Im Netz - DER TEXT

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Erol saß mit vorübergebeugtem Oberkörper da; mit schrägem Blick von unten beobachtete er Feo, die wie immer im letzten Moment den Kleiderschrank aufriss, um sich nun zum x-ten Male im Innenspiegel der Schranktür zu betrachten. Scheisse, dachte er, wenn sie nicht bald fertig wird , komme ich zu spät ins Räucherstübchen... das Räucherstübchen lag in einer Seitenstrasse . Vormals eine Eckkneipe, hat ein sogenannter Ich-AG -Unternehmer ein Internetcafe daraus gemacht. Viel hat sich nicht geändert darin, die Wände waren braun vom Zigarettenrauch, der Tresen abgedeckt mit einer schäbigen Holzplatte, eine vor sich hinglucksende Kaffeemaschine, eine Thermoskanne mit abgestandenen Kaffee, klebrige Milchtüten und Würfelzucker- das war der Charme einer stillgelegten Bahnhofshalle aber nicht der eines Cafe's .
Aber genau das war es , was Erol gelegen kam ; nicht weit von zu Hause entfernt bot es sich an, doch mal schnell unter dem Vorwand, kurz dort Rauchen zu gehen Feo's ewiger Eifersüchteleien zu entfliehen. Anfangs hatte er tatsächlich nur dort mal schnell einen lauwarmen, übersüßten Kaffee getrunken, ein ,zwei Zigaretten geraucht, in die Runde geschaut und sich gewundert, mit welchen entrückten und verzückten Blicken mancher der Surfer in den Bildschirm hineinkroch.
Die kleinen Tische waren gut besucht, Headset und kleine Notizblöcke lagen griffbereit.
Erst später, als er mehrmals beobachtete, wie einige der Stammgäste ja oft halbe Nächte hier hockten, fragte er sich, was zum Teufel denn so spannend sei, sich hier in diesem Räucherloch die Nächte um die Ohren zu schlagen...
Mittlerweile hatte Erol sich eingereiht in die Liste der Stammgäste, warum auch nicht! Der Genuß einer Zigarette wird genüsslicher, wenn aus dem kleinen viereckigen Auge eines Webcamfensters die Schönen und Einsamen aus einer Singlebörse ihre Vorteile in sein Ohr flüsterten. Das war schon mal etwas anderes! Nun ja, Feo ist schon eine Nette, aber manchmal kam es dann und wann schon vor, das sie ihm auf den Wecker fiel mit ihrer ständigen Eifersucht.
Da kam ihm das Räucherstübchen ganz recht ! Ein bisschen Appetit geholt, ein bisschen sich schmeicheln lassen, sein Akzent , an dem Feo immer herumnörgelte wurde hier zum erotischen Ohrschmeichler für einige Damen; was will MANN mehr...
Jeden Samstag, so wie heute, war ein Feiertag im doppelten Sinne für Erol. Feo besuchte ihre Eltern außerhalb der Stadt. Früher hat es ihn mächtig geärgert, das die spießigen Eltern von Feo den "Türken" nicht unbedingt gerne kennenlernen wollten, er war beleidigt und manchmal brach er sogar recht üble Streitigkeiten vom Zaun, weil er sich doch selbst als recht passabel empfand und eigentlich gerne mal mitgegangen wäre . Die Einwände von Feo, das alles mit der Zeit sicher besser würde und die Eltern einsichtig dem Liebesleben ihrer Tochter gegenüber stehen würden, hatten sich bis heute nicht bestätigt, und so fuhr Feo alleine ihre Eltern besuchen und Erol verschwand sofort im Räucherstübchen , wenn sich die Haustür schloss . Samstag war der romantische Tag der Woche. Er nennt ihn so, weil dieser Tag deep-pink reserviert war. Deep-pink war laut Profil 24 Jahre alt , hatte braune Haare, war für alles offen, was immer das hieß, wohnte in Hamburg und war seit 6 Wochen Erol’s sweetheart. All diese Anglismen gingen Erol ganz schon auf den Keks, aber alles andere was deep-pink zu bieten hatte, ging eine Etage tiefer und blieb zwischen seinen Beinen hängen. Ja, das war eine Frau !

Endlich! Feo zog die Tür hinter sich ins Schloss , Erol sprang in die Jeans und keine 3 Minuten später ein „Selam“ murmelnd, zog er sich in die letzte Ecke zurück , um mit seiner deep-pink-lady , die schon ein kleines blaues Anwesenheitsblinken von sich gab, ganz alleine sein zu können. Hallo Süße, tippte er ein... keine Antwort.
Hey, bist Du nicht da ? Hallo pink...Keine Antwort. So eine Scheisse aber auch, dachte Erol! Wegen dieser Feo hat er seinen Samstagsflirt verpasst! Was soll er machen, pink war sicher sauer, weil er nicht pünktlich im Internetcafe war. Aber vielleicht ist sie nur die Nase pudern gegangen, um dann besonders schön in die Webcam zu lächeln, ihm Küsse zuwerfend und ab und zu vornübergebeugt ihr Dekolleté in die Kamera zu halten.... Ok, dachte Erol, warten wir ein bisschen... Da – es blinkte die kleine blaue Linie unten auf, sie ist da!
Hallo- bist du pismis-kelle-gibi-siritmak ? Hääää ? Pinky , meine kleine Blume, das weißt Du doch , ich bin es , was fragst du so kaltherzig, ich war nur ein bisschen zu spät heute; ich bin es doch , dein Honigkuchenpferd ... Man, dieser bescheuerte Nickname! Erol klickte auf die Tastatur und öffnete die Webcam.
Er zuckte zurück! Im kleinen Fensterrahmen lächelte ihn nicht etwa deep-pink entgegen, sondern ein übel verzerrtes Gesicht eines Mannes mittleren Alters.
Der Mann brüllte an der anderen Seite in das Mikrofon, das Erol es mit der Angst bekam, zum ersten verstand er nicht, wer das war, zum zweiten verstand er nicht , was der Mann brüllte ...zum dritten, wo zu Teufel ist deep-pink? Wieder blinkte das Fensterchen blau auf und Erol konnte lesen, was dieser wutentbrannte Typ eintippte:
Melinda ist verschwunden , da steckst sicher Du dahinter, du Schwein! Der Schrank ist leer und der ganze Stoff ist weg! Ich krieg dich du Scheisskerl! Das war so nicht ausgemacht...
Erol dachte, warum regt der Typ sich so auf ? Was will er denn mit den Stoffen, er kann doch eh keine Kleider anziehen....
Wieder brüllte der Mann ins Mikrofon: der Stoff ist weg ! Ich find dich , du Schwein...

