AW: Gül macht's
Es klingt ein wenig widersprüchlich, das gebe ich zu. Das Militär in der Türkei wacht sehr genau über die politische Entwicklung im Lande. Es gibt ein historisches Beispiel. Adnan Menders war in den 50ger Jahren als Ministerpräsident an die Macht gekommen. Er baute sehr viele Moscheen und argumentierte, dass mit jeder Moschee die errichtet wird, ein Schutzwall gegen den Kommunismus entsteht. Das Fatale an der Sache war, dass Atatürk gerade einmal 20 Jahre tot war und die Erinnerung an ihn noch sehr frisch. Atatürk hatte den Islam in das Privatleben der Menschen zurückgedrängt und eine strikte Trennung von Staat und Religion eingeführt, Laizismus genannt. Und ausgerechnet Menderes schien das Rad zurückdrehen zu wollen. Angesichts einer zusätzlichen massiven Verschuldungspolitik schritten die Generäle ein und putschten 1960. Menders wurde hingerichtet, eine deutliche Warnung an alle türkischen Politiker. Mit Erbakan kam in den 90ger Jahren ein weiterer Islamist an die Macht. Er teilte sich die Regierung mit Tansu Cuiller, mit dessen Partei er koalierte. Erbakan wollte ebenfalls islamische Akzente setzen. Das Militär zwang ihn zurückzutreten. Ein kalter Putsch, wenn man so will. Erdogan ist ein sehr fähiger und kluger Politiker, wohl der fähigste seit Atatürk. Obwohl seine Partei, die AKP, eine Mehrheit im Parlament hat, werden keine Gesetze erlassen die islamischen Inhalts sind. Die Wirtschaftspolitik ist sein großes Feld auf dem er außergewöhnlich erfolgreich agiert. Nun ist Erdogan aber Islamist, mit der festen Absicht die Religion zu alter Stärke zurückzuführen. Nur über den Umweg der EU kann er das Militär nach und nach zu einer handzahmen Armee machen. Die EU setzt die Maßstäbe in Sachen Minderheitenschutz usw. Das Kopftuchverbot soll über die EU ausgehebelt werden. Angeblich ist die Religionsfreiheit nicht gegeben, hier hilft die EU. So wie es aussieht, wird die Türkei über die nächsten Jahre von der AKP dominiert. Nun steht der Außenminister als nächster Präsident schon fest. Erdogan wird alle kommenden Wahlen gewinnen und nach der Amtszeit Güls der nächste Präsident sein. Das bedeutet, dass die Türkei die nächsten 10 Jahre sicher von den Islamisten regiert wird. Es sei denn, die Partei erlaubt sich grobe Schnitzer.