Filiz.
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In Anlehnung an einen ähnlichen Thread vor einiger Zeit wollte ich im Folgenden mal meine eigenen Gedanken dazu aufschreiben.
Abgesehen davon, dass der Eine oder Andere eventuell eine individuelle Definition von "Identität" für sich selbst gefunden hat, ist es doch alles in allem so, dass man darunter allgemein die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe versteht. Jedoch geht es hier ja in erster Linie nicht darum, welche Musik man hört oder welche Mode man bevorzugt, nein, man wird (gegen den eigenen Willen) mehr oder weniger mit einer Identität versehen, die sich durch die Nationalität und die entsprechende(n) Kultur, Werte und Normen ergibt.
Doch fühlt man sich wirklich zugehörig, nur weil man dieselbe Nationalität hat? Weil man dieselbe Kultur hat, oder sollte ich besser sagen haben sollte? Wie wir alle wissen, sind Kulturen bzw. kulturelle Sitten und Bräuche in der Regel teilweise umstritten und nicht von jedem (größtenteils) akzeptiert.
Als Türkin hier in Deutschland fühle ich mich irgendwie keiner der beiden Gruppen zugehörig - weder den Deutschen, noch den Türken.
Ich habe früher immer gesagt, dass ich doch eigentlich Deutsche sei, warum denn auch nicht, schließlich hätte ich doch die deutsche Staatsbürgerschaft. Mich hat nichts von meinen deutschen Freundinnen unterschieden, wir hatten dieselben Hobbys, sind denselben Freizeitaktivitäten nachgegangen, hatten denselben Freundeskreis. Doch irgendwie bin und war ich trotzdem immer anders. Und das nicht aus eigenem Empfinden, nein, mir wurde es ständig vor Augen gehalten, dass ich doch anders sei. Ich sei doch "die Türkin". Fragen wie "Du wirst aber nicht wie manche Türkinnen zwangsverheiratet oder" oder "Trägt deine Mutter eigentlich Kopftuch" standen an der Tagesordnung und sind nur einige wenige von vielen Beispielen. Teilweise benutzen Mitschüler, die mich ohnehin nicht mochten, "Türkin" als herabwürdigende Beleidigung, um mir zu zeigen, dass ich anders sei, dass ich nicht zu "ihnen" gehöre. Ich fühlte mich missverstanden und fragte mich immer wieder, was denn an mir anders sei, was mich denn von ihnen, beispielsweise meinen engsten Freundinnen, unterscheide. Wie erwähnt, gleiche Hobbys, gleiche Interessen, gleicher Tagesablauf, gleicher Humor. Was ist es denn dann?
Ich hatte nicht weniger Ahnung von türkischen Feiertagen als meine Freundinnen von deutschen Feiertagen. Auch davon, dass ich wir unterschiedlichen Religionen angehören, hat man auf den ersten Blick nichts gesehen. Besonders dunkelhäutig bin ich auch nicht, meine Haare sind hellbraun, meine Augen farbig. "Was ist es, was mich anders macht?", fragte ich mich ständig und ständig.
Schon früher nahmen mich Familienangehörige gelegentlich ungewollt zum "Dernek" mit. "Komm schon, das wird dir gut tun, besser als den ganzen Tag zu Hause zu verbringen, da sind viele nette Leute, auch in deinem Alter, nun komm schon", hieß es jedes Mal aufs Neue. Die Erinnerung an frühere Dernek-Treffen sind schon längst verschwunden, doch dafür sind mir die Erinnerungen an noch nicht allzu vergangene Veranstaltungen dort noch gut bekannt.
