arbeitgeberzeugnisse

TheCore

Moderator
AW: arbeitgeberzeugnisse

Diesbezüglich könnte die Gesellschaft ohne weiteres mehrheitlich via Gesetz entscheiden, die Rechtsposition des AN zu stärken und die Vorlage eines AN-Zeugnis im Regelfall zu untersagen- sofern die Gesellschaft mehrheitlich ein Interesse daran hat. Juristisch wäre das kein Problem oder glaubst Du, ein entsprechendes Gesetz verstiesse gegen das Grundgesetz?

Persönlich würde ich sagen, generell ja. Nur erfahrungsgemäß haben die zahlreichen politischen Schutzagenda in Deutschland (Arbeitnehmerschutz, Verbraucherschutz, Diskriminierungsschutz, zivilrechtlicher Minderjährigenschutz etc.) auch das Potenzial, solche Abwägungen maßgeblich zu beeinflussen - aus meiner Sicht eben auch negativ, über das verfassungsrechtlich Zulässige hinaus.

Aktuelles Beispiel ist der neue Arbeitnehmerdatenschutz, der einem Arbeitgeber nur aufgrund seiner Funktion den Zugang zu Informationen verwehrt, die ein Arbeitnehmer in sozialen Netzwerken über sich veröffentlicht. In der Praxis höchst unbestimmt (welche Netzwerke sind "privat", obwohl alle faktisch öffentlich sind?) wird da die Informationsfreiheit des Arbeitgebers eingeschränkt, ohne dass dies irgendwas mit dem ursprünglichen Datenschutzgedanken des Volkszählungsurteils zu tun hat (Die Daten sind nun mal an die Öffentlichkeit des Internets "preisgegeben". Der Gesetzgeber hat dies nicht mehr zu selektieren). Verfassungsbeschwerden werden schon diskutiert, aber wohl nicht getestet, weil die Regelung andererseits einfach zu leicht missachtet werden kann.

Von daher wäre es "faktisch-rechtlich" sicher möglich, Arbeitgebern das Einfordern eines Zeugnisses zu untersagen. Wenn das aber nicht leicht zu unterlaufen sein soll, müsste man ja auch den Bewerbern das Einreichen verbieten. Andernfalls wäre es Usus sich durch Zeugnisse bei der Bewerbung zu verbessern, und wer von seinem Recht Gebrauch macht, wäre benachteiligt. Das hätte eine gewisse Streubreite, denn sonst wird das positive Arbeitszeugnis eben nicht mehr als Zeugnis, sondern als Empfehlungsschreiben eingereicht.
Durch Diskriminierungsschutz könnte man sowas grundsätzlich auffangen; ähnlich wie bei den unzulässigen Fragen im Bewerbungsgespräch, die man natürlich beantworten darf, aber die für den Arbeitgeber dann nicht ausschlaggebend sein dürfen. Nur bei dem viel verbreiteteren Interesse an Arbeitszeugnissen wäre es in der Masse praktisch aussichtslos, sich mit den entsprechenden Beweisschwierigkeiten auf dem Umweg gegen die Arbeitgeberentscheidung effektiv zu wehren.
Wenn es also eine harte Regelung gegen alle Beteiligten bräuchte, dann wäre die hinsichtlich der Einschränkung der Freiheit des Bewerbers über seine Darstellung sicher auch nach allgemeiner Auffassung nicht tragbar.
 
P

pauline09

Guest
AW: arbeitgeberzeugnisse

Wenn es also eine harte Regelung gegen alle Beteiligten bräuchte, dann wäre die hinsichtlich der Einschränkung der Freiheit des Bewerbers über seine Darstellung sicher auch nach allgemeiner Auffassung nicht tragbar.

Richtig, beispielsweise mir würde es überhaupt nicht passen, meine Arbeitszeugnisse und Beurteilungen nicht mehr einreichen zu dürfen, weil andere es vorziehen, ein Geheimnis daraus zu machen, wie sie von vorherigen Arbeitgebern beurteilt wurden. Und umgekehrt: wäre ich Arbeitgeberin oder Personalerin, würde ich mich bedanken, sämtliche Bewerber erstmal persönlich checken zu müssen, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Okay, mit Zeugnissen usw. wird gelegentlich Schindluder getrieben, daher sind Einwände einsehbar, aber dass die Draufsicht von Dritten bei einer Vorauswahl hilfreich sein kann, und sei sie schriftlich noch so formelhaft, ist doch wohl unbestreitbar.
 
P

Pit 63

Guest
AW: arbeitgeberzeugnisse

Nach juristischer Lesart wird das Arbeitszeugnis als Recht des AN und Pflicht des AG beschrieben.
Tatsächlich wird die Vorlage des Zeugnis von denjenigen, die sich aufgrund des Zeugnis keinen nennenswerten Vorteil versprechen wohl eher als Informationszwang angesehen.

