zum Opferfest Osthoff

turkish talk

Well-Known Member
In Vertretung für Kenan möchte ich den ersten, von hoffentlich vielen, Newsletter, die nAn-coeur.de verschickt (und die ich persönlich immer für sehr gelungen halte) hier veröffentlichen. Gutes Gelingen, Kenan, viel Spass im Forum ... Turgay


Werte Interessierte an den Dingen hinter den Dingen,
verehrte Metaphysikerinnen,

alles Gute zum Opferfest und für 2006 tiefe Erkenntnis.
Vorgestern abend nämlich ahnte ich etwas, bekam es aber nicht zu fassen. Tatsächlich hat mich wieder einmal eine Fernsehsendung bewegt. Kein Ballsport, vielmehr Unterallerschichten TV.

Wir besuchten eine Freundin, kochten gemeinsam und unterhielten uns, als sie uns zu unserer Überraschung vor den Fernseher bat. Irritiert fühlte ich mich an die 80er Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts erinnert, in denen der VHS Videorecorder zum festen Familienmitglied mutierte und bei grossen Gesellschaften immer zumindest Cüneyt Arkin doublefeatures oder lange Fatma Girik Nächte im Hintergrund rauschten. Später ersparten einem die türkisch synchronisierten Bollywood Produktionen dann das Bandwechseln, weil diese bekanntlich zumindest mehrere Stunden dauern. Allerdings haben selbst die schrillen Gesangseinlagen der indischen Stars die Gespräche nie wirklich gestört.

Vorgestern abend aber konzentrierten wir uns völlig auf das Gezeigte: Reinhold Beckmann, der gefühlige Gesprächsführer der ARD, befragte Susanne Osthoff. Bis zu diesem Zeitpunkt haben mich die Einzelheiten ihrer Entführung und Geiselhaft nicht sonderlich interessiert. Auch der buchstäbliche Medienzirkus um ihr vermeintlich nicht nachvollziehbares Verhalten ging an mir vorbei. Nun allerdings raffte die Stimme des Volkes Beckmann das Geschehene populisitisch zusammen und filterte die zentralen Fragen, "die die Zuschauer interssieren":


1. Warum sind Sie nicht dankbar?
2. Warum sind Sie Exbundespräsidenten und Exkanzler für ihre Fürsprache nicht dankbar?
3. Warum sind Sie Ihrer Familie nicht dankbar?
4. Warum kümmern Sie sich nicht um Ihre Tochter?

Es ging also um enttäuschte Erwartungen - man hat gelitten und sich vermeintlich engagiert und Undank geerntet, man hat sich auf rührende Wiedersehensszenen zwischen Befreiter und Familie in aller Öffentlichkeit gefreut ("Nur die Freiheit zählt!") und auf endlich einmal eine deutsche Protagonistin einer dramatischen Rettungsaktion, nachdem sich zuvor hauptsächlich Amerikaner und sogar Italiener international profilieren durften.
Das so erwartungsfrohe Volk bekam erst einmal gar nichts, dann schwer nachvollziehbares aus arabischer Hand, schliesslich eine Verschleierte im ZDF.

Susanne Osthoff wirkte während der Sendung sehr angespannt und starrte, redete schnell und aggressiv und war trotz sichtbarer emotionaler Belastung nicht bereit, dem im Auftrag der gesamdeutschen Kränkung insistierenden Beckmann die gewünschten Antworten zu geben. Stattdessen blieb sie bei ihrer Position, ihr Ideal im arabischen Lebensstil gefunden zu haben, für das sie durchaus bereit sei, auf westlichen Komfort zu verzichten. Sie werde sich aber auch weiterhin die Freiheit nehmen, ihre Tochter im Internat zu belassen und sie selten zu sehen.
Das ist durchaus streitbar - warum aber Beckmann immer wieder fragte, wie ihr das als Mutter gelänge, zeigte eher, dass er dies einer Frau weniger zugesteht, als z.B. dem Prinzen von Wales, der sich bestimmt auch die Zeit nehmen könnte, seine Söhne selbst zu erziehen, anstelle diese auf Eliteschulen und Militärakademien zu schicken. (Was dabei herauskommt, kann man in der britischen "Sun" nachlesen - klingt nicht gut...)

Schliesslich drehte sich die Befragung um zwei zentrale Punkte:
zum einen der vermeintlich wenig weiblichen Härte des Gastes und
zum anderen der Bejahung einer alternativen spirituellen und sozialen Auffassung; hier dem Islam und dem Leben im Irak.

Susanne Osthoff war angeschlagen, aber immer noch hart genug für Beckmann. Sie liess sich in keine Ecke drängen, ergab sich nicht in Dank und Demut und bestand auf ihrer individuellen Position, ihr Glück anders und woanders zu suchen.

Can Yoldashlarim, die Frau war (gestern abend zwischen 23:00 und 24:00) nAn-coeur!
Mir fehlt die analytische Brillianz der SPIEGEL Redakteure, die Susanne Osthoffs Leben im Irak als Reaktion auf familiäre Zerrüttung und soziales Scheitern in Deutschland entschlüsseln. Auch fehlt mir der Durchblick und die Kenntnis, das ganze als Flucht vor Deutschland zu erkennen.
Dies mag alles sein.

Aber für mich bleibt offen, was nun passieren wird, wenn wir unser Glück in zum "deutschen" mainstream alternativen spirituellen und sozialen Modellen suchen - und das auch noch in Deutschland und nicht in 1001 Nacht. Müssen wir dann bei Beckmann büssen?

Ich weiss es nicht...

Kenan Kerner - die sensiblere Variante,
www.nAn-coeur.de
 

Xan

New Member
Zitat:
"...wenn wir unser Glück in zum "deutschen" mainstream alternativen spirituellen und sozialen Modellen suchen - und das auch noch in Deutschland und nicht in 1001 Nacht...."

Kannst ja gerne beim Mainstream bleiben. Dafür darfst du dann auch ohne Streß bei Beckmann erscheinen.
 
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