Also saß ich da, wusste nicht so wirklich mit dem ich reden sollte, mein Türkisch war ja ohnehin nicht mehr gerade das beste, ich würde mich doch eh nur blamieren. Einige Leute guckten mich etwas verwundert, wenn nicht seltsam an. Muss dazu sagen, dass ich aufgrund meines Aussehend schon desöfteren von Türken für eine Deutsche gehalten wurde. Ob es wohl damit zusammenhing? Ich versuchte erst einmal, dem Gespräch zwei sich unterhaltender Frauen in meiner Nähe zu folgen. Selbstverständlich sind mir einige Wörter noch durchaus geläuftig, sodass ich den einen oder anderen Bruchteil eines Gesprächen mitverfolgen konnte. Da wurde mal hier über ein Mädchen geredet, das sich nicht züchtig genug kleidet, weiter hinten redete jemand von der Tochter einer Bekannten, die ohne Verlobung eine Beziehung führen würde und betonte, dass man sich doch dafür als Mutter schämen sollte, wie könne man sowas denn auch nur zulassen. In einem Nebenraum versammelten sich die jüngeren Leute, so etwa meines Alters, da ich jedoch niemanden so wirklich kannte und einige Personen nur flüchtig vom Sehen kannte, konnte und wollte ich diesen Raum nicht betreten. Schließlich kam eine Tante und fragte mich, ob ich nicht lieber zu den jüngeren Leuten gehen wolle, schließlich hätte ich hier bei den "Erwachsenen" (ich war bereits 19) niemanden zum Reden und man würde mir meine Langeweile mehr als deutlich ansehen. So kam es, dass ich schließlich doch die Tür zu den jüngeren Leuten öffnete, ein leises "Hallo" aus mir herausquetschte und mich auf einen Sessel setzte. Mir war die Situation sichtlich unangenehm, und ich bin mir sicher, dass man mir dies angesehen hat. Wahrscheinlich dachte man sich "Oh Gott, was ist das denn für eine", ist die überhaupt Türkin? Die sieht doch gar nicht aus wie eine". Mich fragte noch eine, ich schätze Teenagerin, nach meinem Namen, doch danach folgten keine Unterhaltungen mehr. Nun hörte ich also, wie dort über andere Türkinnen gelästert wurde, die wie "Schlampen" mit Miniröcken durch die Gegend gelaufen seien. Ein Mädchen sagte: "Oh Gott, schämen sollten die sich, mein Vater hätte mich abgeknallt". Einige lachen. Ein junger Mann erzählt, dass seine deutsche "Schlampenfreundin" schon wieder Schluss gemacht hätte. "Naja, war ja eh nichts Ernstes", sagte er, "Als ob ich so eine Schlampe geheiratet hätte". Die meisten lachen. "Naja, für die meisten Europäerinnen ist es ja das normalste der Welt, ständig an einem anderen Kerl zu hängen. Voll die Minusweiber. Kopfschuss man", sagte eine etwa 18-Jährige.
Ich fühlte mich schon lange nicht mehr wohl in dem Raum. In einem wahrscheinlich katastrophalen Türkisch sagte ich noch schnell, dass ich mal kurz zu meiner Tante müsse, um ihr etwas zu sagen und verzog mich dann aus dem Raum. Schließlich setzte ich mich wieder an den Tisch, an dem ich schon zu Beginn saß. Die zwei Frauen, die in meiner Nähe saßen, waren nicht mehr da. Nachher sah ich, dass sie drüben in der Küche waren und Tee zubereiteten. Ich dachte über die Gespräche nach, die mir eben zu Ohren kamen. "Mein Vater würde mich abknallen", "Als ob ich so eine Schlampe (bezogen auf die deutsche Ex) geheiratet hätte" - NEIN, das ist definitiv nicht meine Welt. Wie kann man darüber lachen, dass einem der eigene Vater unter Umständen für ein freizügigeres Outfit Gewalt antun würde? Wie kann man eine Deutsche, nur weil sie Deutsche ist und mit anderen Werten aufgewachsen ist, als Schlampe bezeichnen? Nicht nur diese Fragen stelle ich mir, ebenso ging mir jegliches Gerede über die sogenannte "Ehre" schon immer auf die Nerven. Ehre? Was soll das sein? Eine Türkin, die sich ihr ganzes Leben vorschreiben lässt und nichts als ihre