Wie Volksparteien sich selbst demontieren - mit und ohne Rezo

Msane

Well-Known Member
Das ist ein simples Totschlagargument ohne Begründung: Vor allem deshalb, weil die Parteien, die die Wahlrechtsreform jetzt beschlossen haben und in Augen enttäuschter Regierungsverächter nur noch als

durchgehen (Pfui!), nach derzeitigem Stand die meisten Ausgleichs- und Überhangmandate einbüßen würden und bei der nächsten Wahl mit Sicherheit verlieren. Könnte man auch mal in Betracht ziehen. Wenn es tatsächliche um parlamentarische Repräsentanz der "Kleineren" ginge statt ums stellvertretende Bibbern um Pfründe einzelner Lokalfürsten, könnte man zum Beispiel auch erwägen, die Sperrklausel auf 3,5 oder 4 % abzusenken.

Wäge am besten einfach mal ab, die Bezüge von ein paar People mehr im Bundestag gegenüber der Tatsache kleine
Oppositionsparteien den Einzug in den Bundestag durch das neue Wahlrecht zu verwehren.
In einer pluralistischen Gesellschaft wie der unseren, ist ein Minderheitenschutz vorgesehen bzw. ein Schutz der Opposition
um nicht von einer Mehrheit erdrückt zu werden, das gehört zu unseren demokratischen Prinzipien.

Und jetzt ein Blick in die Zukunft.
In Deutschland wird es nicht besser, immer größer werdende soziale Spannungen zeichnen sich jetzt schon
am Horizont ab.
In solchen Zeiten wählen die Bürger bevorzugt per Zweitstimme die etablierten Parteien und immer häufiger
per Erststimme den lokalen Politiker ihrer Wahl, der ist ihnen gut bekannt, den kennt man, den wählt man.
Es ist zu erwarten, dass zukünftig die ein oder andere kleine Oppositionspartei über den Weg Einzug in
den Bundestag erlangt.
Das möchten die etablierten Parteien natürlich verhindern.
Mit dem neuen vorgeschlagenen Wahlrecht, entledigt man sich schon vorab lästiger Konkurrenz.
Das neue Wahlrecht ist eine Regelung von Regierungsparteien, für Regierungsparteien.


.
 

EnRetard

Well-Known Member
Das sehe ich ganz genauso. Die Hampelparteien (und auf dem Grunde ihrer schwarzen Seele auch die CDU) wollen keine regionalen Abweichungen. Die Verlagerung zur Zweitstimme gibt Parteiführungen zumindest auf Landesebene unbeschränkte Macht, über die Reihenfolge auf der Landesliste die Zusammensetzung des Parlaments zu bestimmen und unbequeme Meinungen auszusperren.
 
Zuletzt bearbeitet:

sommersonne

Well-Known Member
Das sehe ich ganz genauso. Die Hampelparteien (und auf dem Grunde ihrer schwarzen Seele auch die CDU) wollen keine regionalen Abweichungen. Die Verlagerung zur Zweitstimme gibt Parteiführungen zumindest auf Landesebene unbeschränkte Macht, über die Reihenfolge auf der Landesliste die Zusammensetzung des Parlaments zu bestimmen und unbequeme Meinungen auszusperren.
Das gibt es doch jetzt schon und wird durch eine Verkleinerung nicht anders.
 

EnRetard

Well-Known Member
Das gibt es doch jetzt schon und wird durch eine Verkleinerung nicht anders.
Nein, nicht in dem Maß.
Bei der Aufstellung von Wahlkreiskandidat*innen kommt es immer wieder dazu, dass Leute das Rennen machen, die die Parteiführung nicht haben wollte. Oder glaubt irgendjemand, dass Ströbele selig oder seine Nachfolgerin Canan Bayram in Kreuzberg mit dem Segen der Parteiführung in den Bundestag gelangt wären?
 

