Meinungsfreiheit futsch in Deutschland?

EnRetard

Well-Known Member
Der slowenische Philosoph Slavoj Žižek hat in seiner Eröffnungsrede auf der Frankfurter Buchmesse, wo sein Heimatland Slowenien in diesem Jahr Gastland ist, für Aufregung gesorgt.
Žižek verurteilte die terroristischen Angriffe der Hamas auf die israelische Bevölkerung, betonte aber, man müsse auch den Palästinensern zuhören und deren Hintergrund beachten, wenn man den Konflikt verstehen wolle.

Das war zuviel: Der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker warf Žižek daraufhin vor, den Hamas-Terror zu relativieren. Die Rede wurde unterbrochen, danach widerrief Gescholtene aber keineswegs, sondern betonte, Israel habe jedes Recht, sich zu verteidigen, aber man müsse auch den Hintergrund der Palästinenser sehen. Zuvor hatte er bereits "Analyseverbote" kritisiert und die Entscheidung, die palästinensische Autorin Adania Shibli auf der Buchmesse nicht auszuzeichnen, "skandalös" genannt.

Hessens Antisemitismus-Beauftragter Becker sagte hinterher zu dpa, man könne über alles sprechen, auch über die Rechte und das Leid der Palästinenser, "aber nicht in einer Gleichsetzung und Gleichstellung zu Unrecht und zu massiver Gewalt und Terrorismus – das geht nicht". Und weiter: "Auch das freie Wort hat dort eine Grenze, wo es in einem Kontext Dinge relativiert, verharmlost und gleichsetzt, wo man sie nicht gleichsetzen kann."

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Wenn sich diese Einstellung, die auch schon in verschiedenen Demonstrationsverboten und der schrillen Reaktion auf das plumpe Post eines marokkanischen Fußballspielers gezeigt hatte, durchsetzt, dann ist das eine massive Einschränkung der Meinungsfreiheit, die weit über die bisherigen (strafrechtlichen) Grenzen hinausgeht.

Den vorläufigen Gipfel erklommen hatte allerdings bereits vor einer Woche der frühere Berliner Kultursenator Tim Renner SPD. Auf X verkündete er: Wer hier lebt wird Bestandteil Deutscher Geschichte und daraus resultierender Verantwortung. Wer das nicht will, was ich ob der Schwere der Schuld verstehen kann, sollte darauf verzichten hier leben zu wollen.


Also: Die deutsche Kollektivverantwortung oder -schuld wird nicht nur für immer ewig von Generation zu Generation weitervererbt, sondern auch auf Einwanderer und deren Abkömmlinge, unabhängig von Herkunft und Staatsbürgerschaft, übertragen. Sonst raus hier.

 

Bintje

Well-Known Member
Also: Die deutsche Kollektivverantwortung oder -schuld wird nicht nur für immer ewig von Generation zu Generation weitervererbt, sondern auch auf Einwanderer und deren Abkömmlinge, unabhängig von Herkunft und Staatsbürgerschaft, übertragen. Sonst raus hier.
Na ja, die Haltung von Tim Renner bestimmt ja nun glücklicherweise nicht die Rechtsprechung.
Auf der anderen Seite mag es naiv sein - aber ich erwarte einfach auch von Zuwanderern genügend Fingerspitzengefühl, Befindlichkeiten und historische Zusammenhänge in einer Aufnahmegesellschaft zu respektieren, zumindest Rücksicht darauf zu nehmen. Wer das nicht kann oder tut, dürfte wohl überall anecken. Natürlich auch deutsche Auswanderer, die umgekehrt z.B. mal in China probieren könnten, Gesprächspartner öffentlich zu desavouieren (aber dafür haben wir ja unsere derzeitige Außenministerin).

Die Rede von Žižek habe ich nicht gehört, den Nachhall nur am Rande nachgelesen. Insofern kann ich wenig bis nichts dazu sagen.
Was die Preisverleihung an die palästinensische Autorin betrifft: Die Preisverleihung wurde nur verschoben. Den Preis wird sie also erhalten. Nur nicht bei der Frankfurter Buchmesse. Das ging auch schon schriller, falls es jemand vergessen hat: 2008. Das geplante Konzert wurde abgesagt und m.W. nicht nur verschoben.