eigenen vier Wände kennt? Eine Türkin, die (gegen ihren Willen) nach den Regeln der Gesellschaft lebt? Wer bestimmt denn, was Ehre überhaupt ist? Wie jetzt, die Gesellschaft? Was macht diese Leute so besonders, dass sie meinen, das Recht zu haben, sich in das Leben anderer Familien bzw. Menschen einmischen zu dürfen? Was macht das Wort der Gesellschaft so wertvoll, warum sollte der Maßstab der Gesellschaft als allgemeingültig gelten? Mein Kopf platzte fast vor lauter Fragen. Aber bei einer Sache war ich mir ganz sicher: NEIN, das ist nicht meine Welt! NEIN! Mich interessiert weder, was irgendwelche anderen Menschen über mich sagen, etwas vorschreiben lasse ich mir schon mal gar nicht von anderen. Ich finde es auch alles andere als komisch, dass Eltern ihren Kindern unter Umständen Gewalt androhen, wenn die Kinder nicht den Wille der Gesellschaft befolgen wollen. Ich finde es ebenso falsch, dass sich die türkischen Mädchen in traditionelle Rollen drängen lassen, während die Jungs wie kleine Paschas ihr Leben nach eigenen Regeln führen dürfen. NEIN, dachte ich wiederholt. NEIN, das passt nicht zu mir. Sowas kann ich weder begrüßen, noch möchte ich es ehrlich gesagt tolerieren!
Nun stehe ich also da - zwischen zwei Kulturen. Zwischen zwei Gesellschaften. Während mich die eine zwar akzeptiert, doch mich immer noch als "die Türkin" sieht, verhält es sich mit der anderen Gesellschaft so, dass ich diese aus mehreren Gründen nicht so wirklich akzeptieren kann.
Doch woher kommt dieser Drang vieler Leute, unbedingt einer Gemeinschaft oder einer Kultur angehören zu wollen? Reicht es nicht, sich selbst treu zu sein, seine eigenen Regeln und Prinzipien zu haben? Fragen über Fragen, und die Antwort? Ich habe schon von vielen Türken gehört, wie sie andere Türken/Türkinnen, welche es mit bestimmten Normen nicht so genau nehmen, als "kulturlos" bezeichnet haben.
Doch woher kommt es, dass sich so viele Menschen auf eine Kultur beschränken? Wissen diese Menschen eigentlich über die Ursprünge ihrer Kultur Bescheid, über die Geschichte ihres Landes? In den seltensten Fällen hat ma doch das Gefühl, dass dem so sei. Vielmehr beschränkt sich das, was heutzutage von den meisten als "Kultur" bezeichnet wird, doch auf die heutigen Werte und Normen, welche man auch von anderen Menschen vorbildgemäß beachtet haben will.
Na wenn es das ist, dann verzichte ich gerne... Lieber informiere ich mich in meiner freien Zeit über geschichtliche Hintergründe und eigne mir somit Wissen über Kulturen, Sitten und Bräuche an, als mich von der Masse mitreißen zu lassen und nach Regeln zu leben, die die Gesellschaft teilweise selbst aufgestellt hat und dennoch als heilig betrachtet. Man bedenke bei dieser Gelegenheit, dass auch die kulturellen Regeln, welche heutzutage gelebt werden, nur noch bedingt etwas mit dem Islam zu tun haben. Wie kommt es sonst, dass sich der Mann heutzutage fast alles erlauben darf und die Gesellschaft dies toleriert? Wie kommt es, dass der junge Türke von seinen Eltern aus eine Freundin nach der anderen haben darf, während das Schwesterchen zu Hause sitzen und brav im Haushalt helfen muss? Nein, das hat gewiss nicht annähernd etwas mit dem Islam zu tun. Weshalb bestehen dann so viele Menschen auf diese gesellschaftsgemachtern kulturellen Regeln, die teilweise völlig inhaltsleer sind und nur dazu dienen, Familien gegeneinander aufzuhetzen?
Ich wollte nur meine Gedanken in Hinblick auf dieses Thema aufschreiben. Man darf dies selbstverständlich kommentieren, man darf es aber auch lassen. Auf Beleidigungen würde ich jedoch gerne verzichten wollen, da man an dem Erhalt eines angemessenen Klimas hier im Forum interessiert sein sollte.
