Bukalemun - Die Geschichte vom Chamäleon

Bukalemun

Well-Known Member
Ich versuche heute noch weiterzuschreiben, aber es fällt mir gerade sehr schwer. Parallel zum schreiben lese ich mich gerade von vorne durch Tausende von Nachrichten und durchlebe das alles irgendwie nochmal. Es ist alles so skurril, wenn man es mit einigem Abstand betrachtet. Und um die Geschichte nachvollziehbar zu machen, muss ich es ja so schreiben, wie ich es damals empfunden habe. Das hab ich sehr unterschätzt.

Tut mir also leid, wenn ich öfter Pause machen muss als geplant.
 

Gizelle

Well-Known Member
Ich versuche heute noch weiterzuschreiben, aber es fällt mir gerade sehr schwer. Parallel zum schreiben lese ich mich gerade von vorne durch Tausende von Nachrichten und durchlebe das alles irgendwie nochmal. Es ist alles so skurril, wenn man es mit einigem Abstand betrachtet. Und um die Geschichte nachvollziehbar zu machen, muss ich es ja so schreiben, wie ich es damals empfunden habe. Das hab ich sehr unterschätzt.

Tut mir also leid, wenn ich öfter Pause machen muss als geplant.

Ganz ehrlich, als ich den Thread sah, dachte ich warum tut sie sich das an....aber Du hast schon recht, die dadurch gewonnene Selbstreflexion und das Erkennen der eigenen Rolle bringt einen wahrscheinlich weiter. Und dann hat es doch wieder was Gutes.
 

Bukalemun

Well-Known Member
Kapitel 4

Spät abends war Mel immer allein. Daniel lag in seinem Bett und als alleinerziehende Mutter hat man weder die Zeit noch die finanziellen Mittel für regelmäßige „Abend-Aktivitäten“. Anderen Müttern in ihrem Umfeld -egal ob allein oder verheiratet- ging es nicht viel anders. Oft telefonierte Mel mit ihren Freundinnen, wochenlang, bevor sie sich mal treffen konnten auf einen Kaffee oder eine Zigarette. So war sie abends immer froh, wenn ein facebook-Kontakt online war und sie anschrieb. Immer häufiger war es Yasin. Es war die Erinnerung an sein offenes Lachen und seine verbindliche, aber lustige Art, die ihn für Mel zu einem guten Freund werden ließ. Und immer fragte er auch nach seinem kleinen Freund Daniel. Die beiden mochten sich wirklich sehr und natürlich traf diese Freundschaft eine alleinerziehende Mutter mitten ins Herz. Fast jeden 2. oder 3. Tag chatteten sie, sobald Yasin in seiner Hotel-Mitarbeiter-Unterkunft ankam. Und immer, bis er sagte: „Elif ist online, ich muss gehen!“ Oft fuhr er auch noch spät nachts zu seiner Freundin. Er sprach immer gut über sie und lobte das unerschütterliche Vertrauen, das sie zueinander hätten. Yasins nette Worte waren kein Betrug an Elif, fanden er und Mel. Die Themen waren auch zu „unromantisch“, als das man sich hätte darüber verlieben können.

Eines Abends änderte sich allerdings der Beziehungsstatus von Yasins facebook-Profil von „In einer Beziehung“ zu „Single“. Jede Menge Freunde von Yasin kommentierten die Meldung, Mels Google-Übersetzung warf alle Varianten von „Kopf hoch“ und „Gehst Du am Sonntag mit Raki trinken?“ bis hin zu „Schade, was ist passiert?“ aus. Auch Mel fragte sich, warum die beiden sich getrennt haben, bevorzugte aber eine persönliche Nachricht für diese Frage.
„It is a long story“ sagte er. Sie bestand nicht darauf, dass er sie ihr erzählte. Sie wusste nicht viel über die beiden, also konnte sie sich so oder so kein eigenes Urteil bilden. Er sagte lediglich, dass es für ihn aus sei und sie auch nicht mehr miteinander sprechen. Das war alles, was Mel darüber erfuhr. Zwei Wochen lang schrieben sie sich nicht und Mel ging davon aus, dass Yasin mehr arbeitete oder einfach keine Lust dazu hatte, mit einer Frau zu sprechen. Sie hoffte für ihn, er könne sein Single-Leben genießen und es sich unter türkischer Sonne gutgehen lassen.

