Mrs. Mortimers übellauniger Reiseführer

Asyali

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Mrs. Mortimers übellauniger Reiseführer: Persien


Persien ist jetzt ein mohammedanisches Land. Die Türken, Sie erinnern sich, sind auch Mohammedaner. Vielleicht glauben Sie jetzt, dass diese beiden Völker, die Türken und die Perser, gut miteinander auskommen, da sie ja denselben Glauben haben. Aber weit entfernt. Keine zwei Völker hassen sich mehr als die Türken und die Perser; der Grund dafür liegt darin, dass sie, obwohl sie beide an Mohammed glauben, sich uneins sind über seinen Schwiegersohn Ali. Die Perser schätzen ihn sehr und halten an seinem Todestag im ganzen Lande Trauer, während sich die Türken überhaupt nicht um Ali scheren.
Die Türken sitzen auf Sofas und lehnen sich gegen Kissen; die Perser sitzen auf Teppichen und lehnen sich gegen die Wand. Ich weiß, Sie würden die türkische Sitte vorziehen.
Nicht nur ihre Gebräuche sind unterschiedlich, auch ihr Charakter. Die Türken sind ernst, die Perser lebhaft. Die Türken sind schweigsam, die Perser reden gern. Die Türken sind grob, die Perser höflich. Nun, ich bin sicher, Sie mögen die Perser lieber als die Türken. Aber warten Sie noch ein wenig – die Türken sind sehr stolz, die Perser sehr verschlagen. Man hat gehört, wie ein alter Perser einmal sagte: »Wir alle lügen, wann immer wir können.« Die Perser schämen sich nicht einmal, wenn man ihre Unwahrheiten entdeckt. Wenn sie verkaufen, verlangen sie zu viel; wenn sie Versprechen machen, brechen sie sie. Kurz, es ist unmöglich, einem Perser zu trauen.

DIE PERSISCHEN FRAUEN
Sie verhüllen sich mit großen dunkelblauen Umhängen, und in dieser Kleidung gehen sie aus, wohin sie wollen. Niemand, der ihnen begegnet, kann erkennen, wer sie sind.
Und wohin gehen diese Frauen? Hauptsächlich ins Bad, wo sie viel Zeit damit verbringen, Kaffee zu trinken und zu rauchen.

PERSISCHE GASTHÄUSER
Das sind sehr unbequeme Orte. Sie verfügen über ganz viele Zellen aus Lehm, die um einen großen Hof herum erbaut worden sind. Diese Zellen sind ziemlich leer und mit Steinen gepflastert. Der einzige bequeme Raum liegt über dem Eingang zum Hof, und die Reisenden, die zuerst eintreffen, sehen zu, dass sie sich in dem Raum über dem Eingang zum Hof einquartieren.

PILGER UND BETTLER

Es kommt häufig vor, dass man eine große Gruppe von Pilgern erblickt, manche zu Fuß und andere, die auf Kamelen, Pferden oder Eseln reiten. Sie kehren aus Mekka zurück, dem Geburtsort Mohammeds. Was hat ihnen ihre Pilgerfahrt eingebracht? Überhaupt nichts. Sie glauben, sie sind nun sehr heilig, aber sie verursachen auf ihrem Heimweg in den Gasthäusern einen solchen Aufruhr mit ihren Streitigkeiten und Prügeleien, dass niemand es in ihrer Nähe aushalten kann.

Favell Lee Mortimer (1802–1878) war eine überaus erfolgreiche Kinderbuchautorin; ihre strengen Bände, gegen die der Struwwelpeter nett und pädagogisch modern wirkt, wurden im 19. Jahrhundert zu Bestsellern. Danach verfasste sie Reiseliteratur, wobei sie keines der Länder, über die sie schrieb, je selbst besuchte. Wiederentdeckt und in einem Best-of-Band zusammengestellt wurden Mrs. Mortimers Werke von Todd Pruzan, der als Journalist in Brooklyn/NY lebt.