Liebe Grüße
Abgesehen davon, dass der Eine oder Andere eventuell eine individuelle Definition von "Identität" für sich selbst gefunden hat, ist es doch alles in allem so, dass man darunter allgemein die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe versteht. Jedoch geht es hier ja in erster Linie nicht darum, welche Musik man hört oder welche Mode man bevorzugt, nein, man wird (gegen den eigenen Willen) mehr oder weniger mit einer Identität versehen, die sich durch die Nationalität und die entsprechende(n) Kultur, Werte und Normen ergibt.
Doch fühlt man sich wirklich zugehörig, nur weil man dieselbe Nationalität hat? Weil man dieselbe Kultur hat, oder sollte ich besser sagen haben sollte? Wie wir alle wissen, sind Kulturen bzw. kulturelle Sitten und Bräuche in der Regel teilweise umstritten und nicht von jedem (größtenteils) akzeptiert.
Als Türkin hier in Deutschland fühle ich mich irgendwie keiner der beiden Gruppen zugehörig - weder den Deutschen, noch den Türken.
Ich habe früher immer gesagt, dass ich doch eigentlich Deutsche sei, warum denn auch nicht, schließlich hätte ich doch die deutsche Staatsbürgerschaft. Mich hat nichts von meinen deutschen Freundinnen unterschieden, wir hatten dieselben Hobbys, sind denselben Freizeitaktivitäten nachgegangen, hatten denselben Freundeskreis. Doch irgendwie bin und war ich trotzdem immer anders. Und das nicht aus eigenem Empfinden, nein, mir wurde es ständig vor Augen gehalten, dass ich doch anders sei. Ich sei doch "die Türkin". Fragen wie "Du wirst aber nicht wie manche Türkinnen zwangsverheiratet oder" oder "Trägt deine Mutter eigentlich Kopftuch" standen an der Tagesordnung und sind nur einige wenige von vielen Beispielen. Teilweise benutzen Mitschüler, die mich ohnehin nicht mochten, "Türkin" als herabwürdigende Beleidigung, um mir zu zeigen, dass ich anders sei, dass ich nicht zu "ihnen" gehöre. Ich fühlte mich missverstanden und fragte mich immer wieder, was denn an mir anders sei, was mich denn von ihnen, beispielsweise meinen engsten Freundinnen, unterscheide. Wie erwähnt, gleiche Hobbys, gleiche Interessen, gleicher Tagesablauf, gleicher Humor. Was ist es denn dann?
Ich hatte nicht weniger Ahnung von türkischen Feiertagen als meine Freundinnen von deutschen Feiertagen. Auch davon, dass ich wir unterschiedlichen Religionen angehören, hat man auf den ersten Blick nichts gesehen. Besonders dunkelhäutig bin ich auch nicht, meine Haare sind hellbraun, meine Augen farbig. "Was ist es, was mich anders macht?", fragte ich mich ständig und ständig.
Schon früher nahmen mich Familienangehörige gelegentlich ungewollt zum "Dernek" mit. "Komm schon, das wird dir gut tun, besser als den ganzen Tag zu Hause zu verbringen, da sind viele nette Leute, auch in deinem Alter, nun komm schon", hieß es jedes Mal aufs Neue. Die Erinnerung an frühere Dernek-Treffen sind schon längst verschwunden, doch dafür sind mir die Erinnerungen an noch nicht allzu vergangene Veranstaltungen dort noch gut bekannt.
