"Türkische Kultur -- was ist das?"

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Laledevri

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AW: "Türkische Kultur -- was ist das?"

Die Türkei ist ein Vielvölkerstaat, indem viele Kulturen und Zivilisationen bis heute ihre Spuren hinterlassen haben. Das macht es natürlich schwer, von einer pauschalen türkischen Kultur zu sprechen. Ich würde daher gerne, vom historischen Standpunkt aus betrachtet, zwischen Volkskultur und höfischer Kultur unterscheiden.

Im Gegensatz zu Deutschland ist eine Volkskultur, oder vielleicht auch volkstümliche Kultur, in der Türkei viel präsenter als in Deutschland. Volkstümliche Kultur hat in Deutschland leider den Hauch des Ewiggestrigen. Schade eigentlich. Zum einen schätze ich die vielfältige Volksmusik, jede Region kennt ihre eigenen Türküler und ihre eigenen Tänze. Volksmusik und Volkstanz (Türk Halk Oyunlari) kann man sogar als Studienfach belegen. Die Kultur der Asik und Ozan ist eine uralte und faszinierende Gesangstradition. Ich liebe Balladen auf Texte von Pir Sultan Abdal. In diesem Kontext seien natürlich auch die Aleviten erwähnt.

Aus Anatolien kommen auch die großen Denker des Mittelalters, der zugewanderte Mevlana und Yunus Emre. Interessant ist, dass man in ihren Texten Gedankengut findet, das eigentlich die europäische Aufklärung für sich beansprucht hat. Wo wir schon beim Thema Mevlana sind, die UNESCO hat die "Derwisch-Zermonie", das Sema, zum immateriellen Weltkulturerbe der Menschheit erklärt.

Die höfische Kultur ist ebenso vielschichtig. Schade, dass niemand seit Hammer-Purgstall den Versuch unternommen hat, die Gazel-Dichtung zeitgemäss zu übersetzen. Gazel sind eine ganz hochkarätige Dichtkunst. Aufgrund des Bilderverbotes im Islam (das mal mehr, mal weniger konsequent eingehalten wurde), hat sich eine unglaublich hochstehende Miniaturkunst entwickelt. Ebru ist ebenfalls eine herausstechende Kunst. Die architektonischen Leistungen von Mimar Sinan sprechen für sich. Die Musik aus diesem Kulturraum hat seit den Zeiten der Kreuzfahrer grosse Einflüsse auf die europäische Musiktradition gehabt. Als prominentestes Beispiel sei die Mehterhane genannt, die osmanische Militärkapelle. Auch deren Einflüsse schwappten bis ins 19. Jahrhundert hinein nach Europa. Europäische Komponisten haben es vielfach kopiert, letztes prominentestes Beispiel- der türkische Part in Beethovens 9. Sinfonie.

Türkische Musiktherapie bezieht ihre Wurzeln einerseits aus der Schamanentradition Asiens, andererseits aus altindische Quellen- dafür spricht, dass die Makam, Tonarten, ähnlich wie die Ragas (altindische Tonarten) verwendet werden. Untersuchungen in der Berliner Charité haben ergeben, dass türkische Musiktherapie bei psychischen Erkrankungen die gleiche Wirkung erzielen kann wie Psychopharmaka. Auch das also eine bewundernswerte Kulturleistung, wer mal in der Gegend ist, möge sich das entsprechende osmanische Hospital in Edirne anschauen.

Ich könnte jetzt noch ewig weiter schreiben, aber ich verpacke es wohl besser häppchenweise:wink:
 
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Laledevri

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Ehm, ja, natürlich, die Esskultur. Immer wieder faszinierend, wie schmackhaft Gerichte aus nur ganz wenigen Zutaten sein können.:wink:
 

blackcyclist

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AW: "Türkische Kultur -- was ist das?"

Magst Du auch (ernsthaft) schreiben, was Du an der türkischen Kultur schätzt?

Man schaut natürlich mit europäischen Augen auf die türkische Kultur und Kunst. Als Musiker fand ich immer Duman und Pentagram sehr gut. Mit den ganzen operierten Popstars, wo ich weder Musik noch Aussehen auseinanderhalten kann, kann ich nichts anfangen. Ich habe Orhan Pamuk gelesen, fands jetzt durchaus interessant, aber etwas anstrengend. Gut, ich lag im Krankenhaus........