Und generell nur: Natürlich gehört die Meinungsfreiheit jederzeit verteidigt, wo sie ernstlich gefährdet ist. Ob sie wegen des (absehbaren!) Shitstorms nach einem mehr als verunglückten Post von Mazraoui in Gefahr ist, wage ich doch ernstlich zu bezweifeln. Eingeschränkt fühlen kann, dürfte sich allerdings jede:r, der seit den Zeiten von Pegida-Aufmärschen nicht nur in mehrheitlich rechtsdrehenden Landstrichen vermeintlich linksgrünversiffte Ansichten offen äußert. "Massiv eingeschränkt", wie du es jetzt schon behauptest, dürfte sie von oben herab dann werden, wenn Weidel & Co. mit Hilfe von Merz und ähnlichen Steigbügelhaltern die Justiz, den ÖRR, weitere Medien, die Wissenschaft (Klimaforschung, Genderforschung) und andere Institutionen zersägen. Daran arbeiten sie schon beharrlich.
 

sommersonne

Well-Known Member
Das habe ich schon gestern gelesen und fand es sehr gut das sich mal jemand getraut hat offentlich zu sagen das Israel evtl. auch Schuld an der Lage im Nahen Osten hat. Das Aussprechen der Wahrheit muß möglich sein.

Ich finde nicht das wir, die nachfolgende Generation und auch die die nach uns kommen, uns zwingend schuldig fühlen müssen. und deshalb alles gut heißen was Israel tut.
Was wir aber müssen und zwar alle und auch die nachfolgenden Generationen, das ist, dafür zu sorgen das so etwas nie wieder passieren kann.
 

Burebista

Well-Known Member
fand es sehr gut das sich mal jemand getraut hat offentlich zu sagen das Israel evtl. auch Schuld an der Lage im Nahen Osten hat. Das Aussprechen der Wahrheit muß möglich sein.
Es ist nicht "evtl." Ich habe den Link des Buches von Pappe vorher gepostet.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ilan_Pappe

Aber das geschah im Jahr 1948!
8 (acht) Jahre vorher sind ein Teil meiner Ahnen aus der Nordbukowina vor den Sowjets nach Rumänien geflohen (kurz vor der Übernahme durch die Sowjets, oder 3 Wochen später) oder wurden von den Sowjets nach Sibirien geschickt. Von den letzten weiß meine Familie nichts mehr.
Aber diejenigen, die weggelaufen sind, haben sich ein neues Leben geschafft und die Ungerechtigkeit der Geschichte überwunden.

Wieso können die Palästinenser das nicht? Wieso wird die Wut durch Generationen weiter geführt?

Deutschlands Rolle oder Ursache da endete im Jahr 1945. Das IL-Palästina-Problem entstand ein Jahr oder 2 Jahre später. Der sionistische Plan entstand viel früher, als Adolf H gar nicht im Plan war, gezeugt zu werden.

Also:
1. bitte, lässt die Nazi-Rhetorik beiseite und auch das Deutschlandschuld-Masochismus. Deutschland ist nicht schuld für das, was jetzt passiert. Das Problem ist später entstanden, als D. in Ruine lag und die Deutschen in den Städten in den Keller lebten und dazu noch andere Deutschen aus dem Osten akzeptieren mussten.
2. Der zweite Weltkrieg war eine Katastrophe, es war heißer Krieg. Aber nachher begann eine neue Etappe, die Anarchie. Sehr gut ist diese Epoche von Keith Lowe im Buch "Der wilde Kontinent. Europa in den Jahren der Anarchie 1943-1950" dargestellt. Diese Anarchie aus Europa hat auch den Nahen Osten beeinflusst (mit terror-Attacken der Juden gegen die Briten vor 1947 in PL). Was die Nazis nicht geschafft haben, wollten die neuen Polen beendigen. Habe das Buch auf Kindl gelesen.
3. Im Kontext der Anarchie und auch als Folge dieser Anarchie, haben die Juden alles getan, mit allen Mitteln, einen sicheren Staat zu schaffen, da kein Staat aus Mittel- und Osteuropa bereit war, deren Sicherheit zu geben.
4. Sicherlich, waren damals die Araber aus Palästina die unschuldige Verlierer (das Palästinensische Volk, als Begriff, entstand später). Pappe erklärt alles, im arabischen Sinn. Ich nehme Pappe ernst, er ist überzeugend. Habe das Buch gelesen.
5. Aber das geschah als meine Mutter 2 Jahre alt war und nun ist sie fast 77. Also, bitte. Wie viele Generationen lässt man sich vom Hass geführt? Wann hören wir oder die Palästinenser endlich auf, die Geschichte weiterzuführen und auch den Hass?

