M
mar
Guest
weiterführend zum gestrigen Posting des TV tipps " sind wir toleranz-trottel" ein Punkt, welcher AUCH angeschnitten wurde , die Absetzung der Oper oder aber auch das Verschieben des Filmes "WUT" auf eine spätere Sendezeit und auf einen anderen Tag dieser Woche ...mich würde es interessieren, ob dieses Vorgehen als Zensur, Beschneidung der künstlerischen Freiheit oder als kulturell-politisches Versagen des Ministerium für Kultur gewertet und empfunden wird....
Absetzung der Oper : ich würde da eher über Kunst oder die Freiheit der Kunst streiten wollen, oder wegen Neuenfels, der einer der streitbarsten Theaterregisseure ist ; ist Kunst anders zu interpretieren als vor 5 Jahren? Steht es der Toleranz gut zu Gesicht, wenn man europäische Kunst gänzlich für sich allein stehen lassen will und wenn man europäische Kultur oder deren Verständnis allein an Protesten oder an Stillschweigen oder an Zustimmung messen wird? Idomeneo- die griechische Sage über TROJA- wie aktuell ist die Auseinandersetzung heute damit ( Krieg, Mord, Opfer etc )..
Nach den ersten Aufschreien in der Presse und dem langsamen drüber Nachdenken des Inhaltes, impliziert auf den heutigen Stand der künstlerischen Freiheit und der Wertigkeit der Kunst und deren Inhalte allgemein im öffentlichen Leben , lohnt sich schon eine rege Diskussion darüber...viele eigene Meinungen sind gefragt-
MAR
hier einige recht unterschiedliche Meinungen aus dem
STANDART vom 26.9.2006
Das Aus für „Idomeneo“ an der Deutschen Oper Berlin wegen einer Szene, in der Mohammeds abgeschlagener Kopf gezeigt wird, sorgt in Deutschland für Empörung. „Verrückt“, sagt Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der am Mittwoch die erste große „Islamkonferenz“ startet.
***
Am Ende müssen sie alle dran glauben: Poseidon, Jesus, Buddha und Mohammed. Idomeneo, König von Kreta, tritt noch einmal triumphierend mit einem blutigen Sack auf die Bühne und legt die vier Köpfe auf leere Stühle.
Im Libretto der Mozart-Oper findet sich diese Szene nicht. Es war Regisseur Hans Neuenfels, der sie sich für den Epilog seiner Inszenierung ausgedacht hat. Das Stück, das im März 2003 an der Deutschen Oper Premiere hatte, erzählt die Geschichte des Königs von Kreta, der als Sieger aus dem Trojanischen Krieg heimkommt. Als ihn am Meer ein Sturm bedroht, gelobt er dem Meeresgott Poseidon den ersten Menschen zu opfern, den er an Land trifft – es ist sein eigener Sohn Idamante. Kritiker verstanden die Inszenierung des Provokateurs damals als Abrechnung mit Religion, Religionskriegen und religiöser Opferbereitschaft.
Bei der Premiere hatte es Tumulte gegeben, was jedoch keinen Einfluss auf den Spielplan hatte. Doch nachdem die in Dänemark veröffentlichten Mohammed-Karikaturen Anfang des Jahres zu Protesten und Ausschreitungen in der islamischen Welt geführt hatten, erstellte das Berliner Landeskriminalamt (LKA) eine Gefährdungsanalyse.
Dazu ein Sprecher: „Wir haben mitgeteilt, dass Störungen im Zusammenhang mit der Aufführung in ihrer geplanten Form nicht ausgeschlossen werden können.“ Eine konkrete Terrordrohung gegen die Oper liegt nicht vor, auch hat das LKA die Idomeneo-Absetzung nicht angeordnet. Dennoch strich Intendantin Kirsten Harms nun das Werk „mit großem Bedauern“ vom Spielplan – ein bisher einmaliger Vorgang im deutschen Kulturbetrieb. Begründung: „Es gibt ein unkalkulierbares Risiko.“
Empört ist nicht nur Neuenfels („vorausgeeilter Gehorsam und Hysterie“), sondern auch Politiker aller Couleur üben Kritik. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nennt den Schritt „inakzeptabel und lächerlich“, Peter Ramsauer, CSU-Gruppenleiter im Bundestag, meint: „Hinter der Absetzung steht nicht der Respekt vor der Religion, sondern das ist die nackte Angst vor Gewalt. Das ist nichts als pure Feigheit.“ Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sieht die Freiheit der Kunst in Gefahr.
Muslime gespalten
Nicht einheitlich sind die Reaktionen der Muslime. Während der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkava, die Absetzung begrüßt, weil sie Rücksicht auf die Gefühle der Muslime nehme, plädiert der Chef der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, für weitere Aufführungen: „Kunst muss frei sein. Man darf diesem Druck nicht nachgeben.“
"Es ist schade, dass durch die Absetzung vor einer offenen Diskussion zurückgeschreckt wurde." (Kenan Kolat, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland)
"Eine Oper oder eine Karikatur - das macht keinen großen Unterschied. Jede Religion muss selbst wissen, wie sie mit ihren Heiligen umgeht." (Ali Kizilkaya, Vorsitzender des Islamrats)
"Ich warne davor, dass wir das Recht auf Meinungsfreiheit, unsere Kunstfreiheit, im vorauseilenden Gehorsam immer mehr selbst einschränken." (Klaus Staeck, Präsident der Berliner Akademie der Künste)
"Dieser panikartige Rückzug muss sofort zurückgepfiffen werden. Es ist schon seltsam, dass man es in Berlin nicht schafft, NPD- Demonstrationen zu verbieten, während man eine Oper einfach so absetzen kann." (Christoph Schlingensief, Regisseur) (APA/dpa)
im heutigen Tagesspiegel ist dieses Statement zu lesen:
http://www.tagesspiegel.de/fragen-des-tages/archiv/28.09.2006/2804251.asp
Absetzung der Oper : ich würde da eher über Kunst oder die Freiheit der Kunst streiten wollen, oder wegen Neuenfels, der einer der streitbarsten Theaterregisseure ist ; ist Kunst anders zu interpretieren als vor 5 Jahren? Steht es der Toleranz gut zu Gesicht, wenn man europäische Kunst gänzlich für sich allein stehen lassen will und wenn man europäische Kultur oder deren Verständnis allein an Protesten oder an Stillschweigen oder an Zustimmung messen wird? Idomeneo- die griechische Sage über TROJA- wie aktuell ist die Auseinandersetzung heute damit ( Krieg, Mord, Opfer etc )..
