Zwei Friseurbesuche und ihre Folgen

peterw

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Zwei Friseurbesuche und ihre Folgen

Wer die gut frisierten M?nner in der T?rkei gesehen hat, wird sich wundern, da? ich auf die Zunft der t?rkischen Friseure, die doch so offenkundig den hohen Standard ihres handwerklichen K?nnens unter Beweis stellt, nicht gut zu sprechen bin, und ich sehe ein, da? ich, wenn ich diese Abneigung schon ?ffentlich mache, dem Leser eine Erkl?rung schuldig bin.

Erste Episode ? Martyrium am Mittelmeer

Fethiye ? die letzte Urlaubswoche ist bereits angebrochen und morgen fr?h wollen wir mit dem Linienbus nach Antalya, der letzten Etappe unseres diesj?hrigen Urlaubs. Die Koffer sind schon gepackt, zum Abendessen ist es noch zu fr?h. Ein Blick in den Spiegel belehrt mich, da? jetzt der richtige Moment f?r einen Besuch beim Friseur gekommen ist. Ein neuer Haarschnitt w?rde auch noch f?r die ersten zwei Wochen in Berlin vorhalten und ein sch?nes und kosteng?nstiges Souvenir darstellen.
Aus dem Kapitel ?Beim Friseur? unseres praktischen Sprachf?hrers lese ich dem Maestro im nahegelegenen Salon meinen Wunsch, die Haare nur wenig gek?rzt zu bekommen, vor. Er hat verstanden, wenn auch meine Aussprache des T?rkischen im Laden einige Heiterkeit verursacht, und macht sich froh ans Werk.
Das Ergebnis seiner Bem?hungen stellt mich ?beraus zufrieden und so trifft er mit seinem Angebot von Extra-Leistungen - Rasieren und Massage - bei mir nicht auf taube Ohren.
Das Rasieren ist ?u?erst angenehm und auch an der Massage w?re nichts zu tadeln, w?rde der Meister nicht als kr?nenden Abschluss derselben mit beiden H?nden zuerst die Finger meiner linken Hand ergreifen, die Hand anheben und mit unerwarteten Schwung nach unten schlagen. Bei der rechtsseitigen Wiederholung dieser Prozedur durchzuckt es meine Schulter wie ein elektrischer Schlag. Fertig, der Frisierumhang wird entfernt, nicht vorhandene Haare vom Sakko geb?rstet, In Unkenntnis des Kommenden verteile ich ein gro?z?giges Trinkgeld an die Akteure, bezahle und kehre frohgemut ins Hotel zur?ck.
Nachts wecken mich heftige Schmerzen in der Schulter und ich kann nicht mehr einschlafen, weil weder Seiten-, noch Bauch- oder R?ckenlage in allen m?glichen Untervarianten ein schmerzfreies Liegen erm?glichen. Und morgen ist Reisetag ? das kann ja was werden.
Am Morgen sind die Schmerzen unvermindert heftig, der Arm ist praktisch unbeweglich und ich muss ihn beim Fr?hst?ck mit der linken Hand auf den Tisch heben.
Mit dem Taxi zum Busbahnhof kommen wir am Friseursalon vorbei, der Meister steht in der Ladent?r, erkennt mich und winkt uns, wie mir scheint, h?hnisch hinterher.