Auf anderen Gebieten die mich interessieren (Kalligraphie) konnte ich noch nicht viel Spannendes finden. Wobei die alten osmanischen Kalligraphien durchaus ihre Faszination haben.

Film ist auch etwas zweischneidig, es gibt wirklich tolle Filme, aber auch absoluten Vollschrott, wo mir aber vielleicht auch nur der intellektuelle Zugang fehlt.
 
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Laledevri

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Keramik, Fayencen. Fliesendekore in Moscheen. Stichwort Kütahya.
Die Badekultur im Hamam:wink:
 
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Laledevri

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AW: "Türkische Kultur -- was ist das?"

Ach ja, und wie mein Nick es verrät, natürlich das Laledevri, das Tulpenzeitalter. Bevor ich mir den Wolf tippe, weiss eine offizielle türkische Seite folgendes dazu:


Die Tulpenepoche war zwischen 1718-1730, d.h. während des Sultanats von Sultan Ahmed III. und dem Großwesirtum des Nevşehirli Damat İbrahim Paşa. Diese Epoche erhielt ihren Namen von den Tulpen um den Serail herum und von der beginnenden Passion der Reichen, Tulpen zu züchten.

In der Tulpenepoche durchlebte Istanbul viele Erneuerungen und Veränderungen. Großwesir Nevşehirli Damat İbrahim Paşa, begeistert von den Projekten, die er aus Paris und Wien mitbrachte, griff in den Bebauungsplan Istanbuls ein. Zuerst wurde das Goldene Horn bereinigt und die Ufer des Kağıthane Flusses und des Goldenen Horns wurden zu Ausflugsorten. In Kağıthane wurde für den Sultan das Sadabad Schlösschen errichtet und seine Umgebung mit Tulpengärten geschmückt. Diese Gärten waren der Grund dafür, dass unter den Reichen eine Tulpenzücht-Euphorie auftrat. Wiederum in dieser Epoche wurden in den Gebieten von Üsküdar, Beylerbeyi, Bebek, Fındıklı, Alibeyköyü, Ortaköy und Topkapı viele Schlösschen und Gärten errichtet. Gemeinden, die zuvor durch Brände zerstört worden waren, wurden neu aufgebaut.

Die Erneuerungen, die Istanbul in der Tulpenepoche erlebte, beschränken sich nicht nur auf die Architektur. Zum ersten Mal wurde in dieser Epoche die Feuerwehrorganisation gegründet; die erste Druckerei wurde in dieser Ära von İbrahim Müteferrika in Betrieb genommen. Außerdem wurden eine Fliesenfabrik, eine Stofffabrik und die Yalova Papierfabrik in dieses Jahren geöffnet.

In der Tulpenepoche erlebten auch Kunst und Literatur eine Blühte. Besonders Dichter und Maler wurden im Serail geehrt. In dieser Zeit brachte auch die türkische Architektur die letzten Wunderwerke der klassischen Epoche hervor. Emetullah Gülnuş Valide Camii, die von Sultan Ahmed III. vor dem Topkapı Serail und in Üsküdar errichteten Brunnen und das Grabmal von Damat İbrahim Paşa sind die hervorragenden dieser Werke. Die Tulpenepoche endete mit der Rebellion des Patrona Halil. Während dieser Rebellion wurden die meisten der Tulpengärten und Schlösschen, die das Symbol dieser Ära waren, vernichtet.

Quelle: http://www.ibb.gov.tr/sites/ks/de-D...rih/Pages/osmanlidancumhuriyete-istanbul.aspx


Überhaupt natürlich, Tulpen:)
Haben in Holland in der frühen Neuzeit sogar einen Börsencrash ausgelöst...
 

alkim

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AW: "Türkische Kultur -- was ist das?"

ich finde das sanliurfa halil rahman moschee kultur ist oder zeugma....

überhaupt die moscheen mit ihren mosaiksteinen....
 
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Laledevri

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AW: "Türkische Kultur -- was ist das?"

Teppiche der Bauern und Nomaden, auch eine beachtenswerte Volkskunst.

Und dann natürlich das Schattentheater Hacivat und Karagöz.
 
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