Erol bekam Angst.
Wie im Reflex schaltete Erol dem Computer aus. Sein Herz klopfte bis zum Hals , rote Flecken machten sich auf der Haut breit vor Aufregung. Schnell warf er seinen Euro auf den Holztresen und stürzte hinaus.

Was zum Teufel war das ? Ok, wenn pinky einen Mann hatte, das war ja kein Problem für ihn. Sie ist beim fremdflirten halt erwischt worden... Ja , aber wieso ist sie da gleich abgehauen? Was hat der Typ doch gleich gesagt: der ganze Stoff ist weg ... Aman Allahim! Stoff ..
Der Typ meint Stoff! Ya!
Erol war kalt und heiss zugleich... Er wollte nur schnell nach Hause, die Tür schließen, weg vom Cafe, weg ,weg,weg...

Schnell sprang er die Stufen zur Wohnung hinauf, atemlos , noch auf halber Treppe zog er den Schlüssel aus seiner Jeanstasche, da sah er zwei Beine. Frauenbeine. Erol blickte auf ... Vor ihm stand deep-pink / Melinda .
Woher zum Teufel...!
 

missbambi70

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Meine Vortsetzung:

„Gut, dass du endlich kommst!“, sagte Melinda, in einem fast vorwurfsvoll klingendem Ton.
„Aber, ähhhh was machst du …… woher weist du?“, stotterte Erol und konnte noch nicht recht glauben, dass Melinda wirklich vor ihm stand.
„Nun schließ endlich die Tür auf, mir ist kalt!“
Er konnte Melindas Absätze auf dem oberen Treppenabsatz klappern hören und sah wie sie aus dem Schatten eine Reisetasche und einen Rucksack zog, aber er konnte sich immer noch nicht rühren.
„Heyy!“, sagte Melinda, die jetzt zu ihm runter gekommen war, um ihm denn Schlüssel aus der Hand zu nehmen.
„Muss man sich auch noch allein die Tür aufmachen!“, fluchte sie und Erol hörte wieder die Absätze und kurz darauf das klicken des Schlüssels im Türschloss. Dieses Geräusch weckte ihn endlich auf und er wollte noch rufen, dass sie da nicht rein gehen kann, aber da war sie natürlich schon mit Sack und Pack im Hausflur. Was blieb ihm anderes übrig als ihr nach zu gehen?
„In welchem Stock wohnst du?“, fragte Melinda ruhig, um eine Unterhaltung anzufangen.
„Im dritten!“, war alles was Erol herausbrachte.
In der Wohnung angekommen musste Erol sich erst einmal hinsetzten. Ohne ein weiteres Wort zu Melinda ging er ins Wohnzimmer und ließ sich geräuschvoll auf die Couch fallen, um gleich wieder, mit einem Fauchen begleitet, schreiend aufzuspringen.
„Mistvieh!“, schrie er dem Kater hinterher, welcher sich, nachdem man versucht hatte auf ihm Platz zu nehmen, natürlich aus dem Staub machte. Hinsetzen wollte sich Erol jetzt nicht mehr. Dieser letzte Schreck hatte ihn wieder wach gerüttelt und ihm viel das Internetcafé und der schreiende Typ wieder ein und natürlich Melinda.
Melinda? War sie wirklich in seiner Wohnung? Er hörte ein klappern in der Küche und dann: „Wo hast du denn den Zucker versteckt?“
Sie war kein Traum, sondern harte Realität und er musste sich ihr stellen, um sie sogleich aus seiner Wohnung schmeißen zu können, dachte sich Erol und ging in die Küche.
Er blieb in der Tür stehen und betrachtete sie eingehend. So in natura und in voller Größe sah sie noch schöner aus, als er sie sich vorgestellt hatte.
Da sie gerade den Zucker aus einem der oberen Schränke holte, sah er sie von der Seite und wie zuletzt im Café, als er ihre Brüste gesehen hatte, spürte er wie es sich in seiner Hose regte. ‚Scheiße, nicht jetzt. Du wolltest sie doch gerade noch raus schmeißen, oder?’, dachte er noch, als er schon versuchte sich auszumalen wie es wohl sein würde mit ihr auf der Couch zu liegen. ‚Hoffentlich ohne Kater’, war sein letzter Gedanke, bevor Melinda sich umdrehte und ihn anlächelte.
„Hast du den Zucker gefunden?“, fing jetzt Erol das Gespräch an. Sie lächelte ihm nur zu und schüttelte mit der Zuckerdose, sodass der Löffel innen klimperte.
„Wie viel Löffel möchtest du in deinen Kaffee?“
„Drei bitte!“, sagte Erol, dem einfach kein Anfang einfallen wollte. Er hatte jetzt so viele Fragen die auf ihn ein stürmten, aber er konnte einfach keine ausformulieren. So sah er ihr stumm zu, wie sie einen Löffel nach dem anderen in den Kaffee schaufelte.
Als sie ihm die Tasse hinhielt, fragte er endlich: „Was machst du hier?“
„Lass uns bitte erst einmal hinsetzten!“, war ihre Antwort und sie ging ins Wohnzimmer, wo sie sich jetzt auf das Sofa fallen ließ.
Erol setzte sich auf einen Sessel an das Seite und sah sie fragend an. Sie pustete aber nur seelenruhig in ihren Kaffee und machte keine Anstalten etwas zu sagen.
„Na gut, woher weißt du wo ich wohne?“, fragte er um das Gespräch endlich in Schwung zu bringen.
„Niemand ist im Internet vollkommen anonym!“
Stille.
Ihr war diese Erklärung ausreichend, aber Erol konnte damit nichts anfangen.
„Wie meinst du das?“; hakte er nach.
„Naja du hast ja schließlich bei deiner Anmeldung deinen Namen und Adresse angegeben und mit ein paar Tricks, na ja du weißt schon!“
Er wusste zwar nicht, ging aber nicht weiter auf das Thema ein.
In diesem Moment kam der Kater durch die Tür und sprang sofort aufs Sofa und auf Melindas Schoß.
„Oh ist der aber süß!!! Wie heißt er denn?“, fragte sie äußerst entzückt.
„Mistvieh!“, gab Erol schmollend zurück.
„Ach komm schon, das kann gar nicht sein richtiger Name sein!“
„Nein das ist er nicht, er heißt Giacomo. Das ist der Vorname von Casanova!“, klärte er Melinda auf.
„Also ist er ein kleiner Herzensbrecher, ja?“, säuselte sie, während sie ihn unterm Kinn kraulte.
‚Was haben die Frauen nur mit diesen Mistviechern? Erst Feo und jetzt Melinda’, dachte Erol verärgert, aber er schluckte seinen Ärger mit einem Schluck aus seiner Kaffeetasse hinunter.
„Nun erzähl mir endlich was du hier in Berlin machst. Ich habe mich zu Tode erschrocken, als dein Freund plötzlich auf dem Bildschirm war und so komische Sachen sagte wie ….“
Weiter kam er nicht denn da klickte es am Türschloss, der Kater sprang von Melindas Schoss und ein „Ich hab das Geschenk für meine Eltern vergessen“, kam aus dem Flur und eine Sekunde später stand Feo in der Tür.
......
 