Bintje

Well-Known Member
2. Der persönliche Angriff war das Reich von Kim Jong Un.
3. Diskussion gern, aber es kann keine werden, wenn es einen Denkbefehl gibt: Der Bundestag ist zu groß.
zu 2.: Lies bitte nochmal durch, worum es ging: Die Größe von Parlamenten. Daher verwies ich beispielhaft auf China und Nordkorea.
Warum du Argumente zu einem "persönlichen Angriff" umdeutest, entzieht sich meiner Kenntnis, lag vielleicht an meinem ironischen Ton, nur sorgt deine giftige Unterstellung dafür, dass mir die Lust zur Diskussion vergeht (was vermutlich beabsichtigt war). Aber keine Sorge, so viel Zeit habe ich eh nicht.

zu 3.: Nun, dein "Denkbefehl" lautet: Der Bundestag ist zu klein, viel zu klein, und am liebsten wäre es dir wahrscheinlich, wenn alle darin säßen und ihre eigene Meinung unabhängig voneinander vertreten würden. Okay. Das mag auf einer kleinen Insel funktionieren und womöglich noch nicht einmal da.
Ich finde, dass eine Mehr-Parteien-Demokratie ihren Sinn hat, zumal meine Erfahrungen mit basisdemokratischen Strukturen mir sagen, dass Freiheit ganz toll ist, bis es darum geht, auf Grundlage möglichst konsensualer Beschlüsse irgendeine Art brauchbarer Handlungsmöglichkeit zu gewinnen.
 

Bintje

Well-Known Member
Wäge am besten einfach mal ab, die Bezüge von ein paar People mehr im Bundestag gegenüber der Tatsache kleine
Oppositionsparteien den Einzug in den Bundestag durch das neue Wahlrecht zu verwehren.
In einer pluralistischen Gesellschaft wie der unseren, ist ein Minderheitenschutz vorgesehen bzw. ein Schutz der Opposition
um nicht von einer Mehrheit erdrückt zu werden, das gehört zu unseren demokratischen Prinzipien.

Und jetzt ein Blick in die Zukunft.
In Deutschland wird es nicht besser, immer größer werdende soziale Spannungen zeichnen sich jetzt schon
am Horizont ab.
In solchen Zeiten wählen die Bürger bevorzugt per Zweitstimme die etablierten Parteien und immer häufiger
per Erststimme den lokalen Politiker ihrer Wahl, der ist ihnen gut bekannt, den kennt man, den wählt man.
Es ist zu erwarten, dass zukünftig die ein oder andere kleine Oppositionspartei über den Weg Einzug in
den Bundestag erlangt.
Das möchten die etablierten Parteien natürlich verhindern.
Mit dem neuen vorgeschlagenen Wahlrecht, entledigt man sich schon vorab lästiger Konkurrenz.
Das neue Wahlrecht ist eine Regelung von Regierungsparteien, für Regierungsparteien.


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Danke für deine Antwort. Was sagst du zu meinem Vorschlag einer Absenkung der Sperrklausel? Das könnte der BT sogar mit einfacher Mehrheit beschließen, wenn ich richtig informiert bin, und möglicherweise würde das deine Bedenken heilen?
Der Minderheitenschutz betrifft natürlich auch den SSW, der in dieser Legislaturperiode erst- und nach dem neuen Wahlrecht vermutlich auch letztmals im Bundestag vertreten ist und für den ich echte Sympathien hege, den ich aber im südlichen Landesteil regelmäßig nicht und bei Landtagswahlen nur mit Zweitstimme wählen kann. Soll ich mich als Wählerin deshalb diskriminiert fühlen? Ernsthaft? Oder bestünde die Möglichkeit, mir evtl. auch eine andere Partei zu suchen, die meinen Wählerwillen überwiegend abbildet? Ich denke schon und halte das für Kompromissfähigkeit.

Ansonsten bitte ich dich, dir mal dieses Interview durchzulesen. Der Mann ist Ö- und Verfassungsrechtler, lehrt an der HU Berlin und hat die Ampel bei der Reform beraten. Das mag ihn in deinen Augen diskreditieren, aber ich finde es immer sinnig, sich auch mit entgegengesetzten Meinungen auseinander zu setzen - deshalb. Und was er sagt, klingt für mich durchaus vernünftig, plausibel und nachvollziehbar.

https://www.spiegel.de/politik/deut...geuebt-a-dcae8d4d-e4ea-496b-9e3c-d31d9d733a00

Abgesehen davon bin ich auch gespannt, was bei der Verfassungsklage herauskommt.
 