Nach den ersten Aufschreien in der Presse und dem langsamen drüber Nachdenken des Inhaltes, impliziert auf den heutigen Stand der künstlerischen Freiheit und der Wertigkeit der Kunst und deren Inhalte allgemein im öffentlichen Leben , lohnt sich schon eine rege Diskussion darüber...viele eigene Meinungen sind gefragt-
MAR
hier einige recht unterschiedliche Meinungen aus dem
STANDART vom 26.9.2006
Das Aus für „Idomeneo“ an der Deutschen Oper Berlin wegen einer Szene, in der Mohammeds abgeschlagener Kopf gezeigt wird, sorgt in Deutschland für Empörung. „Verrückt“, sagt Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der am Mittwoch die erste große „Islamkonferenz“ startet.
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Am Ende müssen sie alle dran glauben: Poseidon, Jesus, Buddha und Mohammed. Idomeneo, König von Kreta, tritt noch einmal triumphierend mit einem blutigen Sack auf die Bühne und legt die vier Köpfe auf leere Stühle.
Im Libretto der Mozart-Oper findet sich diese Szene nicht. Es war Regisseur Hans Neuenfels, der sie sich für den Epilog seiner Inszenierung ausgedacht hat. Das Stück, das im März 2003 an der Deutschen Oper Premiere hatte, erzählt die Geschichte des Königs von Kreta, der als Sieger aus dem Trojanischen Krieg heimkommt. Als ihn am Meer ein Sturm bedroht, gelobt er dem Meeresgott Poseidon den ersten Menschen zu opfern, den er an Land trifft – es ist sein eigener Sohn Idamante. Kritiker verstanden die Inszenierung des Provokateurs damals als Abrechnung mit Religion, Religionskriegen und religiöser Opferbereitschaft.
Bei der Premiere hatte es Tumulte gegeben, was jedoch keinen Einfluss auf den Spielplan hatte. Doch nachdem die in Dänemark veröffentlichten Mohammed-Karikaturen Anfang des Jahres zu Protesten und Ausschreitungen in der islamischen Welt geführt hatten, erstellte das Berliner Landeskriminalamt (LKA) eine Gefährdungsanalyse.
Dazu ein Sprecher: „Wir haben mitgeteilt, dass Störungen im Zusammenhang mit der Aufführung in ihrer geplanten Form nicht ausgeschlossen werden können.“ Eine konkrete Terrordrohung gegen die Oper liegt nicht vor, auch hat das LKA die Idomeneo-Absetzung nicht angeordnet. Dennoch strich Intendantin Kirsten Harms nun das Werk „mit großem Bedauern“ vom Spielplan – ein bisher einmaliger Vorgang im deutschen Kulturbetrieb. Begründung: „Es gibt ein unkalkulierbares Risiko.“
Empört ist nicht nur Neuenfels („vorausgeeilter Gehorsam und Hysterie“), sondern auch Politiker aller Couleur üben Kritik. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nennt den Schritt „inakzeptabel und lächerlich“, Peter Ramsauer, CSU-Gruppenleiter im Bundestag, meint: „Hinter der Absetzung steht nicht der Respekt vor der Religion, sondern das ist die nackte Angst vor Gewalt. Das ist nichts als pure Feigheit.“ Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sieht die Freiheit der Kunst in Gefahr.
Muslime gespalten
Nicht einheitlich sind die Reaktionen der Muslime. Während der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkava, die Absetzung begrüßt, weil sie Rücksicht auf die Gefühle der Muslime nehme, plädiert der Chef der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, für weitere Aufführungen: „Kunst muss frei sein. Man darf diesem Druck nicht nachgeben.“
"Es ist schade, dass durch die Absetzung vor einer offenen Diskussion zurückgeschreckt wurde." (Kenan Kolat, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland)
"Eine Oper oder eine Karikatur - das macht keinen großen Unterschied. Jede Religion muss selbst wissen, wie sie mit ihren Heiligen umgeht." (Ali Kizilkaya, Vorsitzender des Islamrats)
"Ich warne davor, dass wir das Recht auf Meinungsfreiheit, unsere Kunstfreiheit, im vorauseilenden Gehorsam immer mehr selbst einschränken." (Klaus Staeck, Präsident der Berliner Akademie der Künste)
"Dieser panikartige Rückzug muss sofort zurückgepfiffen werden. Es ist schon seltsam, dass man es in Berlin nicht schafft, NPD- Demonstrationen zu verbieten, während man eine Oper einfach so absetzen kann." (Christoph Schlingensief, Regisseur) (APA/dpa)
im heutigen Tagesspiegel ist dieses Statement zu lesen:
http://www.tagesspiegel.de/fragen-des-tages/archiv/28.09.2006/2804251.asp