Volkan72

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FeFeFeo stammelte Erol, Schweiß bedekte seine Stirn, nervös ging er auf Feo zu! Im Hintergrund saß ja noch Melinda, er dachte " Oh Gott " wie erkläre ich ihr jetzt das mit Melinda! DaDas ist Melinda fuhr er fort, Sie ist eine alte Freundin von mir. Aus der Schulzeit noch, ja Sie ist für ein paar Tage in der Stadt und dachte sich, der Schweiß wurde immer dichter auf seiner Stirn!, Sie besucht mich mal! Innerlich dachte Erol, das war es, Feo glaubt mir die Geschichte nie! Ach, Erol hat mir nie was von Dir erzählt kam es aus Feo heraus. Sie ging auf Melinda zu, kritische Blicke warf Sie ihr zu, als Sie ihr die Hand reichte! Was machst du in der Stadt, Beruflich hier? Eh, ja, antwortete ihr Melinda. Ja, ich habe ein paar Dinge zu erledigen und sah Erol dabei an! Die Schweißperlen fielen Erol an der Stirn vorbei in Richtung Mundwinkel. Er wischte sich den Schweiß mit seinem Ärmel ab. Nun gut, ich muss dann mal so langsam zu meinen Eltern erwiderte Feo und ging mit runzelnder Stirn mit dem Geschenk unterm Arm an Erol vorbei. Er sah ihr an das Sie ihm die Geschichte nicht abgenommen hatte! Die Tür schnappte hinter den beiden zu und erleichtert sank Erol auf die Couch. So, jetzt brauche ich erst einmal eine Zigarette. Er nahm sich eine aus seiner Schachtel, zündete sie an und zog kräftig an ihr. Hey, willst du mir denn keine anbieten kam es aus Melinda heraus? Doch doch, hier bitte. Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee und lehnte sich zurück. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, zog nervös an seiner Zigarette. Melinda, sagte er, du musst gehen! Du kannst nicht hier bleiben. Ich habe eh schon genug Probleme, mit Feo das bekomme ich schon hin aber du musst gehen und zwar jetzt! Melinda bestach mit ihrer coolness, ihre Blicke waren tief und stechend! Sie machte keine Anstalten zu gehen. Übrigens, der Kaffee schmeckt scheusslich, ich konnte noch nie Kaffee kochen, werde es wohl auch nie lernen. Erol wurde zunehmend nervöser, er fing an hektisch zu werden und sprang auf! Verstehst du denn nicht, der Kaffee ist mir scheiss egal, Melinda du musst gehen bevor Feo nach Hause kommt! Verdammt, wo ist der Stoff? Wo hast du den verdammten Stoff kam es aus ihm heraus? Seine Stimme wurde zunehmend lauter! Angespannt sah er Melinda an, stille! Woher weisst du von dem Stoff antwortete Melinda? Woher weisst du davon? Seufzend setzte Erol sich wieder hin, er zündete sich eine neue Zigarette an und schwieg. In was bin ich da nur reingeraten dachte er sich, Sie hat mich benutzt, ja Sie hat mich von Anfang an benutzt. Verdammt, jetzt wird mir so einiges klar. Während er so vor sich hin dachte nickte er mit dem Kopf und sah Melinda an. Du hast mich nur benutzt sprach er mit verzehrtem Gesicht! Das Telefon klingeln unterbrach Erol. Wieder stille, ring ring, ring ring, immer wieder das klingeln vom Telefon! Willst du nicht ran gehen sagte Melinda? Nervös lief Erol auf und ab. Scheiße dachte er, wer mag das sein? Nein antwortete Erol, ich bin nicht da, sei still! Es hörte auf zu klingeln und man konnte die Erleichterung in Erol`s Augen sehen. Er ging zum Fenster, zog die Gardine leicht zur Seite und sah hinunter. Hat Dich jemang gesehen als du hier hin gekommen bist? Ist Dir jemand gefolgt? Nein, nein verdammt, und wenn schon, micht kennt doch keiner hier antwortete Melinda! Gut, sprach Erol, pack deine Sachen wir verschwinden. Ich bringe Dich hier weg! Ihm fielen zahlreiche Filmszenen ein, wo es diese Situationen gab. Er dachte sich, ja so kann es gehen! Hektisch suchte er nach seinem Autoschlüssel. Wo ist er nur, stammelte er vor sich hin als es plötzlich an der Türe klingelte!
 