Also saß ich da, wusste nicht so wirklich mit dem ich reden sollte, mein Türkisch war ja ohnehin nicht mehr gerade das beste, ich würde mich doch eh nur blamieren. Einige Leute guckten mich etwas verwundert, wenn nicht seltsam an. Muss dazu sagen, dass ich aufgrund meines Aussehend schon desöfteren von Türken für eine Deutsche gehalten wurde. Ob es wohl damit zusammenhing? Ich versuchte erst einmal, dem Gespräch zwei sich unterhaltender Frauen in meiner Nähe zu folgen. Selbstverständlich sind mir einige Wörter noch durchaus geläuftig, sodass ich den einen oder anderen Bruchteil eines Gesprächen mitverfolgen konnte. Da wurde mal hier über ein Mädchen geredet, das sich nicht züchtig genug kleidet, weiter hinten redete jemand von der Tochter einer Bekannten, die ohne Verlobung eine Beziehung führen würde und betonte, dass man sich doch dafür als Mutter schämen sollte, wie könne man sowas denn auch nur zulassen. In einem Nebenraum versammelten sich die jüngeren Leute, so etwa meines Alters, da ich jedoch niemanden so wirklich kannte und einige Personen nur flüchtig vom Sehen kannte, konnte und wollte ich diesen Raum nicht betreten. Schließlich kam eine Tante und fragte mich, ob ich nicht lieber zu den jüngeren Leuten gehen wolle, schließlich hätte ich hier bei den "Erwachsenen" (ich war bereits 19) niemanden zum Reden und man würde mir meine Langeweile mehr als deutlich ansehen. So kam es, dass ich schließlich doch die Tür zu den jüngeren Leuten öffnete, ein leises "Hallo" aus mir herausquetschte und mich auf einen Sessel setzte. Mir war die Situation sichtlich unangenehm, und ich bin mir sicher, dass man mir dies angesehen hat. Wahrscheinlich dachte man sich "Oh Gott, was ist das denn für eine", ist die überhaupt Türkin? Die sieht doch gar nicht aus wie eine". Mich fragte noch eine, ich schätze Teenagerin, nach meinem Namen, doch danach folgten keine Unterhaltungen mehr. Nun hörte ich also, wie dort über andere Türkinnen gelästert wurde, die wie "Schlampen" mit Miniröcken durch die Gegend gelaufen seien. Ein Mädchen sagte: "Oh Gott, schämen sollten die sich, mein Vater hätte mich abgeknallt". Einige lachen. Ein junger Mann erzählt, dass seine deutsche "Schlampenfreundin" schon wieder Schluss gemacht hätte. "Naja, war ja eh nichts Ernstes", sagte er, "Als ob ich so eine Schlampe geheiratet hätte". Die meisten lachen. "Naja, für die meisten Europäerinnen ist es ja das normalste der Welt, ständig an einem anderen Kerl zu hängen. Voll die Minusweiber. Kopfschuss man", sagte eine etwa 18-Jährige.
Ich fühlte mich schon lange nicht mehr wohl in dem Raum. In einem wahrscheinlich katastrophalen Türkisch sagte ich noch schnell, dass ich mal kurz zu meiner Tante müsse, um ihr etwas zu sagen und verzog mich dann aus dem Raum. Schließlich setzte ich mich wieder an den Tisch, an dem ich schon zu Beginn saß. Die zwei Frauen, die in meiner Nähe saßen, waren nicht mehr da. Nachher sah ich, dass sie drüben in der Küche waren und Tee zubereiteten. Ich dachte über die Gespräche nach, die mir eben zu Ohren kamen. "Mein Vater würde mich abknallen", "Als ob ich so eine Schlampe (bezogen auf die deutsche Ex) geheiratet hätte" - NEIN, das ist definitiv nicht meine Welt. Wie kann man darüber lachen, dass einem der eigene Vater unter Umständen für ein freizügigeres Outfit Gewalt antun würde? Wie kann man eine Deutsche, nur weil sie Deutsche ist und mit anderen Werten aufgewachsen ist, als Schlampe bezeichnen? Nicht nur diese Fragen stelle ich mir, ebenso ging mir jegliches Gerede über die sogenannte "Ehre" schon immer auf die Nerven. Ehre? Was soll das sein? Eine Türkin, die sich ihr ganzes Leben vorschreiben lässt und nichts als ihre eigenen vier Wände kennt? Eine Türkin, die (gegen ihren Willen) nach den Regeln der Gesellschaft lebt? Wer bestimmt denn, was Ehre überhaupt ist? Wie jetzt, die Gesellschaft? Was macht diese Leute so besonders, dass sie meinen, das Recht zu haben, sich in das Leben anderer Familien bzw. Menschen einmischen zu dürfen? Was macht das Wort der Gesellschaft so wertvoll, warum sollte der Maßstab der Gesellschaft als allgemeingültig gelten? Mein Kopf platzte fast vor lauter Fragen. Aber bei einer Sache war ich mir ganz sicher: NEIN, das ist nicht meine Welt! NEIN! Mich interessiert weder, was irgendwelche anderen Menschen über mich sagen, etwas vorschreiben lasse ich mir schon mal gar nicht von anderen. Ich finde es auch alles andere als komisch, dass Eltern ihren Kindern unter Umständen Gewalt androhen, wenn die Kinder nicht den Wille der Gesellschaft befolgen wollen. Ich finde es ebenso falsch, dass sich die türkischen Mädchen in traditionelle Rollen drängen lassen, während die Jungs wie kleine Paschas ihr Leben nach eigenen Regeln führen dürfen. NEIN, dachte ich wiederholt. NEIN, das passt nicht zu mir. Sowas kann ich weder begrüßen, noch möchte ich es ehrlich gesagt tolerieren!
