Wir erzählen eine Geschichte.......

Ferdinand

New Member
Kopfschmerzen? Hatte sie richtig gehört? Das war doch unmöglich, konnte gar nicht sein.

Dr. Ulrike zündete sich zitternd eine Zigarette an. Zu allem Überfluss kam da auch noch Dr. Ötztürk daher. Er schlenderte mehr als er ging und hatte dieses freche Grinsen im Gesicht, an dem er mehrere Monate vor dem Spiegel geübt hatte. Bis es saß musste er sich seltsame Kommentare anhören. Geht es ihnen nicht gut oder haben sie Schmerzen waren noch die harmlosesten Äußerungen unsensibler Zeitgenossen. Mit diesem Grinsen, was er selbst als charmantes Lächeln bezeichnete, trat er nun also auf Ulrike zu.

„Glauben sie, dass die Toten zurückkehren?“

Ulrike sah ihn erschrocken an. Er konnte nichts wissen, woher auch. „Ich verstehe nicht so recht“, gab sie zur Antwort. Dr. Ötztürk, den alle nur Ötzi nannten, lachte rau auf. „Na kommen sie, geben sie es zu. Als ihr Lieblingspatient, dieser Atilla von seiner Syrienreise zurückgekommen ist, habe ich ihren Gesichtsausdruck gesehen. So hat meine Oma geguckt, als sie aus der Geisterbahn kam. Es ist doch kein Zufall, dass der Kerl zwei Tage später ins Koma fiel. Wie haben sie es gemacht, Frau Kollegin? Ich habe keine Einstichstelle gefunden.“

„Das müssen sie mir erst einmal nachweisen.“

„Halten sie mich nicht für dümmer als ich bin. Ich kann eins und eins zusammenzählen. Als ich die Annonce bei Ebay gesehen habe, wusste ich Bescheid. Einen ganzen Sack frischer Organe anzubieten, ist schon eine originelle Ausdrucksweise. Ich habe sofort gewusst, dass sie dahinter stecken.“

Sie wusste, dass sie ihn nicht länger belügen konnte. Mit Tränen in den Augen gab sie es zu. „Ich war so verzweifelt, wusste keinen anderen Ausweg.“

Ötzi nickte. „Jeder, der mit dem Kerl zu tun hat, entwickelt über kurz oder lang übelste Mordphantasien. Damit sind sie nicht alleine. Das einzige, was ich ihnen vorwerfe, ist ihr unökonomisches Verhalten. Sie lassen sich zu sehr von den Emotionen lenken. Etwas mehr Rationalität wäre gut. Sie wissen ja, dass ich, bevor mich der Weg hierher führte, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin war. Bis heute habe ich gute Kontakte. Vor allem auch ins Ausland und hier besonders zur arabischen Welt. Sie glauben gar nicht, was da an Summen geboten werden, um an Organe zu kommen. Kürzlich erst war ein Scheich bereit eine Million Dollar für ein Herz auszugeben. Unser Kopfschmerzpatient ist leicht und locker 25 Millionen wert, wenn wir es geschickt anstellen.“

„25 Millionen?“

„Es geht ja weit über die klassischen Organe hinaus. Mittlerweile ist fast alles transplantierbar. Sogar das Gesicht.“

„Und auch DAS Organ?“

„Kollegin, Kollegin. Wenn wir beide das gleiche unter dem Begriff DAS Organ verstehen, dann ja, es ist ebenfalls transplantierbar.“

Dr. Ulrike senkte beschämt den Blick.

Dr. Ötztürk fuhr fort:“Die Medizin hat ungeheure Fortschritte gemacht.“

„Aber eines wurde noch nie verpflanzt. Das Gehirn.“Ulrike gelang es nicht ihren triumphierenden Unterton abzuschalten.

Dr. Ötztürk lächelte:“Sie irren. Es wurde versucht und es ist gelungen. Schon vor langer Zeit.“

„Davon habe ich noch nie etwas gehört. Wann war das?“

„Sie haben davon gehört aber sie halten es wie alle anderen für eine Horrorgeschichte.“

„So?“

„1810 war es und der größte Transplantationsmediziner aller Zeiten schaffte das schier undenkbare. Der von mir sehr verehrte Doktor Frankenstein machte bahnbrechende Operationen und ja, er verpflanzte erstmals auch ein Gehirn. Sein Patient überlebte. Wäre nur nicht diese intolerante Gesellschaft gewesen und diese Neid-zerfressenen Kollegen aus der Ärzteschaft. Und dann diese unsägliche Tussie aus England. Mary Shelley. Sie zog die Leistungen des größten Pioniers der Medizingeschichte in den Dreck.“

„Sie würden es wagen, auch ein Gehirn zu verpflanzen?“

„Natürlich. Allerdings muss der Empfänger sehr sorgfältig ausgewählt werden. Wer dieses Gehirn bekommt, erhält auch die Wahnvorstellungen und die Kopfschmerzen. Es muss also ein Patient sein, den ich sehr hasse“.

Nun gellte das Wehklagen über die Kopfschmerzen erneut durch die Klinik.

„Das ist ja nicht zum aushalten. Kommen sie Schwester, ich habe da eine Lösung.“

Beide eilten in das Zimmer des Kopfschmerzpatienten. Dieser lag mit weit aufgerissenen Augen im Bett, hatte Schaum vor dem Mund und sich offensichtlich eingenässt. Dr. Ötztürk trat an das Bett und lächelte den Patienten an.

„Eine gute Nachricht, wir haben endlich herausgefunden, was ihre Kopfschmerzen verursacht. Es ist, nun ja, ihr Geschlechtsorgan. Wir werden es entfernen und die Kopfschmerzen sind weg. Was sagen sie dazu, ist das nicht eine schöne Neuigkeit?“

„Wie bitte, entfernen? Meinen....?“

„Genau. Keine große Sache. Hähähäh, im wahrsten Sinne des Wortes.“

„Ich denke nicht, dass es nötig ist. Ich habe gar keine Kopfschmerzen mehr. Ich bin gesund und möchte nach Hause.“

„Sie sind hier zuhause. Schon vergessen? Und nun bekommen sie eine schöne Spritze und schlafen erst einmal. Und wir kümmern uns um alles weitere. 25 Millionen wollen verdient sein.“

Der Patient fiel nach der Spritze wieder ins Koma. Nun musste alles koordiniert werden. Dr. Ulrike sah den Arzt dankbar an. „Geben sie mir fünf“ forderte Ötztürk sie auf und sie klatschten sich ab.

„Ich bin ihnen so unendlich dankbar, hauchte Ulrike ihm entgegen.“

Dr. Ötztürk nickte wissend. Es war sein Lächeln, es machte ihn unwiderstehlich.
 

alterali

Well-Known Member
Ötzi beim Abtritt, wendet sich: Schwester Ulrike, sorry Frau Doktor, richtig? Sie könnten schon mal eruieren wem wir seine Organe vermachen können.
:rolleyes:
 
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