"Kurzgefasst": Israel hat auch ein Schuld an was wir jetzt sehen und indirekt erleben. Es ist schuld, weil die Juden in Europa kein Vertrauen mehr haben konnten (nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Mittel- und Osteuropa vor 1933, dann wegen der Anarchie kurz nach 1944).
Es hat die "Schuld bei den Arabern, dass sie existieren.
Es hat die Schuld, weil die Juden den Willen hatten, einen sicheren Staat zu haben.
Es ist schuld daran, dass es sich im Jahr 1948 verteidigt hat und durch alle Mitteln (auch durch Terror) ihr Territorium vergrößert hat.
Es ist schuld daran, dass es im Jahr 1967 sich wieder verteidigt hat.
Es ist schuld daran, dass es im Jahr 1979 Gaza nicht an Ägypten übergab.
(Ironisch geschrieben)
Nun aber,
Es ist dann schuld daran, dass die isr. Regierung Hamas bei der Gründung unterstützt hat, um gegen Fatah zu kämpfen (kannten wahrscheinlich das Sprichwort nicht: Bist den Teufel los, aber triffst seine Mutter).
Es ist dann schuld daran, dass die isr. Regierung nach 1967, aber insbesondere nach dem Regierungswechsel von 1977, Siedlungen in Cis-Jordanien (Westjordanland) gegründet hat.
Es ist dann schuld daran, dass die isr. Regierung nach Oslo 1993 wirklich willkürliche Grenzen eingesetzt hat (nach dem Slogan: "2 Staaten wollt, ihr, dann sollen wir sie haben, also auch die Grenzen). Die Straßen zwischen Siedlungen wurden isr. Territorium. Und es wurden menschenunwürdigen Check-Points angesetzt.

Es ist dann schuldig daran, dass die Kibutz viel freie Wiese haben (habe ich im TV bei den Hamas-Terrorübergriffe gesehen), wobei 10 km.weiter, die Leute dicht wie in Konserven leben.
Aber dabei müsste ich mich auch schuldig fühlen, dass ich den großen Garten habe?
Obwohl ich oder meine Vorfahren keine Leute vom diesen Garten weggejagt haben.

...
:(
 
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sommersonne

Well-Known Member
Es ist nicht "evtl." Ich habe den Link des Buches von Pappe vorher gepostet.
Ich habe evtl. geschrieben weil sie sich das Land anfangs nicht einfach so genommen hatten, es wurde ihnen von den Westmächten gegeben.
Wieso können die Palästinenser das nicht? Wieso wird die Wut durch Generationen weiter geführt?
Vielleicht weil es nie aufgehört hat, die Landnahme und die Schikanen oder weil sie an ihrem Besitz hingen. Was hatten sie denn sonst. Was gibt es für Möglichkeiten das Leben zu fristen. Es ist nicht schwer unter diesen Bedingungen Haß, Wut und Enttäuschung wach zu halten und die Menschen in die Arme von Extremisten zu treiben.
(Ich weiß, will keiner hören.)
 

Burebista

Well-Known Member
Ich habe evtl. geschrieben weil sie sich das Land anfangs nicht einfach so genommen hatten, es wurde ihnen von den Westmächten gegeben.

Vielleicht weil es nie aufgehört hat, die Landnahme und die Schikanen oder weil sie an ihrem Besitz hingen. Was hatten sie denn sonst. Was gibt es für Möglichkeiten das Leben zu fristen. Es ist nicht schwer unter diesen Bedingungen Haß, Wut und Enttäuschung wach zu halten und die Menschen in die Arme von Extremisten zu treiben.
(Ich weiß, will keiner hören.)
Nein, @sommersonne . Das Land wurde ihnen von der UNO gegeben, nicht von den Westmächten. Sowohl die Juden und auch die Araber haben die Stimmen gezählt, Staat und Staat. Es gibt Videos, wie die Juden mitgezählt haben.

Schikanen gibt es. Das Land wurde gestohlen.Können wir ohne Weltkrieg nicht zum Null wieder kommen? Es geht um Null um Israel und Araber.
Wenn die Palästinenser wirklich einen Weltkrieg wollen, um Gerechtigkeit für ein 3 altes Generation-Problebm zu erhalten, dann werden sie das haben.
 
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sommersonne

Well-Known Member
Danke, war ein Fehler, weil auch Westmächte dabei waren, habe ich es so geschrieben.

Um Null kann es nicht gehen, das Rad kann nicht zurück gedreht werden.
Es geht eigentlich auch nicht um die (alle) Palästinenser. Es ist die Hamas die Veränderung möchte und sich benutzen läßt, der Rest der palästinensischen Bürger sind genauso Opfer wie die israelischen Bürger, die in ihrer Mehrheit den Palästinensern nichts böses wollen und sich sogar gegen ihre rechte Regierung und die orthodoxe Bevölkerung gestellt haben.

Aber, wirklich, warum sollen wir darüber jetzt, 75 Jahre noch sprechen/streiten?
Denke doch mal daran wie oft du auch über die Vergangenheit der Balkanländer und Rumäniens sprichst und daran denkst wie es früher war und alles so gekommen ist.
Das machen die Bewohner des nahen Ostens genauso.
 
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