AW: Gesellschaftliche Verantwortung-„Der beste unter den Menschen“
Das sehe ich nicht ganz so.
Wenn es eine Form des Egoismus ist, dürfte es in Richtung Bigotterie zielen.
Es gibt auch Moral, die aus innerer Überzeugung existiert, für mich die einzige echte Moral.
Kann man so sehen. Nur: Geht man davon aus, dass altruistisches Handeln natürlich ist und einen Nutzen birgt, ist es immer zugleich auch egoistisch. Wenn ich als Individuum z.B. mit dafür sorge, dass es anderen Menschen in meinem Umfeld gut geht, strahlt deren Zufriedenheit auf mich zurück, und das steigert auch mein eigenes Wohlbefinden. Dabei ist zunächst unerheblich, ob mir der eigennützige Aspekt als zusätzliche, verborgene Triebfeder bewusst ist oder nicht. Am wenigsten bewusst ist er abseits religiöser oder sonstiger Motive (Liebe ist nicht das schlechteste davon) wahrscheinlich Menschen mit einem ausgeprägten Helfersyndrom.
Was Alt mit seinem Satz genau meint, weiß ich leider nicht; dafür habe ich mich offen gesagt zu wenig mit ihm befasst. Da er aber umfassend über die 'Ästhetik des Bösen' geforscht hat, vermute ich dahinter u.a. eine Gegenauffassung zu dramentheoretischen Ansätzen des 18. Jahrhunderts, Menschen vermittels Literatur und insbesondere dem Theater zu höherer Moral zu erziehen. Unabhängig davon: Dass besonders erbittert verfochtene moralische Standpunkte selbstverständlich auch auf Bewunderung abzielen, bezweifle ich insgesamt nicht. Das lässt sich im Zweifel schon bei Forendebatten mit reizhaltigen Themen bestaunen. ;-)
Es hat doch wahrscheinlich jeder eine Art inneren Leitfaden, an dem er sich orientiert. Sicher gibt es Leute, die Geld spenden, um andere zu beeindrucken, andere versuchen das mit einem Sportwagen.
Oder nerven mit Büchern, siehe Sarrazin, der aus seiner Sicht bestimmt überzeugt war/ist, ein hohes Maß an gesellschaftlicher Verantwortung übernommen zu haben und dafür natürlich lieber bewundert als gehauen werden will. Und wer ihn haut, ist verbreiteten Auffassungen zufolge im Zweifel ein böser Besser- oder gar
Gutmensch. (Aber das nur am Rande, das Fass will ich nicht ernstlich wieder öffnen. Erst recht nicht an Weihnachten, dem Fest der Liebe.
)
Wer aber Gutes tut, weil ihm seine Religion das vorschreibt und er sich damit was besseres erhofft, hat zwar anderen geholfen, aber aus eigenem Antrieb ist es wohl kaum erfolgt.
Angst vor Strafe (Fegefeuer, Hölle) und/oder die Hoffnung auf irgendeine spätere, imaginäre Belohnung (Paradies, 99 Jungfrauen) können mächtige Antriebsfedern sein. Wirft man die Religion über Bord, bleiben aber noch genügend andere übrig, die im Kern auf ganz ähnliche Mechanismen hinauslaufen, seien es bsp. elterliche Prägung oder die Erfahrung, dass ein in einem bestimmten Kontext sozial erwünschtes Verhalten sich irgendwann auszahlt. Das wäre dann das Äquivalent zum religiös verankerten Belohnungsprinzip. Und Angst vor Strafe: zum Beispiel schon das banale Wissen, dass es auf Dauer klüger ist, nicht im absoluten Halteverbot zu parken, weil man Gefahr läuft, ein Knöllchen zu kassieren.