Nun stehe ich also da - zwischen zwei Kulturen. Zwischen zwei Gesellschaften. Während mich die eine zwar akzeptiert, doch mich immer noch als "die Türkin" sieht, verhält es sich mit der anderen Gesellschaft so, dass ich diese aus mehreren Gründen nicht so wirklich akzeptieren kann.
Doch woher kommt dieser Drang vieler Leute, unbedingt einer Gemeinschaft oder einer Kultur angehören zu wollen? Reicht es nicht, sich selbst treu zu sein, seine eigenen Regeln und Prinzipien zu haben? Fragen über Fragen, und die Antwort? Ich habe schon von vielen Türken gehört, wie sie andere Türken/Türkinnen, welche es mit bestimmten Normen nicht so genau nehmen, als "kulturlos" bezeichnet haben.
Doch woher kommt es, dass sich so viele Menschen auf eine Kultur beschränken? Wissen diese Menschen eigentlich über die Ursprünge ihrer Kultur Bescheid, über die Geschichte ihres Landes? In den seltensten Fällen hat ma doch das Gefühl, dass dem so sei. Vielmehr beschränkt sich das, was heutzutage von den meisten als "Kultur" bezeichnet wird, doch auf die heutigen Werte und Normen, welche man auch von anderen Menschen vorbildgemäß beachtet haben will.
Na wenn es das ist, dann verzichte ich gerne... Lieber informiere ich mich in meiner freien Zeit über geschichtliche Hintergründe und eigne mir somit Wissen über Kulturen, Sitten und Bräuche an, als mich von der Masse mitreißen zu lassen und nach Regeln zu leben, die die Gesellschaft teilweise selbst aufgestellt hat und dennoch als heilig betrachtet. Man bedenke bei dieser Gelegenheit, dass auch die kulturellen Regeln, welche heutzutage gelebt werden, nur noch bedingt etwas mit dem Islam zu tun haben. Wie kommt es sonst, dass sich der Mann heutzutage fast alles erlauben darf und die Gesellschaft dies toleriert? Wie kommt es, dass der junge Türke von seinen Eltern aus eine Freundin nach der anderen haben darf, während das Schwesterchen zu Hause sitzen und brav im Haushalt helfen muss? Nein, das hat gewiss nicht annähernd etwas mit dem Islam zu tun. Weshalb bestehen dann so viele Menschen auf diese gesellschaftsgemachtern kulturellen Regeln, die teilweise völlig inhaltsleer sind und nur dazu dienen, Familien gegeneinander aufzuhetzen?
Ich wollte nur meine Gedanken in Hinblick auf dieses Thema aufschreiben. Man darf dies selbstverständlich kommentieren, man darf es aber auch lassen. Auf Beleidigungen würde ich jedoch gerne verzichten wollen, da man an dem Erhalt eines angemessenen Klimas hier im Forum interessiert sein sollte.
Liebe Grüße