Als er sich wieder meldete, befand er sich gerade bei seiner Familie. Es war Ende des Sommers und er fuhr, wie er erzählte, nach Ende der Hauptsaison und vor Beginn des neuen Semesters immer zu seiner Familie an die Schwarzmeerküste. Dort verbrachte er Zeit mit seinen Geschwistern, die Verwandten kamen vorbei um den seltenen Gast zu sehen und gemeinsam in den Park zu fahren und dort zu grillen. Mit seinen besten Freunden traf er sich abends an der Strand-Promenade oder im Cafe, sie tranken und rauchten dort bis zum Morgengrauen – und seine Mutter kochte seine Lieblings-Speisen, wenn er endlich aufstand. „Wie alt bist du eigentlich?“ fragte Mel. Anhand seiner Erzählungen, wie er sich zuhause verhielt, dämmerte ihr allmählich, dass Yasin wohl wesentlich jünger war als die Ende 20, für die sie ihn hielt. „21“ antwortete er. Das waren fast 10 Jahre Altersunterschied. „But I have friends 35 years old. My friends tell me I am not a boy like 21, I can be like 35 maybe.“ Freundlich wieß Mel ihn darauf hin, sie sei aber eine Frau- und da spielte es wohl eine Rolle, ob man sich mit jemandem im gleichen Alter unterhielt (während man vielleicht in einer Bar auch könne als Mann mit wesentlich älteren Männern unterhalten). „I have many female friends in my life“ sagte er „and they don't believe that I am only 21. I can be Bukalemun.“

„Bukalemun?“ fragte sie. „Yes, an animal that can make his color change. Like in grass, it can be green, on stone it is grey.“ Aha, Chamäleon also. Mel fühlte sich unwohl bei dem Gedanken, wochenlang mit einem solch jungen Hüpfer gesprochen zu haben. Es war gut, dass sie sich nicht über sehr private Dinge unterhielten bisher – und dass er nicht mit ihr flirtete. Spätestens jetzt hätte sie mögliche Schmeichelein in Frage gestellt. Aber so war für sie das Alter zwar überraschend, aber kein Grund, die Gespräche einzustellen oder gar abzubrechen. So war es nur folgerichtig, dass der Kontakt je länger, je intensiver wurde. Als Mel sich einen neuen Laptop kaufte, war Yasin der erste, mit dem sie die Kamera testen wollte.

Er war durchaus attraktiv, seine Zahnlücke vorne fand Mel charmant. Er war ein sportlich gekleideter junger Mann, der, seiner Wohnung nach zu urteilen, viel Wert auf Ordnung legte. Als sie das erste Mal miteinander Videochatteten, sah Mel auch Yasins Kollegen Serdar wieder, der fröhlich sein akzentfreies „Wie geht’s Dir, was machst Du?“ in die Kamera warf. Yasin verscheuchte ihn lachend und strahlte jedes Mal ununterbrochen, wenn Mel online war. Sie mochte, wie er mit dem ganzen Körper sprach, hektisch mit den Händen fuchtelte wenn er etwas erklärte und seine Gesichtsausdrücke, wenn er überrascht, schockiert oder belustigt war, wenn sie ihm von ihrem Tag erzählte oder davon, was Daniel in der Schule angestellt hatte. Sie sprachen über ihre Familien und Freunde, stellten sich gegenseitig Fragen zu verschiedenen Fotos in ihren facebook-Profilen und kannten bald große Teile ihrer Lebensgeschichten. Als es zu dem Punkt kam, das Mel ihm zum ersten Mal von ihrem psychopathischen Ex-Freund erzählte, reagierte Yasin, als ob er live dabei gewesen wäre an dem tragischen Abend, als der Ex versuchte, Mel umzubringen. Er konnte sehr gut zuhören, stellte die richtigen Fragen und verstand offenbar, warum diese Episode in ihrem Leben sie noch immer täglich belastete und warum Mel seither nicht mehr gerne das Haus verließ und unter Leute ging.