Mrs. Mortimers übellauniger Reiseführer: Italien
Mrs. Mortimers übellauniger Reiseführer: Holland
Mrs. Mortimers übellauniger Reiseführer: Deutschland
 

Asyali

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AW: Mrs. Mortimers übellauniger Reiseführer

Mrs. Mortimers übellauniger Reiseführer: Deutschland

Trotz des Aufruhrs ihrer Völker verfügten die Revolutionen in Deutschland und Preußen 1848 nicht über die Stärke und Geschlossenheit der französischen und italienischen Revolutionen dieser Ära. Berlin befand sich Mitte November 1848 im Belagerungszustand, aber Aufstände hier und in anderen deutschen Hauptstädten führten zu einer gespaltenen Frankfurter Versammlung, die zur Vereinigung mit Österreich aufrief. Die Versammlung scheiterte im März 1849, nachdem Preußens König Friedrich Wilhelm IV. es abgelehnt hatte, als Herrscher zur Verfügung zu stehen. Ein Vertrag mit Österreich, die deutsche Union aufrechtzuerhalten, wurde 1850 unterzeichnet.
Werner von Siemens erfand 1846 den Telegraphen, Richard Wagner schrieb den Lohengrin zwischen 1848 und 1850. Robert Bunsen entwickelte 1850 den Bunsenbrenner. Fünf Jahre später erfand Karl Benz das benzingetriebene Automobil.

Wenn Sie durch Deutschland reisen würden, sähen Sie schön geschwungene Hügel und große Wälder, aber nicht diese hübschen grünen Wiesen und Weißdornhecken wie in England. Wo sind die Kühe? Sie sind im Stall. Wie seltsam, die arme Kuh im Stall einzusperren! Ich bin sicher, wenn Sie eine Kuh wären, würden Sie viel lieber eine amerikanische sein, die sich an frischem Gras gütlich tun kann, und nicht eine deutsche, die Bündel von Heu in einem Stall frisst. Ich kann nicht behaupten, dass die Häuser besonders schön sind. Im Erdgeschoß ist der Kuhstall, was an sich nichts Schlechtes wäre, wäre das Zimmer im ersten Stock sauber; aber so ist es nicht. Weil die Frauen so viel draußen sind, halten sie ihre Häuser nicht sauber. Drinnen stehen eine Anrichte mit Borden, Betten mit Vorhängen und ein Herd, aber alles ist schmutzig und unbequem.

ESSEN
Die Deutschen stehen sehr früh auf und frühstücken um sechs oder sieben Uhr, aber sie begnügen sich mit einer Tasse Kaffee und etwas trockenem Brot, und sie trinken gewöhnlich ein Glas kaltes Wasser, bevor sie ihr Tagwerk beginnen.
Die Deutschen trinken nicht oft Tee und wissen auch nicht genau, wie man ihn zubereitet. Ich habe von einer Magd in einem Gasthof gehört, die aus Versehen die Teeblätter kochte.

AUSSEHEN
Viele Deutsche sind kräftige, große, gut aussehende Männer – kein Wunder, denn sie haben gutes Essen in Fülle und arbeiten hart, sodass sie es gut vertragen. Die Frauen sind frisch und hübsch, mit runden, lächelnden Gesichtern, blondem Haar und blauen Augen.
Die Frauen sind sehr fleißig, und sie nehmen ihr Strickzeug überallhin mit. Sie sind so in ihre Stricknadeln vernarrt wie die Männer in ihre Pfeifen. Es würde Sie überraschen, wie viele Socken sie stricken. Doch es ist weitaus besser zu stricken als zu rauchen! Wenn sie in ihrem Hause sind, verbringen die Frauen einen Großteil ihrer Zeit mit Kochen; außerdem weben sie, und in großen Truhen bewahren sie sehr viel selbst gesponnene Leinenwäsche auf. Können sie denn nichts als stricken, kochen und weben? O nein, sie können auch Klavier und Harfe spielen und singen sehr lieblich. Aber nützliche Bücher lesen sie nicht gern. Wenn sie lesen, dann nur Romane über Menschen, die gar nicht gelebt haben. Dann wäre es doch besser, gar nichts zu lesen als solche Bücher.
Zu Weihnachten machen die Eltern ihren Kindern eine Freude, indem sie einen kleinen Baum besorgen, ihn mit Kerzen schmücken und mit künstlichen Früchten und kleinen Figürchen behängen. Auf den Tisch daneben legen sie Geschenke. Böse Kinder dürfen den Weihnachtsbaum nicht sehen und bekommen auch keine Geschenke.

CHARAKTER
Sie werden bereits verstanden haben, dass die Deutschen sehr gütig sind und liebenswert in ihren Familien. Sie sind herzlich. Sie sind sorgsam und vorsichtig. Es wäre gut, wenn sie nur etwas ordentlicher wären und sauberer, besonders die armen Leute.
 
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