Der soziale Stellenwert und Einfluss des Wettbewerbsgedankens auf Mensch und Gesellschaft ist ein "riesiges" Thema, dass in diesem Zusammenhang kritisch beleuchtet werden könnte. Abgesehen davon empfinde ich persönlich die Vorlagepflicht des AN tendenziell als ein Verhältnis von Über- und Unterordnung zwischen AG und AN. Es ist irgendwie ein bischen demütigend, dass der AG gegenüber dem AG "Zeugnis ablegen" muss. Je nach persönlichem Verhältnis zwischen AG und AN, kann das Zeugnis auch einen falschen Eindruck vermitteln.
Da die Abschaffung der Vorlagepflicht aus den von The Core genannten Gründen verfassungsrechtlich wahrscheinlich keinen Bestand hätte, käme aber als Alternative nur noch die generelle Abschaffung der Zeugnistradition in Betracht.

In den meisten anderen Ländern gibt es bspw. statt Arbeitszeugnis eine Stellenbeschreibung und ev. zusätzliche Empfehlungen. Ob das letztlich besser ist, kann natürlich auch bezweifelt werden. Vordergründig hinterlässt es bei mir in sozialpsychologischer Hinsicht zumindest einen besseren Eindruck.


 

atrop

Member
AW: arbeitgeberzeugnisse

Auf Deine Kritik an der parlamentarischen Gesellschaftsordnung einzugehen, würde hier zu weit führen. Dafür wäre ein gesonderter thread empfehlenswert.

Nope, es ging mir darum nicht die parlamentarische Voraussetzungen für eine rechtliche Entscheidung zu hinterfragen, sondern ob es noch einer Möglichkeit nahe steht, dass eine Gesellschaft aus einer objektiven JETZIGEN Sicht noch das Recht besäße etwas (hier: betreffend das Arbeitsniveau durch Zeugnisse oder Bescheinigungen, die einen auf dem Arbeitsmarkt voranbringen könnten) zu entscheiden... Denn ich glaube kaum, dass Proletariat seine Rechtsposition als AN stärken kann. Selbst Streiks werden von den AG´n verfolgt um eine kleine Lücke beim AN zu finden um ihn zu kündigen. Gehst du nicht zum Streik auch wenn du nicht Mitglied bist, bleibst du auf deinem verrotteten Gehalt sitzen, machst du da mit, findet dein Chef einen neuen...
 
F

~FiNi~

Guest
AW: arbeitgeberzeugnisse

Richtig, beispielsweise mir würde es überhaupt nicht passen, meine Arbeitszeugnisse und Beurteilungen nicht mehr einreichen zu dürfen, weil andere es vorziehen, ein Geheimnis daraus zu machen, wie sie von vorherigen Arbeitgebern beurteilt wurden.

es geht ja nicht darum ein geheimnis daraus zu machen, sondern um das beurteilt werden als solches..

findest du es echt gut wenn dich andere, meist doch recht fremde, menschen beurteilen?
ein urteil über dich fällen?

ich möchte das für mich nicht, weder beurteilt werden noch habe ich das bedürfnis über andere menschen zu urteilen..
 
P

pauline09

Guest
AW: arbeitgeberzeugnisse

es geht ja nicht darum ein geheimnis daraus zu machen, sondern um das beurteilt werden als solches..

findest du es echt gut wenn dich andere, meist doch recht fremde, menschen beurteilen?
ein urteil über dich fällen?

Das passiert doch so oder so. Natürlich auch in privaten Zusammenhängen, ob's einem persönlich gefällt oder nicht. Insofern halte ich es für unrealistisch davon auszugehen, dass das ausgerechnet im Beruf nicht passieren soll - ganz mal abgesehen davon, dass ich jemandem, der mich gegen Geld einstellt und Arbeitgeberzuschüsse bis hin zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall trägt, selbstverständlich das Recht zubillige, meine (Gegen-) Leistungen zu beurteilen.

ich möchte das für mich nicht, weder beurteilt werden noch habe ich das bedürfnis über andere menschen zu urteilen..

Dann mach' Dich selbständig, das wäre ein Ausweg - zumindest was Arbeitszeugnisse betrifft. ;) Ansonsten wird deine Leistung da auch beurteilt und bewertet, und zwar von Auftraggebern, die einen entweder wieder anheuern oder auch nicht.
 