A

Anouk

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Joelle schreckte auf. Irgendein Geräusch hatte sie geweckt, das sie im ersten Moment nicht einordnen konnte, dazwischen mischten sich Bruchfetzen eines Traumes. Noch bevor sie ganz wach war, schrillte es wieder, und als sie begriff, worum es ging, war sie für einen Moment versucht, das Telefon einfach zu ignorieren. Stattdessen tastete sie im Dunklen nach dem Mobilteil, das außerhalb ihrer Reichweite irgendwie unter das Bett gerutscht war und beharrlich weiter lärmte, während sie bäuchlings aus dem Bett robbte und sich prompt die Fingerknöchel am Bettpfosten stieß.

"Autsch!, verdammt!... ja, hallo?!"
"Tut mir leid, wenn ich Sie geweckt habe", meldete sich eine ruhige Männerstimme, "Polizeipressestelle, Oldenburg am Apparat. Frau Mardin?"
"Ja?"
"Ich wollte nur Bescheid sagen, wir haben einen Großbrand in der Engelsgrube. Das Haus brennt in voller Ausdehnung."
Joelle war schlagartig wach.
"... welches Haus ?!"
"Mehrstöckiges Wohngebäude über einem Restaurant, Hausnummer 113, mehr kann ich zur Zeit nicht sagen."
"Menschen in Gefahr?"
"Bis jetzt zwei Tote und mehrere Verletzte. Ein Hausbewohner wird noch vermisst."
"Oh Gott... seit wann?"
"Der Notruf kam... warten Sie mal... gegen halb drei. Die Feuerwehr ist mit mehreren Löschzügen vor Ort. Einige Ihrer Kollegen wissen auch schon Bescheid. Ich fahre jetzt raus. Sie können mich über Handy erreichen."
"Danke..."

Die Nacht war mal wieder gelaufen. Joelle hätte am liebsten das Telefon gegen die Wand geworfen. Stattdessen atmete sie tief durch und versuchte sich darauf zu besinnen, wo sie am Vorabend ihre Handtasche und den Autoschlüssel abgelegt hatte. Sie schlüpfte in ihre Jeans und einen dicken Wollpullover, tappste in die Küche, füllte den Wasserkocher bis kurz unter den Rand, stellte ihn an und hielt, während das Kaffeewasser langsam zu brodeln begann, das Gesicht unter einen kalten Wasserschwall über dem Küchenbecken. Dann putzte sie hastig die Zähne.
Als der Wasserkocher sich ausschaltete, waren die Fenster in der Küche beschlagen. Joelle nahm ein Glas Instant-Kaffeepulver vom Regal, verzog das Gesicht, kippte die Hälfte des Glasinhalts in eine Thermoskanne, goss das kochend heiße Wasser darüber und schraubte die Kanne zu. Die ganze Prozedur hatte nicht länger als fünf Minuten gedauert, trotzdem war sie spät dran.

Die Küchenuhr zeigte fast drei Uhr zehn, als sie nach ihrer großen Umhängetasche griff und samt Thermoskanne zur Haustür eilte. Dann stutzte sie. Irgendetwas stimmte nicht. Oliver hätte längst zu Hause sein sollen. Aber als der Anruf von der Polizei kam, war die Betthälfte neben ihr leer gewesen. Wie so oft in letzter Zeit. Unschwer zu erraten, wo er sich herumtrieb. Joelle presste die Lippen zusammen. Wir müssen reden, dachte sie, unbedingt.

Während sie die Schuhe zuschnürte, strich ihr Grisella mit hochgerecktem Schwanz leise maunzend um die Beine. Aber Joelle hatte für die Liebesbezeugungen der grau-gestromerten Katze im Augenblick weder Zeit noch Sinn. Sie schob Grisella beiseite, öffnete die Tür, schlüpfte hindurch und zog sie rasch hinter sich zu, bevor die Katze entwischen konnte. "Ciao bella", flüsterte sie, als sie den Haustürschlüssel zweimal umdrehte. Von drinnen kam nur ein beleidigtes Maunzen.

