Das Forum und ich

J

Jo.911

Guest
AW: Das Forum und ich

Hallo cild,


Aus einzelnen (oder auch mehreren oder vielen) Beiträgen komponiert man sich mehr oder minder die Persönlichkeit eines Anderen zusammen, ohne verlässlich einschätzen zu können, ob es stimmig ist. Vielleicht ist derjenige, der aus Unsicherheit oder Unbeholfenheit polterig auftritt und mit dem man virtuell keine gemeinsame Ebene, keine gemeinsame Sprache findet, im richtigen Leben ein angenehmer, sensibler Mensch.. ?Oder umgekehrt. Auch das kommt vor: dass reale Begegnungen enttäuschend verlaufen, um so eher, je intensiver und länger man sich auf virtueller Grundlage ein Bild zurechtgezimmert hat.

Ich stelle mir das Forum keineswegs leer und einsam vor. Für mich gleicht es am ehesten einem großen virtuellen Wohnzimmer, in dem vielstimmig, bisweilen auch in unterschiedlichen Sprachen durcheinander diskutiert, gelacht, sich ausgeweint, Anteil genommen und erhitzt palavert wird. In dem jeder willkommen ist, unabhängig von Herkunft, Alter, Religion oder irgendeinem sozialen Status. Manchmal ist mehr los, mal weniger, und falls jemand sich vorübergehend unbehaglich oder gar vereinsamt fühlt, liegt es auch an einem selbst, die Initiative zu ergreifen und auf andere zuzugehen.

Es ist doch ganz wie im Leben: Manchmal möchte man scheu an der Wand lehnen und die Gespräche nur verfolgen, manchmal sich einmischen, ein andermal auf dem Diwan Platz nehmen und ein Zweier-, Dreier- oder Vierergespräch vertiefen. Und bisweilen kann ein solcher Austausch auch in eine Art öffentlichen Briefwechsel einmünden - lauter Möglichkeiten, die ich persönlich faszinierend finde, weil sie die Grenzen von Zeit und Raum aufheben.


anouk :)

Danke, Anouk - das beschreibt ziemlich genau wie ich das Forum sehe. Ob nun einige Geschichten die gepostet werden der Phantasie entspringen oder nicht ist fuer mich eigentlich unerheblich- wenn es Thematiken beruehrt die einem wichtig sind setzt man sich damit auseinander - man denkt darueber nach und analisiert auch mal seine eigenen Empfindungen (z.B. zum Thema Integration) - man liest auch Ansichten die Probleme von einer ganz anderen Sichtweise aufzeigen und das regt Denkanstoesse an und das ist etwas Positives - Schaden, finde ich, kann es keine anrichten - das koennte bei Foren passieren die Begegnungen foerdern - also Single-Foren, wo man die Moeglichkeit hat einer anderen Person etwas vorzuspiegeln was nicht oder nur teilweise der Wahrheit entspricht.
 
A

Anouk

Guest
AW: Das Forum und ich

Hallo cild,

gestern abend, kurz vorm Einschlafen, kam mir Dein Thread plötzlich in den Sinn, und da wär ich sogar fast wieder aufgestanden und hätt' noch was dazuschreiben mögen. :) Gut, dass ich's nicht gemacht hab; es wäre sowieso nicht sonderlich anders ausgefallen als beim ersten Mal.

Aber Du hast es gut beschrieben: Virtuelle Welten sind manchmal trügerisch, in keinem Fall greifbar - ein Klick genügt, um sich bedarfsweise ein- oder auszuklinken, den Umgang mit anderen oder auch eigenen Gefühlen zu regulieren. Der menschliche Umgang verändert sich dadurch, wird passager, austauschbar, nahezu beliebig.

Manchmal kommt mir das Netz wie ein endloser Road-Movie vor. Life goes on, klick, der nächste Thread, der nächste Beitrag, der nächste Mensch. Und wenn man beginnt, sich ein Bild zu machen und darauf zu vertrauen, geschieht etwas, das das Bild, die eigene Wahrnehmung, in Frage stellt, verschiebt, verändert oder möglicherweise sogar aufhebt.

Geschichten lösen sich auf und fügen sich neu. Menschen kommen und gehen, äußerlich, innerlich. Was bleibt, ist die eigene Mitte, das authentische Leben, unmittelbare, sinnliche Eindrücke - stärker und einprägsamer als das geschriebene Wort. Alles andere bleibt ein mehr oder minder leichtfüßiges, leichtherziges Spiel, ein bisschen Camouflage, ein wenig Scharade: so wunderbar wie zweischneidig, so interessant wie unverbindlich. Schnell scheint Unmögliches möglich - und scheinbar Mögliches entpuppt sich als so haltbar wie Klatschmohn oder auch: eine Pusteblume..

Manchmal lächelt man leise, wundert sich ein wenig, schüttelt den Kopf - und geht seiner Wege. Mit einem einfachen, praktischen Klick. Das macht den Unterschied zum Wohnzimmer aus. Und manchmal bin ich ganz dankbar dafür. :)

lg
anouk
 

alterali

Well-Known Member
AW: Das Forum und ich

Danke, Anouk - das beschreibt ziemlich genau wie ich das Forum sehe. Ob nun einige Geschichten die gepostet werden der Phantasie entspringen oder nicht ist fuer mich eigentlich unerheblich- wenn es Thematiken beruehrt die einem wichtig sind setzt man sich damit auseinander - man denkt darueber nach und analisiert auch mal seine eigenen Empfindungen (z.B. zum Thema Integration) - man liest auch Ansichten die Probleme von einer ganz anderen Sichtweise aufzeigen und das regt Denkanstoesse an und das ist etwas Positives - Schaden, finde ich, kann es keine anrichten - das koennte bei Foren passieren die Begegnungen foerdern - also Single-Foren, wo man die Moeglichkeit hat einer anderen Person etwas vorzuspiegeln was nicht oder nur teilweise der Wahrheit entspricht.
Genau,
man lernt neue Sichtweisen, neue Gedanken,
man lernt es, seine eigenen Gedanken zu ordnen,
man lernt zu formulieren, man lernt sich selbst (besser) kennen.
 
M

mar

Guest
AW: Das Forum und ich

heute ist unser treffen in berlin.... einige menschen werden ganz real vor mir stehen. das forum und ich ..... cild wird auch da sein..... also werden wir sicher auch über diese gedanken sprechen...
ich bin heute hier im net nur ganz sporadisch.... der computer läuft nebenbei....ich erinnere mich an
http://www.turkish-talk.com/31931-post1.htmleine kurze geschichte, die ich mal vor einiger zeit geschrieben habe....ich hoffe, ihr verzeiht, das ich das jetzt nur verlinke, aber es trifft nach wie vor zu....was ich zum thema internet oder forum oder überhaupt denke.

MAR
 
P

pauline09

Guest
AW: Das Forum und ich

42 war die beste und scharfsinnigste Antwort überhaupt. 42 sagt alles. So einfach kann es sein, klar und unmissverständlich.
 
Top