Erinnerungen

univers

Well-Known Member
Ach ja: ob wir uns durch die Beschäftigung damit humanitärer entwickelt haben? Ich weiß es nicht, wie sieht's denn von außen aus?
:)

Die Frage zielte ja darauf hinaus, ob ihr von euch behaupten könnt mitfühlend zu sein, was ich eben auf die soziale Prägung zurückführe und gesondert im Falle Deutschland auf die geschichtliche Vergangenheit bzw. Prägung.

Aber gut, ich will euch nicht aushorchen, nur erwähnten die an diesem Thread teilnehmenden User nicht vom Grad ihrer Betroffenheit bzw. Anteilnahme.

Um auf deine Frage zu kommen, ja, sie, das unmittelbare Umfeld ging mehrheitlich mild mit den Mitmenschen um, nur dass ich erst jetzt, nach Jahren diese Milde einzuroden vermag.
Zu mindestens wirkten sie milder als z.Bsp. Belgier, Franzosen oder Holländer, resultiert aus ein paar mir widerfahrenen Begegnungen.
Nur Menschen, die unverschuldet Härte und Leid selbst erlitten haben, zeigen diese Milde, sie ist nicht mit auf die Wiege gegeben.meine Ich.

Daher nochmal richtig gefragt;);

Wart ihr, die deutschen User, so neugierig und befragtet Menschen aus eurem Familienkreis nach dem 2. Weltkrieg, wie dieses es erlebt hatten und wart ihr dabei so aufmerksam, um den Gemütszustand des Erzählenden zu erfassen und wie sehr hat es euch bewegt bzw. ob?
 

Zepelin

Well-Known Member
Der älteste Bruder meiner Mutter war Lokomotivführer
Er mußte die jüdischen Familien seines Heimatortes in die nächst größere Stadt bringen.
Darunter Schulkameraden und Nachbarn. Es muß schrecklich gewesen sein.
Meine Mutter sagte er sei wochenlang nicht mehr ansprechbar gewesen.
Er ist kurz nach dem Krieg in einem russischen Gefangenlager verhungert.
 

alterali

Well-Known Member
Oma & Opa mütterlicher seits hatten eine vielköpfige Familie. Einfachste Menschen!
Alle haben den Krieg überlebt.
Das war aber nie Thema, irgendwie war es da normalste von der Welt.
Ich weiß nicht einmal, ob einer der Söhne tatsächlich im Krieg war.
Begegnungen waren neben ein bisschen Familiennostalgie eher zukunftsgerichtet.
Ich selber wurde noch im Krieg geboren, und ich habe/hatte schon einen Schuss weg davon.
Klar, Dinge die ich mit mir rumtrage. Aber nicht mehr in der Dramatik.

Ich will mich jetzt auch hier nicht ausbreiten:
Aber als Beispiel:
Zum Abi bekam ich ein Buch: Ich glaub es hieß Macht ohne Moral (bin mir nicht sicher)
Nach ein, zwei Blicken hab ich nie mehr einen Blick hinein werfen können.
 

Junimond

Active Member
Der Leid, den die Menschen erlitten und der sie geprägt haben muss aber vor allem wie es die nachfolgende Generationen eben durch die Erzählungen der Beteiligten geprägt hat.
Explizit mein Berührungspunkt wäre, ob die folgenden Generationen durch mittelbare Vermittlung sich humanitärer entwickelt haben...ob sie mitfühlten, verstanden haben zu mindestens über das damalige Leid nachdachten.

Ich finde mann muss versuchen solches Leid sich zu vergegenwärtigen und nicht vergessen, im Namen der Menschlichkeit.

Vielleicht später..... nach dem 2. Weltkrieg ging es nur ums überleben! meine Großeltern, jahrgang 1909/1912 wollten nur überleben. Meine Eltern wurden im März und Mai 1945 geboren! soweit ich weiß, wurde nie Aufarbeitung betrieben. man war lediglich froh, den scheiss überlebt zu haben. Opa war in russischer Gefangenschaft und wurde entlassen, weil er kurz vor dem abkratzen war. Ich weiß nicht genau, hat man da Wasser unter der Haut oder ist da Salz auf der Haut?! Die Genaration meiner Großeltern wollte einfach nicht reden über diese Zeit....am liebsten wurde diese Zeit totgeschwiegen. Meine Tante, die nach dem Krieg nach Amerika ausgewandert ist (Ehemann jüdische Wurzeln, Eltern im KZ vergast), ist da ganz anders drauf. wir reden heute noch über diese Zeit! sie hat nie ihre Heimat vergessen und fühlt sich heute noch deutsch, obwohl sie seit 1953 den amerikanischen Pass hat.
 