F

~FiNi~

Guest
AW: arbeitgeberzeugnisse

Das passiert doch so oder so. Natürlich auch in privaten Zusammenhängen, ob's einem persönlich gefällt oder nicht. Insofern halte ich es für unrealistisch davon auszugehen, dass das ausgerechnet im Beruf nicht passieren soll - ganz mal abgesehen davon, dass ich jemandem, der mich gegen Geld einstellt und Arbeitgeberzuschüsse bis hin zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall trägt, selbstverständlich das Recht zubillige, meine (Gegen-) Leistungen zu beurteilen.



Dann mach' Dich selbständig, das wäre ein Ausweg. ;)

wieso wird der der geld gibt höher bewertet als der der arbeitsleistung gibt?
ausserdem ist doch heutzutage das kündigungsrecht sowas von durchgeweicht, das jeder arbeitgeber schnell die möglichkeit hat jemanden wieder loszuwerden.
(ps..wenn ich die ganze kohle man hätte die mir arbeitgeber schulden, bräuchte ich mir keinen kopf zu machen..soviel dazu, das ich kraft gegeben und keine kohle bekommen habe..)

ich bin derzeit im status selbstständig, allerdings nur als job um vor der dämlichen arge meine ruhe zu haben..der nebenjob bringt derzeit nicht mal die kohle für die krankenversicherung ein.
aber lieber meine nerven schonen ( arge) und gesund dabei bleiben, als mich in dem saftladen schwarz zu ärgern..

ausserdem...ich bin tatsächlich nicht wirklich gerne selbstständig, mir liegen diese ganzen bürokratischen dinge nicht, die würde ich gerne einem arbeitgeber überlassen..

ps..wenn mich kunden nicht wieder anheuern, schreiben die trotzdem nicht gleich ein zeugnis ;-)...
 
P

pauline09

Guest
AW: arbeitgeberzeugnisse

wieso wird der der geld gibt höher bewertet als der der arbeitsleistung gibt?

Wird doch gar nicht. Zumindest meiner Meinung nach nicht, auch wenn ich mit der Ansicht hier vermutlich allein stehen dürfte.

ich bin derzeit im status selbstständig, allerdings nur als job um vor der dämlichen arge meine ruhe zu haben..der nebenjob bringt derzeit nicht mal die kohle für die krankenversicherung ein.
aber lieber meine nerven schonen ( arge) und gesund dabei bleiben, als mich in dem saftladen schwarz zu ärgern..

ausserdem...ich bin tatsächlich nicht wirklich gerne selbstständig, mir liegen diese ganzen bürokratischen dinge nicht, die würde ich gerne einem arbeitgeber überlassen..

Ist auch wesentlich bequemer, das Bürokratiegedöns ist echt total abtörnend.. muss aber leider sein, sonst kommt man hinten und vorn nicht auf die Füße. Aber es gibt auch Leute, die einem (gegen Bezahlung, versteht sich) eine geordnete Buchhaltung als Dienstleisterservice abnehmen. Oder man beißt sich da durch und lernt es einfach. ;)

ps..wenn mich kunden nicht wieder anheuern, schreiben die trotzdem nicht gleich ein zeugnis ;-)...

Nee, das nicht, aber dann fehlt in Zukunft deren Geld auf dem Konto, und das ist ganz schlecht. Und: schlechte Mundpropaganda kann man sich auch nicht leisten, und manche Branchen sind wirklich klein. Baust du Mist, spricht sich das garantiert früher oder später rum, weil ja auch viel über informelle Empfehlungen läuft. Insofern kommt man aus der Beurteilungsfalle nicht raus, egal, wie du's anstellen willst. :lol::wink:
 
F

~FiNi~

Guest
AW: arbeitgeberzeugnisse

gute mundpropaganda hat mich in meiner branche früher auch nicht weitergebracht..
ich kann echt von mir sagen, das ich eine sehr sehr gute kundenbindung über die jahre hatte..glaub man nicht das da deswegen großartige empfehlungen ausgesprochen wurden.


aber wir schweifen ab..;-)

denn da werde ich mich schon irgendwie und irgendwann durchwurschteln..falls ich nicht vorher wieder die taschen packe und mich mal ein paar jahre auf den weg durch die welt mache..mal sehen.

jetzt mal als beispiel..ich käme tatsächlich auf die idee, so als tagelöhner durchs leben zu ziehen, da hätte ich dann auch keine zeugnisse..
müsste aber beweisen (mir) das ich belastbar, flexibel, etc bin..

trotzdem würde jeder arbeitgeber später die nase rümpfen, weil ich ja "zeugnisfrei" in dieser zeit wäre..


da könnte ich noch so gut durchs leben kommen, mit meiner hände arbeit, für nen anständigen job in deutschland wäre das wohl nicht genug.


aber tatsächlich stört mich am meisten, das sich andere menschen über mich erheben wollen indem sie mir zeugnisse ausstellen...
 
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