Hoffentlich sprang das Auto wenigstens an. Es hatte zu schneien begonnen, und während Joelle hastig die Frontscheibe freikratzte, schickte sie ein Stoßgebet in den Himmel. Kurz darauf rollte sie in ihrem alten Saab die Straße hinunter Richtung B 75. Die Straßen waren noch frei, keine Menschenseele unterwegs, und die tanzenden Schneeflöckchen, die Joelle im orangefarbenen Licht der Straßenlaternen entgegen stiebten, tauchten die breite Ausfallstraße in ein unwirkliches Licht.

"... well, I've been afraid of changing, 'cause I've built my life around you..."

Stevie Nicks. Joelle summte leise mit. Der vor ihr liegende Einsatz würde vermutlich lange dauern und alles andere als lustig werden; da kam jede Ablenkung recht.
Sie hatte sich längst abgewöhnt, darüber nachzudenken, was wohl auf sie zu kam. Es war fast immer das Gleiche, irgendwie, und doch jedes Mal anders. Als Reporterin konnte man bei solchen Tragödien nichts Sinnvolles tun – nur dabei sein, beobachten, Fakten zusammentragen, alles notieren und anderntags die Story erzählen. Irgendwie bescheuert, sinnlos.
Das fiepende Handy riss sie aus ihren trüben Gedanken. Ohne den Blick von der Straße zu nehmen, wühlte Joelle mit der Rechten in der Tasche auf dem Beifahrersitz und ärgerte sich, dass sie nicht eher auf den Idee gekommen war, Carl anzurufen, den diensthabenden Fotografen. Er würde zu Recht wütend sein.

“Ja, hallo?”
“Verdammte Naht, Mädchen, wo steckst du denn - ?!”
“Beruhige dich, bin längst unterwegs”, schnappte sie mit schlechtem Gewissen zurück, “im übrigen hättest du mich ja auch anrufen können, statt es der Polizei zu überlassen.”
“Glaubst du, ich hab Zeit, dich aus dem Bett zu schmeißen? Mensch, hast du ‘ne Ahnung! Kann nur sagen: gib Gas, hier ist die Hölle los!”
“Und die anderen…”
“… alle längst da”, schnitt Carl ihr das Wort ab, “hier ist alles dicht, park die Karre gefälligst am Markt, sonst kommst du nicht durch. Bis gleich.”
Zack!, schon hatte er eingehängt.
Joelle seufzte. So sehr sie Carl schätzte: ein übellauniger Kollege war so ziemlich das Letzte, was man sich bei solchen Einsätzen wünschte.

Die schwarze Rauchsäule über der Altstadt war unübersehbar. Ein gespenstischer Anblick; in das Chaos aus zuckenden Blaulichtern von Polizei- und Rettungsfahrzeugen mischten sich gellende Martinshörner. Joelle, die Carls Rat in den Wind geschlagen und das Auto kurzerhand am Fluss abgestellt hatte, hetzte im Laufschritt quer durch die Gassen zur Engelsgrube. Ober- und unterhalb der Straße hatte die Polizei das Quartier bereits mit rot-weißen Flatterbändern abgesperrt, aber die Querstraßen waren glücklicherweise noch offen. Ein Pulk von Schaulustigen stand dichtgedrängt am Ende der Gasse und versperrte den Weg. Joelle drängte sich wortlos dazwischen und weiter voran. Den bulligen Polizeibeamten, der sich bei ihrem Anblick sofort in Bewegung setzte, nahm sie erst wahr, als er sie am Arm packte: “Wo wollen Sie hin? Gehen Sie sofort zurück hinter die Absperrung!”
“Erstens ist da noch keine Absperrung, zweitens arbeite ich hier”, erwiderte sie und kramte ihren Presseausweis aus der Jackentasche: “Ich bin vom Abendblatt, Joelle Mardin. Mein Kollege wartet auf mich. Svensson, Carl Svensson.” Der Polizist warf einen Blick auf das Foto in ihrem Ausweis, dann auf sie, wieder auf das Foto und zuckte gleichgültig die Achseln. “Ja und? Ich darf Sie hier trotzdem nicht durchlassen.”

Verdammt, das hatte gerade noch gefehlt. Ein praxisferner Sesselpupser, na toll! Joelle kramte in ihrer Tasche und zog das Handy heraus: “Sie können sehr wohl!”, fauchte sie. “Tun Sie mir einen Gefallen: Lassen Sie mich bitte durch, oder rufen Sie, falls es Sie beruhigt, Ihren Pressesprecher an. Oldenburg, der Name sagt Ihnen sicher was. Er müsste hier sein. Er hat mich angerufen. Und die Nummer ist eingespeichert, ich spendiere Ihnen sogar das Telefonat. Ich verstehe Ihren Standpunkt, das ist Ihr Job, aber lassen Sie mich jetzt durch, so schnell wie möglich.”
Der Polizist musterte sie und grinste herablassend. “Na, na, na, junge Frau, wir wollen doch nicht ungemütlich werden…”
“Oh doch!”, sagte sie. “Keine Ahnung, was Sie wollen, aber ich werde sehr ungemütlich, wenn Sie mich jetzt weiter hindern, meinem Job nachzugehen. Vielleicht überzeugt es Sie ja wenigstens, dass ich auf eigene Gefahr hier bin. Falls was passiert, zahlt ausschließlich die Presseversorgung, nicht Ihre Landes- und Pensionskasse. Falls Sie das beruhigt. Also, falls Sie jetzt telefonieren wollen…” Joelle streckte ihm ihr Handy entgegen. Er warf ihr einen irritierten Blick zu, kopfschüttelnd. Joelle unterdrückte ein Grinsen und steckte ihr Handy ein: “Fein, ich glaube, dann sind wir uns einig. Bis später.”

