Warum nur setzest Du Deinen Beitrag mit „Neee!“ an, denn im Grunde widersprechen Deine Aussagen dem Prinzip Gegenwart mE keineswegs. Es ist nun einmal so: alles, was Du erlebst, denkst, fühlst, tust oder sagst, findet in Deiner Gegenwart statt, sie ist quasi Dein einziger realer oder physikalischer Bezug zur Welt da draußen, zu Deinem eigenen Leben. Sie ist wie ein einziger steter Augenblick, der Dein ganzes bewusstes Leben lang andauert und der es letzten Endes damit auch ausmacht. Hätten wir etwa keine Erinnerung, keine Vernunftbegabung, keine Vorstellung von einem zeitlichen Ablauf oder kein Bild von der Welt, das auf einer solchen Vorstellung aufbaut, dann gäbe es für uns nichts außer diesem einen Augenblick, in dem alles geschieht, sie wäre unsere einzige und vollständige Realität.
Das bedeutet aber auch, dass alles, was über diesen Augenblick hinaus in unsere Gegenwart wirkt, einen anderen Charakter hat, eine andere Realität. Es ist ein gedanklicher oder bestenfalls seelischer Bezug, der mittelbar über unsere bewussten oder unbewussten Vorstellungen in diesen Augenblick hineinwirkt, kein direkter, unmittelbarer, realer im Sinne von physikalischer Bezug, wie ihn die Gegenwart selbst darstellt. So wirken auch Vergangenheit und Zukunft als sekundäre Hilfsbezüge in unseren Augenblick mit ein, deren einzige Bedeutung und Funktion es ist, dem eigentlichen Bezug, der Gegenwart, auf die eine oder andere Art und Weise nützlich und dienlich zu sein. Denn selbst, wenn wir im Moment gerade etwas auf (unsere Vorstellung von) Zukunft gerichtetes tun, tun wir es ja nicht als Selbstzweck, sondern in der Hoffnung, dass diese Vorstellung von Zukunft irgendwann einmal unsere gegenwärtige Realität darstellt.
Ich denke, beim Prinzip Gegenwart kommt es vor allem darauf an, sich über diese Hierarchie der Bezüge klar zu sein, dass Zukunft und Vergangenheit lediglich eine Ansammlung von Gedanken und Vorstellungen sind, die keinerlei Realität über unsere Gedanken- und Gefühlswelt hinaus haben und letzten Endes nur für den Augenblick, unsere Gegenwart da sind.
Ein ganz einfaches Beispiel in diesem Zusammenhang: sollte man eher leben, um zu arbeiten, oder nicht viel mehr arbeiten, um zu leben? Genauso könnte man fragen: soll ich mein Leben, meinen Augenblick, vollständig oder überwiegend einer Zukunft, die möglicherweise nie eintrifft, oder einer Vergangenheit, die schon längst vergangen ist, opfern, indem ich ihnen die Priorität über meinen gerade gelebten Augenblick zugestehe? Oder sollte ich mir nicht vielmehr bewusst darüber sein, dass es immer auf mein Leben, meinen Augenblick, ankommt, und dementsprechend ein angemessenes Maß bestimmen, in dem meine Vorstellungen von Vergangenheit und Zukunft in diesen Augenblick einwirken.
Es geht auch hier um inneres Gleichgewicht und Nachhaltigkeit, wie so oft im Buddhismus. Und es geht auch darum, dass die Gedanken frei sind und den Menschen nicht zwanghaft kontrollieren sollten. Letzten Endes bist Du selbst der Herr über Deine Vorstellungen und Du bestimmst ihr Schicksal. Nicht umsonst verbringen die buddhistischen Mönche so viel Zeit mit Meditation.