Sie selbst merkte, dass es von großem Vorteil war, dass zwischen ihr und Yasin über 3000km Entfernung lagen. Zwar hätte sie sich an diesem Abend gewünscht, er wäre da um sie in den Arm zu nehmen – aber auf der anderen Seite wusste sich nicht, ob sie so viel Nähe im Alltag ertragen könnte. Sie schuf sich mit Yasin einen virtuellen Alltag, in dem sie täglich sprachen, gemeinsam (oder sollte man sagen: zeitgleich) online Filme schauten und „zusammen auf der Couch“ oder später auch im Bett lagen, den Laptop neben sich, und täglich zwischen 3 und 6 Stunden lang über alles mögliche sprachen. Sobald Daniel im Bett war, war Videochat mit Yasin angesagt. Selbst wenn er ausging mit Freunden, sprach er von deren Wohnung aus noch kurz (also weniger als eine Stunde) mit Mel, seine Freunde winkend im Hintergrund. Und so manches Mal kam er früher als versprochen nach Hause, „weil er sie so vermisste“. Mels Bauch war voller Schmetterlinge, wenn Yasin im Kamerafenster erschien. Nie hätte sie gedacht, dass sie sich jemals auf so große Distanz so hingezogen zu jemandem fühlen könnte wie zu diesem Mann. Der Gedanke daran, ihm irgendwann sagen zu müssen, dass sie es wohl finanziell nicht stemmen könnte, in der nächsten Hauptsaison wieder in die Türkei zu fliegen, zerfraß sie. Und wenn sie es nicht könnte – warum sollten sie den Kontakt aufrecht erhalten? War nicht all das Schöne, das sie hatten, im Endeffekt sinnlos, wenn man sich nicht bald wiedersehen könnte?
 

Bukalemun

Well-Known Member
Ich habe vergessen zu erwähnen, dass Yasin schon ziemlich zu Beginn der Unterhaltung von mir erfuhr, dass ich für jemand anderen aus dem Hotel schwärmte. Ich habe ihm später auch gesagt, für wen, aber dass er meiner Meinung nach nur scharf war auf Geld das ich nicht habe und ich ihn deshalb relativ früh abgehakt hatte. Die zwei hatten, soviel ich weiß, keinen Kontakt. Das Hotel ist sehr groß, entsprechend viele Mitarbeiter und wie überall sind die verschiedenen Abteilungen oft nicht gut aufeinander zu sprechen. Im Nachhinein betrachtet ist es natürlich möglich, dass sie sich irgendwann einmal über mich unterhalten haben. Aber bei dem Verschleiß, den Serkan hatte, wird er wohl kaum groß angegeben haben damit, dass er mich nur geküsst hat. Das allerdings ist Frauenlogik. Kann auch sein, er hat ihm gesagt er hätte mich rumbekommen oder was auch immer... Ich will's gar nicht wissen.

Im Übrigen wohnt Serkan heute mit seiner deutschen Freundin in der Region Berlin zusammen, allerdings weiß ich nicht, wie das ohne Trauschein bei den beiden funktioniert. Interessiert mich auch nicht, allerdings tut die Frau mir leid denn er ist definitiv ein Beznesser, der für Geld alles tut.

Wenn Fragen sind, fragt drauf los, bevor ich trotz Unklarheiten einfach weiterschreibe.
 

Sophia2

Well-Known Member
Wie ging es denn weiter?
Spannend.
Und woher weisst Du, dass Serkan ohne Trauschein mit deutscher Freundin in Berlin lebt?
 

Bukalemun

Well-Known Member
Ich schreibe demnächst weiter. In meinem Leben gibt es zur Zeit einige größere Wendungen, also schau ich hier selten rein.
Serkan hat ein recht offenes Facebook-Profil und wir haben auch noch gemeinsame Freunde, mit denen er in Kontakt steht.
 

Bukalemun

Well-Known Member
Ich arbeite gerade am nächsten Kapitel, muss aber sehr weit mich durch Zehntausende Nachrichten auf facebook vorarbeiten und dann zusammenfassen, sonst geht die Geschichte niemals voran...
 
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