Bevor er irgendetwas erwidern konnte, war sie schon auf halbem Weg über die Straße. Carl kam ihr entgegen. “Na endlich!”, rief er und hieb ihr mit voller Wucht auf die Schulter, “dachte schon, das wird heute nix mehr!” Nachtragend war er nicht, das musste man ihm lassen.
“Und?”, fragte Joelle. “Hast Du schon was?”
“Massig Bilder”, sagte Carl. “Sonst noch nicht so viel. Schreib mal auf, einer der Toten heißt ??? *. So weit ich begriffen hab, ist das der Vorname. Nachnamen weiß ich nicht."

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(* Name der Leiche wird später eingesetzt, siehe Diskussion "Im Netz - Prolog" )
 

schwarze Rose

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vielleicht so....

„Man, das sieht vielleicht aus hier.“ Jeolle schaut sich entgeistert um. „Weiß man schon Näheres?“ „Keine Ahnung, Mädchen! Mach dich mal an die Arbeit.“ „Du musst mir grad sagen, was ich zu tun hab“ Jolle reagiert etwas angefressen. 'Schließlich lieben es die Herren von der Polizei auch nicht gerade, wenn sie bei der Arbeit ständig das Gleiche gefragt werden. Es reicht doch, wenn einer fragt - und ich kenn doch meinen lieben Kollegen'. Aber das sagte sie nicht laut.


Mit einem schrägen Seitenblick auf Carl machte sie sich auf den Weg Richtung Haus. Zwischen Feuerwehr und Notarztwagen standen zwei Beamte der Polizei. Einer von ihnen wandte sich Joelle zu. „Frau Mardin?“ Joelle nickte. „Guten Morgen, mein Name ist Schmidt. Ich leite hier die Ermittlungen.“ „Guten Morgen, Herr Schmidt. Schönes Schlamassel hier!“, eine kurze Kopfbewegung zum Haus genügte und der zweite Beamte verzog das Gesicht. „Waren Sie schon drin?“ „Nein. Ich bin gerade gekommen. Können Sie mir schon etwas sagen?“

Herr Schmidt grinste etwas schief: „Wir nehmen an, dass das Feuer im dritten Stock ausgebrochen ist. Diese Wohnung sieht am schlimmsten aus. Viel ist von der Einrichtung nicht übrig geblieben. Die anderen Wohnungen, na ja, das geht so, die können wahrscheinlich bald wieder bezogen werden. Um die Mieter kümmert sich jetzt erst mal das Rote Kreuz“ „Ich habe gehört, dass es Tote gegeben hat. Weiß man da schon Genaues?“ In der Wohnung im dritten Stock befanden sich zwei Personen, ein Mann und eine Frau. Beide tot. Zwischen dem Mann und der Frau hat ein Kampf stattgefunden, und zwar heftig. Möbel waren umgekippt, eine Vase lag zerbrochen am Boden. Die Frau muss dabei verletzt worden sein. Über den Mann können wir noch nichts Genaueres sagen. Erstaunlich ist nur, dass er mitten im Zimmer lag. Auf halbem Weg zum Balkon, die Balkontür war aber sperrangelweit auf. Das war auch ein Grund dafür, dass sich der Brandherd so immens schnell ausbreiten konnte. “ „Das ist wirklich seltsam. Besonderheiten?“ „Jaaaaa!“, meinte Herr Schmidt gedehnt. Der Tote hatte krampfhaft eine Reisetasche umklammert.“
„Sind die Toten die Bewohner der Wohnung?“ „Die Frau eindeutig nicht. Die Mieterin hat dunkelblonde Haare, sagen die Nachbarn. Und die Haare der Toten sind braun, soweit wir das jetzt schon nachvollziehen können.“


„Wow, Monsieur auf Abwegen!„Ich wüsste ja doch zu gerne ob, der zweite Tote wirklich der Mieter ist.“ Herr Schmidt lachte kurz: „Ja, das wüssten wir auch gerne. Unsere Arbeit würde es sehr erleichtern. Leider hatte er aber keine Papiere bei sich.“ „Wenn er dort wohnt, braucht er das ja auch nicht.“ „Da haben sie zweifellos Recht.“

Joelle schaute zum Haus. „Kann ich da rein?“
„Das würde ich Ihnen nicht empfehlen. Das Treppenhaus war holzverschalt. Die Balken glimmen teilweise noch und brechen zu Boden.“

„Wissen Sie schon, wie das Feuer ausgebrochen ist? Brandstiftung vielleicht? Die Frau, die sich an ihrem Mann rächen wollte?“ Herr Schmidt lachte: „ Ich glaube, sie lesen zu viele Krimis in ihrer Freizeit. Aber die Feuerwehrleute haben vielleicht etwas entdeckt. Sie können gerne….“

„Martin, Martin, komm doch mal bitte her. Ich glaube, wir haben etwas entdeckt.“ Einer der Feuerwehrleute kam schnellen Schrittes auf Herrn Schmidt zu. Dieser wandte sich mit einem „Entschuldigung, sie sehen, ich muss“ an Joelle, gab ihr Hand und verschwand in Richtung Haus.

Joelle schaute den Männern hinterher. Mittlerweile begann es zu dämmern und das ganze Ausmaß des Brandes wurde langsam erkennbar. Wenn das Brandstiftung war, dann hat hier einer einer ganze Arbeit geleistet, ging es Joelle durch den Kopf.