Msane

Well-Known Member
Danke für deine Antwort. Was sagst du zu meinem Vorschlag einer Absenkung der Sperrklausel? Das könnte der BT sogar mit einfacher Mehrheit beschließen, wenn ich richtig informiert bin, und möglicherweise würde das deine Bedenken heilen?
Der Minderheitenschutz betrifft natürlich auch den SSW, der in dieser Legislaturperiode erst- und nach dem neuen Wahlrecht vermutlich auch letztmals im Bundestag vertreten ist und für den ich echte Sympathien hege, den ich aber im südlichen Landesteil regelmäßig nicht und bei Landtagswahlen nur mit Zweitstimme wählen kann. Soll ich mich als Wählerin deshalb diskriminiert fühlen? Ernsthaft? Oder bestünde die Möglichkeit, mir evtl. auch eine andere Partei zu suchen, die meinen Wählerwillen überwiegend abbildet? Ich denke schon und halte das für Kompromissfähigkeit.

Ansonsten bitte ich dich, dir mal dieses Interview durchzulesen. Der Mann ist Ö- und Verfassungsrechtler, lehrt an der HU Berlin und hat die Ampel bei der Reform beraten. Das mag ihn in deinen Augen diskreditieren, aber ich finde es immer sinnig, sich auch mit entgegengesetzten Meinungen auseinander zu setzen - deshalb. Und was er sagt, klingt für mich durchaus vernünftig, plausibel und nachvollziehbar.

https://www.spiegel.de/politik/deut...geuebt-a-dcae8d4d-e4ea-496b-9e3c-d31d9d733a00

Abgesehen davon bin ich auch gespannt, was bei der Verfassungsklage herauskommt.

Herr Möllers kann gerne dieser Ansicht sein, er hat für seine Position durchaus Argumente, allerdings teile ich diese nicht.

Hätten wir im Bundestag ein Potpourri von Kleinstparteien die den Ablauf stören, die Partei der Yogaflieger oder irgendwelche
Satireparteien, ja dann müsste man handeln um die weitere Parlamentsarbeit sicherzustellen.
Jedoch ist das nicht der Fall.
Aktuell wäre nur eine Partei davon betroffen, so kommt diese Reform einem Ausschluß der Opposition gleich.

Weiterer Nachteil der Reform ist, dass über die Aufwertung der Zweitstimmen die Parteilisten noch stärker ins Zentrum rücken.
Abweichende Meinungen und selbstständiges Denken werden dadurch nicht gefördert, Gehorsam gegenüber
der Parteispitze schon.
Alles Vorgänge die dem demokratischen Prozess nicht dienlich sind.

Dein Vorschlag die 5%-Hürde abzusenken unterstütze ich, allerdings ist es unwahrscheinlich das es passiert,
da dies dieselben Leute zur Umsetzung bringen müssten, die die aktuelle Wahlreform durchgesetzt haben.


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Alubehütet

Well-Known Member
Weiterer Nachteil der Reform ist, dass über die Aufwertung der Zweitstimmen die Parteilisten noch stärker ins Zentrum rücken.
Und das ist, was mir am meisten mißfällt. Das geht genau in die falsche Richtung. Volkskirchen, Volksgewerkschaften, Volkparteien, Auslaufmodelle. Man bindet sich nicht mehr längerfristig, man engagiert sich kurzfristig für überschaubare Ziele, Flüchtlingshilfe, FFF, und man bindet sich schon gar nicht mehr über das Milieu, katholisch=Union, Arbeiter=SPD. Aber unser Staat wird konstituiert durch Parteien, die es nicht mehr gibt, die nur noch Karierrevereinigungen sind.
 

Bintje

Well-Known Member
Habt ihr zufällig mitbekommen, was Palmer nun wieder veranstaltet hat? Erst las ich, er wolle eine Auszeit einlegen und sich um professionelle Hilfe bemühen; kurz danach hieß es, er sei bei den Grünen ausgetreten. Klärt mich mal jemand auf, was nun schon wieder los war?
Ich hab auf dem Heimweg nur die Überschriften überflogen und bisher noch nicht mehr mitbekommen.


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