Skeptiker

Well-Known Member
Mein Opa mütterlicher Seits, ranghoher Offizier in der Marine gewesen, hat sehr oft über die Zeit gesprochen. Genauso wie meine Oma und Großtante über die Flucht von Westpreußen.

Die Geschichten waren schon bewegend. Am einschneidensten jedoch war, herauszufinden (über Westfernsehen in Magdeburg) das Katyn nicht von den Deutschen sondern von der Sowjetarmee begangen wurde. Dies hat mir zum ersten Mal die Augen geöffnet!
 

alterali

Well-Known Member
Viele 'Erinnerungen' wurden mir wohl durch die Erzählungen in der Familie eingepflanzt.
Meine Mutter (ich auch, aber ohne Erinnerungsfähigkeit) war wohl dabei, als bei der Eroberung Berlins auch die S-Bahn-Schächte, in denen sich viele Menschen geflüchtet hatten, geflutet wurden. Ich hab da immer noch so ein Bild eines S-Bahn-Eingangs vor Augen.

Sie hat auch immer wieder erzählt, dass sie mit mir auf dem Arm nie Probleme mit den Russen hatte.
Später kam dann noch als story dazu, dass die Nachbarsfrauen mich 'ausleihen' wollten, um mal rauszugehen.
 

Shalima

Well-Known Member
meinen Papa haben die Amerikaner ziemlich bald in Italien festgenommen und mit dem Schiff nach Amerika (Kansas) gebracht. Er musste auf Baumwollplantagen arbeiten. Als der Krieg aus war, durfte er wieder heim. Dort lernte er auch Coka Cola kennen.

und jetzt wird er in einem Monat 91 und wir wissen nicht wie lange wir ihn noch haben, weil er liegt im Bett, isst und trinkt kaum noch, und erkennt uns nicht mehr. :(
 

alterali

Well-Known Member
Das Thema war nie eines in der Familie, nicht wirklich.
für mich schon garnicht!
Ich habs jetzt mal in der Familie (wobei der Begriff auch kompliziert ist.) angesprochen.
Also alle Jungen (meines Opas/meiner Oma mütterlicherseits) waren in der HJ, alle Mädels im BdM. die älteste im Lazarett.
Die Jungs waren letztendlich alle noch im Krieg.

In wie weit irgend wer von meinen Onkels oder Tanten da noch einer richtig engagiert war, kam nicht zur Sprache (ich wollte da auch nicht drängeln). Alle waren 1938 auch noch unter 20.

Ne es ist doch schwer darüber zu sprechen.
Mich hat neben all den Geschichten, ob und wer, eigentlich eines viel mehr 'gequält':
Welchen Weg hätte ich selber in einer solchen Zeit gewählt.
 

univers

Well-Known Member
Das ist die große Frage! Ich muß gestehen: Ich weiß es nicht!
Ihr meint, die heutige Einsicht gab es damals nicht.
Konnte es nicht geben?
Und die Kriegserinnerungen, die mal gerade zwei Jahrzehnte alt waren?
Ich frage um der Verantwortung der Damaligen wegen, nicht um euch, Skeptiker und Alterali zu hinterfragen, doch ist das auch ein Aspekt aus der "wir" lernen sollten.
Verstehen, wieso trotz des Leids des 1. Weltkriegs, wovon maßgeblich Deutschland (Deutsche) betroffen war, man sich erneut ins Leid stürzte.
Der Modalität der Zeit?

Eigentlich ziehe ich daraus und aus all den mir bekannten durch Menschenhand verursachten Leid den Schluss, dass man dem Menschen zu viel Vernunft zuspricht bzw. er seine Vernunft überbewertet, gar ihn nicht beherrscht.

Aber dies durfte auch eine Lehrer sein, nicht!?
 
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