Gerade überlegte sie noch, wie sie weitere Informationen erhalten könne, da sah sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Mann stehen, der unverwandt auf das Haus starrte.


'Er hat so was südländisches", dachte Joelle 'aber irgendwie, ich weiß nicht. Irgendwie wirkt er komisch.'
 
M

mar

Guest
AW: Im Netz - DER TEXT

Der Mann steht seit langer Zeit und starrte auf die andere Straßenseite...
 
S

sdost

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AW: Im Netz - DER TEXT

Erol fror erbärmlich und kämpfte mit den Tränen. Er stand schon eine halbe Stunde vor dem abgebrannten Haus und starrte wie hypnotisiert auf die Brandruine. Wie hatte es nur so weit kommen können? Melinda hatte damals verärgert ihre Sachen genommen und war schneller verschwunden als er gucken konnte. Erst viel später hatte er realisiert, dass sie seine Hilfe brauchte und deshalb bei ihm aufgetaucht war. Da war es aber schon zu spät. Verzweifelt hatte er über das Internet versucht Kontakt zu ihr aufzunehmen. Dann kam ein Brief mit dem Absender einer Adresse in Lübeck. Erol ahnte, dass er von Melinda kam und verzog sich mit dem Brief ins Räucherstübchen um ihn ungestört lesen zu können. Das war vor drei Wochen gewesen. Das Verhältnis zu Feo hatte sich einigermaßen wieder eingerenkt und das auch nur, weil er sich richtig ins Zeug geworfen und von seiner besten Seite präsentiert hatte. Natürlich hatte sie etwas bemerkt und ließ seine Fürsorge eher belustigt über sich ergehen. Allerdings hatte sie auch gespürt, dass ihn etwas bedrückte, das er mit seinen Gedanken oft woanders war. Als sie es dann nicht mehr ertragen konnte, ihn leiden zu sehen, bat sie ihn darum alles zu erzählen. Erst stockend, dann beinahe atemlos berichtete er von Melinda und wie sich ihr Kennen lernen abgespielt hatte und das scheinbar Drogen im Spiel waren. Feo wollte nicht glauben, was sie da hörte. In welche Situation war ihr Erol eigentlich rein geraten? Böse konnte sie ihm nicht sein, denn er war nur noch ein Häufchen Elend. Dann gab er ihr noch den Brief von Melinda und sie las mit wachsender Besorgnis die handgeschriebenen Zeilen der Frau, die sie nur kurz begrüßt und schon auf den ersten Blick für unsympathisch gehalten hatte.
„Lieber Eroll. Es tut mir sehr leid, dich einfach so überfallen zu haben aber ich war auf Koks und ziemlich überkandidelt. Ich wusste nicht, dass du mit einer Frau zusammenlebst und wollte dich nicht in Schwierigkeiten bringen. Inzwischen weiß ich, wie dumm und naiv ich mich benommen habe. Ich habe keinen anderen Ausweg mehr gewusst und dachte mich bei dir verstecken zu können. Der Albaner ist mir auf die Schliche gekommen. Ich habe seinen Kokainvorrat verkauft und wollte mich in die Türkei absetzen. Dumm wie ich bin, dachte ich an eine gemeinsame Zukunft mit dir in Antalya. Ich war so froh im Internet unter all den Durchgeknallten wenigstens einen vernünftigen Mann erwischt zu haben. Nachdem du mich aus deiner Wohnung geworfen hast, bin ich wieder nach Lübeck zurückgefahren und habe vor, die Sache mit dem Albaner zu regeln. Das meiste Geld habe ich ja noch und den Rest werde ich in Raten abstottern. Unter anderen Umständen hätte vielleicht etwas aus uns werden können. Es grüßt Melinda“
Feo hatte den Brief entgeistert aus den Händen gelegt und Erol fragend angesehen. Er hatte aber nur mit den Schultern gezuckt und von einer völlig bekloppten Idee gesprochen. Es sollte nur eine kleine Affäre bleiben und am liebsten virtuell. Inzwischen wusste er selbst nicht mehr welcher Teufel ihn da geritten hatte. Trotz Aussprache war Erol seltsam unruhig geblieben. Auch wenn er sich zwang Melinda zu vergessen, es gelang ihm nicht. Er hatte Schuldgefühle und wenn er richtig lag, war der Typ, der nach den Drogen gefragt hatte, der Albaner. Instinktiv ahnte Erol, dass Melinda in Gefahr schwebte. Feo riet ihm schließlich mit Melinda eine letzte Aussprache zu führen und dazu waren beide nach Lübeck gefahren. Feo bummelte über den Weihnachtsmarkt und Erol war in die Engelsgrube gefahren und wurde mit dem brennenden Haus konfrontiert. Wie lange er dort wie angewurzelt stand, wusste er nicht einmal zu sagen. Die Kälte zwang ihn schließlich zu gehen doch dann wurde Erol aus seinen Gedanken gerissen. „Darf ich fragen was sie hier machen, wer sie sind?“ Joelle Mardin war neugierig geworden und ihr journalistisches Gespür hatte sie Erol ansprechen lassen. Dieser sah Joelle mit großen Augen an.
„Sind sie von der Polizei?“
„Nein, Presse. Abendblatt.“
„Weiß man schon was passiert ist?“
„Warum interessieren sie sich so für das Haus, kennen sie die Leute, die dort wohnen?“

