbstvertrauen entwickeln konnten, dass sie ihr Leben lang nicht mehr auf solche identitätsstiftende Konstrukte wie Heimat, Religion, ethnische, nationale oder politische Zugehörigkeit angewiesen sind; dass sie quasi ihrer ursprünglichen Abhängigkeitsstruktur entwachsen sind, ihrer Kindheit und Konditionierung, im wahrsten Sinne des Wortes erwachsen geworden sind und sich darum ganz selbstverständlich als einen Teil der weltweiten Menschengemeinschaft und ein einzigartiges Produkt der gesamten Weltgeschichte begreifen können...

Das wäre allerdings nur möglich, wenn man besonders gute und umfassende Kenntnis nicht nur seiner Eltern, sondern der ganzen übrigen Sippschaft bis hin zur Menschheit haben bzw. anstreben würde.
 

beren

Well-Known Member
Oder aber auch umgekehrt: es wäre doch schließlich vorstellbar, dass manche Menschen während ihrer Sozialisation in Kindheit und Jugend ein solches Selbstverständnis und vielleicht Selbstvertrauen entwickeln konnten, dass sie ihr Leben lang nicht mehr auf solche identitätsstiftende Konstrukte wie Heimat, Religion, ethnische, nationale oder politische Zugehörigkeit angewiesen sind; dass sie quasi ihrer ursprünglichen Abhängigkeitsstruktur entwachsen sind, ihrer Kindheit und Konditionierung, im wahrsten Sinne des Wortes erwachsen geworden sind und sich darum ganz selbstverständlich als einen Teil der weltweiten Menschengemeinschaft und ein einzigartiges Produkt der gesamten Weltgeschichte begreifen können...

Das wäre allerdings nur möglich, wenn man besonders gute und umfassende Kenntnis nicht nur seiner Eltern, sondern der ganzen übrigen Sippschaft bis hin zur Menschheit haben bzw. anstreben würde.


So weit muss man nicht gehen, auch wenn ich gerne mehr über meine Familie wissen wollen würde. Meine letzten Recherchen ergaben nur widersprüchliches. Aber ich vertraue da auch eher auf die Aussagen meines Opas und meines Vaters. Deutsche Freundinnen/ Kommilitonen erzählten von Aufzeichnungen bzgl. ihrer Familienstämme in irgrndwelchen Büchern, die man in Kirchen führte. So was gab's in der Türkei oder im Osmanischen Reich nicht, was ich damals sehr schade fand, zumindest weiß ich von keinen vergleichbaren Aufzeichnungen. Ich hab für eine kurze Zeit extra ein Facebookkonto auf den Namen meines Vaters geführt, nur um mehr über die Verwandtschaft zu erfahren, d.h um zu sehen, wer, wo und wie mit uns Verwandt ist. Wir hatten sogar eine Gruppe, wo wir unser Wissen über unsere Familie zusammengetragen haben.

Das mit umgekehrt habe ich leider nicht verstanden. Aber um nochmal auf meinen Vergleich zurückzukommen, es ist im Grunde egal, wie selbstbewusst du bist, und ob du deine Eltern mögen wirst oder nicht. Wichtig ist, dass du weißt, wer du bist, und dazu gehört die Kenntnis über deine Eltern. Ich komme auf diesen Vergleich, weil im türkischen Fernsehen ständig nach Eltern oder Kindern gesucht wird. Viele dieser Kinder sind mittlerweile selber Oma oder Opa, aber sie betonen eben, dass ihnen trotz ihres Glücks und ihrer Familie ihnen ihr Leben lang was gefehlt hat. Jemand der seine Eltern kennt, der wird diese Suche auch nicht wirklich verstehen können. Genauso sehe ich es mit der Heimat. Man kann eine neue Heimat haben und sich da auch wohlfühlen, aber die Heimat der Vorfahren ist und bleibt ein Teil, der einen erst vollkommen macht, auch wenn das nur 0,01 Prozent sein sollte. Vielleicht ist das einem wichtig, je älter man wird oder wenn man selber eine Familie hat und die Kinder ihre Fragen stellen.

Letztens war ich überrascht, als meine Nichte auf eine Frage zum Opa den Namen des Vaters meiner Schwägerin nannte und nicht den des Stiefvaters. Dabei verstarb der Vater meiner Schwägerin bei einer OP noch vor der Heirat ihrer Eltern und ihrer eigenen Geburt. Für mich ist deshalb ihr Stiefvater ihr Vater.
 

beren

Well-Known Member
Oder aber auch umgekehrt: es wäre doch schließlich vorstellbar, dass manche Menschen während ihrer Sozialisation in Kindheit und Jugend ein solches Selbstverständnis und vielleicht Selbstvertrauen entwickeln konnten, dass sie ihr Leben lang nicht mehr auf solche identitätsstiftende Konstrukte wie Heimat, Religion, ethnische, nationale oder politische Zugehörigkeit angewiesen sind; dass sie quasi ihrer ursprünglichen Abhängigkeitsstruktur entwachsen sind, ihrer Kindheit und Konditionierung, im wahrsten Sinne des Wortes erwachsen geworden sind und sich darum ganz selbstverständlich als einen Teil der weltweiten Menschengemeinschaft und ein einzigartiges Produkt der gesamten Weltgeschichte begreifen können...

Das wäre allerdings nur möglich, wenn man besonders gute und umfassende Kenntnis nicht nur seiner Eltern, sondern der ganzen übrigen Sippschaft bis hin zur Menschheit haben bzw. anstreben würde.


Das mit der Menschengemeinschafft erinnert mich irgendwie an die Borgs bei Raumschiff Enterprise. Teil eines großen Ganzen sein ist meines Erachtens nach nichts für den Menschen. Die Familie im engeren Sinne ist wichtig, die religiöse, politische und wirtschaftliche Zugehörigkeit kann weg.
 

eruvaer

Well-Known Member
Das mit der Menschengemeinschafft erinnert mich irgendwie an die Borgs bei Raumschiff Enterprise. Teil eines großen Ganzen sein ist meines Erachtens nach nichts für den Menschen. Die Familie im engeren Sinne ist wichtig, die religiöse, politische und wirtschaftliche Zugehörigkeit kann weg.
Bei den Borg gibt es keine Individuen.
In einer Gemeinschaft durchaus.

Ich finde nicht, dass wer man ist dadurch definiert ist wer die Eltern sind. Schon gar nicht wenn man das rein auf die genetischen Eltern bezieht.
Für viele führt diese Ansicht zum fatalen glauben man könne den Schicksal nicht entgegen und würde unweigerlich zum Alkoholiker/Tyrann/... wie der eine Elternteil gleichen Geschlechts.

Wichtigen Einfluss hat jede Peergroup.
Beim fehlen der "echten" Familie findet dafür jedoch jeder Ersatz.
Die Du nach der unbekannten Familie ist etwas sentimentales, dem meiner Meinung nach zu viel Bedeutung beigemessen wird.
Wenn es nur darum geht mehr Familie zu haben - völlig okay. Oder wer einem die Glatze mit 25 vererbt hat... Aber die Suche nach der eigenen Identität wird man mit dem Fund der Familie nicht beantworten. Da muss man sich schon selbst finden.
 
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