Zweite Episode ? Folgen der Selbst?bersch?tzung

Ein halbes Jahr sp?ter. In der vergangenen Nacht sind wir in Istanbul gelandet. Schon in Berlin w?re ein neuer Haarschnitt ?berf?llig gewesen. Ich habe es nicht mehr geschafft und hier, wo jedermann so aussieht, als k?me er direkt vom Barbier, scheint mir ein gepflegtes Aussehen besonders wichtig. Ich er?ffne Rosi meine Absicht, am Abend den Friseursalon direkt neben unserem Hotel aufzusuchen.
Sie ist nicht begeistert. Ob ich die Sache in Fethiye schon vergessen h?tte, die drei N?chte, die ich, weil ich vor Schmerzen in der Schulter nicht liegen konnte, schlaflos im Sessel verbracht hatte. Ich verspreche, mir wirklich nur Haare und Schnurrbart ein wenig k?rzen zu lassen und keinerlei weitere Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.
Der Sprachf?hrer mit seinen praktischen Kapiteln f?r alle Lebenslagen hat ausgedient. Schlie?lich habe ich sehr intensiv an der Verbesserung meines T?rkisch gearbeitet. Beide Gegenwarten, beide Vergangenheiten, die Bildung der Zukunft und besonders die bei einem Friseurbesuch unerl?sslichen Befehlsformen sind mir gel?ufig. Zugegeben, ich habe der Grammatik mehr Aufmerksamkeit geschenkt als der Fortentwicklung meines Wortschatzes, aber f?r derartige Standardsituationen reicht er doch allemal. Im Salon erkl?re ich dem Chef, da? ich mein Haar und den Schnurrbart nur um ein weniges k?rzer zu tragen beabsichtige. Das ist mir besonders beim Schnurrbart ein Anliegen, denn ich habe irgendwo gelesen, dass diese Manneszierde in der T?rkei Aufschluss ?ber die Geisteshaltung und ?berzeugungen des Tr?gers gilt. Mein Schnurrbarttyp verleiht mir den schmeichelhaften Status eines linken Intellektuellen, und als der m?chte ich denn auch weiterhin gelten.
Der Chef, ein kompetent und gewissenhaft wirkender Mann, nimmt seine T?tigkeit auf. Ich wei? mich in guten H?nden. Nur f?nf Stunden Schlaf in den vergangenen 38 Stunden zeigen ihre Wirkung und ich verfalle in eine Art meditativer Teilnahmslosigkeit, die einem linken Intellektuellen, der die Last der Welt mittr?gt, auch gut zu Gesicht steht ? Rosi wird mir sp?ter unterstellen, ich h?tte gepennt. Der Maestro r?ttelt mich leicht. Er hat einige graue Haare entdeckt, h?lt mir eine braune Tube unter die Nase und bekundet seinen Wunsch, mir die Haare zu f?rben. Es gelingt mir, ihn von diesem Vorhaben abzubringen; er wirkt etwas entt?uscht. Au?er dem einen Blick auf die Tube habe ich einen zweiten in den Spiegel geworfen. B?se Ahnungen beschleichen mich: Das Schicksal hat mich zu einem t?rkischen Friseur gef?hrt, der seine eigene Muttersprache nicht versteht. Die Haare hat er erbarmungslos gek?rzt und erst der Schnurrbart !!: Aus dem Spiegel hat mich kein linker Intellektueller, sondern ein kompromissloser Charly-Chaplin-Fan angeschaut.
F?r den kurzen Weg zur?ck ins Hotelzimmer nehme ich mir viel Zeit. Rosi schreit bei meinem Eintritt entsetzt auf. Sie hat?s ja gleich gewusst: Dabei kommt nichts Gutes raus. Ein Hinweis auf meinen heldenhaften Widerstand gegen das Haare F?rben bringt mir auch keine Pluspunkte. Eine grausame Strafe wird ?ber mich verh?ngt: Kein einziges Foto wird sie in diesem Urlaub von mir machen. Ich bem?he mich, bek?mmert auszusehen, denke aber: Das mit der Schulter war schlimmer.
 
:lol: :lol:
Hi Peter, klasse Geschichte. ich habe mich k?stlich am?siert.
Ich war auch mal in Fethiye beim Friseur. Ich war eigentlich mit allem zufrieden. Das einzig St?rende war das halbe Kilo Haargel und Spray, das ?ber meine nassen Haare verteilt wurde. Danach regte sich kein einziges Haar mehr... Die Geschm?cker sind halt verschieden...

Gru? von Imke
 
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