„Ist das die Wohnung von Melinda?“ Merkwürdig, er hatte doch glatt Melindas Nachnamen vergessen.
„Melinda Mrozek?“ half Joelle nach.
„Ja, so heißt sie wohl. Ist das ihre Wohnung da oben?“
„Sind sie mit der Dame bekannt?“
„Ja, das bin ich. Ich wollte sie besuchen und nun das.“
„Es gibt zwei Leichen. Einen Mann und eine Frau. Sie sollten aber besser mit der Kripo sprechen. Das sieht sehr nach Brandstiftung aus.“
„Brandstiftung?“
„Genaueres wird man wohl erst nach der Obduktion sagen können.“
„Albaner“ murmelte Erol vor sich hin. Joelle wurde hellhörig. „Sagten sie eben Albaner?“
„Nun ja…….“
„Was wissen sie von diesem Albaner?“
„Nichts, oder besser nicht viel.“
„Kennen sie seinen Namen?“
„Nein, nur dass er Albaner ist.“
„Das wäre ein Volltreffer. Ich arbeite schon lange an einer Story über ihn. Der Albaner ist eine ganz große Nummer hier in Norddeutschland“ (und meine Eintrittskarte in den ganz großen Journalismus) letzteres dachte sie nur und sie hatte sich zu sehr auf den Gedanken fixiert mit einer Story über die Unterweltgröße Albaner nach Hamburg gehen zu können. Stern oder gar Spiegel waren noch immer Adressen die zogen.
 
S

sdost

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AW: Im Netz - DER TEXT

Joelle Mardin bemerkte, dass Erol fror und schlug vor sich in einem nahe gelegenen Lokal aufzuwärmen. Erol stimmte zu und beide machten sich auf den Weg. Im Lokal selbst war nicht viel los und Joelle bestellte zwei Mal Frühstück. Sie setzten sich an einen Tisch in der Ecke.
„Ich will sie nicht nerven aber es wäre schon sehr wichtig für mich zu erfahren, was sie über den Albaner wissen.“
Joell sah Erol eindringlich an. Dieser hatte sich inzwischen wieder gefangen und sagte Joelle zu ihr alles zu erzählen aber erst, wenn sie ihrerseits Infos über den Albaner preisgab. Joelle Mardin wusste, dass es im Leben nichts umsonst gab und begann zu erzählen. Trieb die Spannung aber damit auf die Spitze, dass sie Erol das Versprechen abrang, mit niemandem darüber zu reden, was sie ihm erzählen würde.
„Natürlich gibt es in Lübeck mehr als nur den einen Albaner. Da man seinen Namen aber schwer aussprechen kann, heißt er bei allen relevanten Stellen nur „der Albaner“. Er kam vor gut 15 Jahren nach Deutschland und kam bei Verwandten in Hamburg unter. Zwei seiner Cousins betreiben dort ein Lokal und haben ihn als Rausschmeißer beschäftigt. Er war schon als junger Mann extrem skrupellos und hatte schon bald einen entsprechenden Ruf im Kiez. Er trieb Schulden ein und machte das derart erfolgreich, dass auch andere Leute kamen und ihm hohe Provisionen zahlten. So kam er zu Geld, kaufte sich bald selbst ein Lokal und hatte überall seine Finger drin, womit man schnelles Geld machen kann. Nachweisen konnte man ihm nie etwas aber das bedeutet ja nichts. In Hamburg wurde es der Familie zu eng, man kam sich gegenseitig in die Quere und so ging er nach Lübeck. Alle, die Lübeck für ein verträumtes Städtchen halten, kennen die Statistiken nicht. Pro Tausend Einwohner gibt es hier mehr Morde als in Berlin, man soll es nicht für möglich halten aber es ist so. Schnell verdrängte er die alteingesessenen Luden, betreibt seit rund 10 Jahren ein Etablissement in der Untertrave und betätigt sich offiziell als guter Bürger der Stadt. Er ist in einem halben Dutzend karitativen Einrichtungen Mitglied, zahlt für alle guten Zwecke und hat so eine gute Presse. Nach außen ist er ein erfolgreicher Geschäftsmann mit ordentlich angemeldeten Firmen. Für die Drecksarbeit hat er seine Leute und so kann ihm niemand eine Verbindung ins Milieu nachweisen. Drogen, Menschenhandel, Förderung der Prostitution, Erpressung und, und, und. Als Journalistin schrieb ich in für unsere Zeitung entsprechende Artikel ohne den Albaner zu erwähnen. Eines Tages kam Melinda auf mich zu und fragte, ob ich Interesse an Infos über den Albaner habe. Sie würde mir hieb und stichfeste Beweise liefern, natürlich gegen Bares. So kam unser Deal zustande. Melinda war die Ehefrau des Albaners und ich wunderte mich schon, warum sie gegen ihn arbeitete. Sie erzählte mir, dass er eine deutlich jüngere Frau heiraten und sich von Melinda scheiden lassen würde. Rache also. Was auch immer passiert ist, der Albaner scheint Wind von der Sache bekommen zu haben und nun hat Melinda ihre Quittung bekommen.“
Das Frühstück wurde serviert und Joelle nahm einen tiefen Schluck Kaffee zu sich.
Erol sah sie fragend an: „Die Infos, haben sie die bekommen?“
„Nein, leider nicht. Dazu ist es nicht gekommen.“
In diesem Moment klingelte ihr Handy, auch wenn es Erol gegenüber unhöflich war, nahm sie das Gespräch entgegen.
„Das war eine Bekannte von Melinda, sie sagt, dass sie mit mir reden muss. Wir treffen uns in einer Stunde. Wie kann ich sie erreichen?“
Erol schob ihr seine Visitenkarte zu
 
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