Neues Ausländergesetz in der Türkei zerstört Träume deutscher Ruheständler*innen

EnRetard

Well-Known Member

Wie der Deutschlandfunk berichtet, hat die Türkei ihr Ausländergesetz verschärft. Generell wird der Anteil der nichttürkischen Einwohnerschaft auf 20% begrenzt. Ist die Schwelle erreicht, greift ein Zuzugsverbot. Betroffen sind über 1000 Ortschaften, darunter auch einige Mahalle des Kreises Alanya an der Mittelmeerküste, der unter anderem bei älteren Deutschen beliebt ist, die sich dort eine Immobilie kaufen und niederlassen. In dem verlinkten Bericht wird eine Deutsche vorgestellt, die sich in Avsallar eine Neubauwohnung gekauft hat und von dem neuen Gesetz überrascht wurde. Zwar wurde nachträglich ein Bestandsschutz in das Gesetz eingefügt, aber die arme Frau, deren Traumwohnung noch nicht mal gebaut ist, erwägt jetzt, in Deutschland zu bleiben, weil sie das Vertrauen verloren habe. Eine Maklerin, der das Gesetz das Geschäft verhagelt, erläutert, dass keineswegs deutsche oder niederländische oder russische Wohnungskäufer*innen gemeint seien, sondern syrische Geflüchtete, aber das Gesetz unterscheide nun mal nicht zwischen den einzelnen Nationalitäten.
 

Bintje

Well-Known Member
Klar, für Auswanderungswillige ist das natürlich eine Hiobsbotschaft. Andererseits las ich vor einiger Zeit (entsprechende Berichte gab es u.a. im Spiegel und in der FAZ), dass das Wohnen in beliebten Städten wie beispielsweise auch Antalya für Einheimische durch den Andrang ausländischer Immobilienkäufer nicht mehr bezahlbar ist. Zusätzlich zur exorbitanten Inflationsrate, die inzwischen nach offiziellen Angaben bei 85 Prozent liegen soll, schossen Mieten in etlichen Mahalles binnen kürzester Zeit durch die Decke.
Die Texte sind zwar hinter einer Paywall, liefern aber trotzdem vielsagende Einblicke.

"Der Zuzug von Menschen aus Russland führt jedoch dazu, dass die Mietpreise in Antalya explodieren. Vor dem Krieg habe die Monatsmiete für eine Zweizimmerwohnung im Stadtteil Konyaalti 8000 Lira betragen, umgerechnet gut 400 Euro, heißt es bei der türkischen Maklerfirma Remax. Mittlerweile liege der Preis bei 30.000 bis 40.000 Lira.

Viele Einheimische können sich die Mieten im Zentrum von Antalya nicht mehr leisten. Und weil der Mieterschutz in der Türkei vergleichsweise schwach ist, sind etliche gezwungen, ihre Wohnungen aufzugeben und an den Stadtrand zu ziehen – oder an einen ganz anderen Ort."



Bei Makler:innen herrschte unterdessen Goldgräberstimmung. Die wurden zum Teil richtig reich durch den Run auf die Immobilien.


Schwer zu sagen, inwieweit das noch immer so ist. Der DLF-Bericht bezieht sich ja auf eine Gesetzesänderung von Juni oder Juli. Und wenn die "nur" auf das Ausländerrecht zielt: Wer mehrere Hunderttausend US-Dollar investiert (zuletzt 400.000 bis 500.000, glaube ich), kann dadurch auch die türkische Staatsbürgerschaft beantragen. Zumindest war das bisher der Fall. Nur dürfte das, sofern das noch gilt, dem Gros der Rentner:innen nicht helfen, die in die TR auswandern wollen. Dafür aber Reichen insbesondere aus den arabischen Staaten, Russland und anderen Ländern, die Probleme haben, ihr Geld unterzubringen. Inwieweit sich die 20%-ige Deckelung beim Aufenthaltsrecht auch auf solche Fälle bezieht, weiß ich nicht, bezweifele es aber.


Für Einheimische, die rings um die Hotspots touristischer Anziehungsorte wohnen, ist es jedenfalls sehr schwierig geworden, noch schwieriger: Wenn sie dem freien Markt unterworfen sind, nicht schon über Immobilieneigentum verfügen oder nicht z.B. das Glück haben, bei einer Verlosung der staatlichen Wohnungsbehörde TOKI den Anspruch auf eine (kreditfinanzierte) günstigere Wohnung oder ein Grundstück zu bekommen, dürfte es ausgesprochen mau aussehen. Insofern kann ich deren Unmut begreifen - und auch, dass die Regierung den Zuzug nun zu steuern und zu regulieren versucht.

Allerdings kenne ich nicht alle Einzelheiten, hörte nur, dass bereits in den vergangenen Jahren vorm Kriegsausbruch viel verkauft worden sein soll.
 

Mendelssohn

Well-Known Member

Wie der Deutschlandfunk berichtet, hat die Türkei ihr Ausländergesetz verschärft. Generell wird der Anteil der nichttürkischen Einwohnerschaft auf 20% begrenzt. Ist die Schwelle erreicht, greift ein Zuzugsverbot. Betroffen sind über 1000 Ortschaften, darunter auch einige Mahalle des Kreises Alanya an der Mittelmeerküste, der unter anderem bei älteren Deutschen beliebt ist, die sich dort eine Immobilie kaufen und niederlassen. In dem verlinkten Bericht wird eine Deutsche vorgestellt, die sich in Avsallar eine Neubauwohnung gekauft hat und von dem neuen Gesetz überrascht wurde. Zwar wurde nachträglich ein Bestandsschutz in das Gesetz eingefügt, aber die arme Frau, deren Traumwohnung noch nicht mal gebaut ist, erwägt jetzt, in Deutschland zu bleiben, weil sie das Vertrauen verloren habe. Eine Maklerin, der das Gesetz das Geschäft verhagelt, erläutert, dass keineswegs deutsche oder niederländische oder russische Wohnungskäufer*innen gemeint seien, sondern syrische Geflüchtete, aber das Gesetz unterscheide nun mal nicht zwischen den einzelnen Nationalitäten.
Der Zusammenhang von der Begrenzung eines Ausländeranteils mit der zeitweisen Unterbringung von syrischen Flüchtlingen, die ja keinen Residenzstatus haben, ist mir nicht ersichtlich. Ich glaube, dass die Maklerin da etwas schön reden will, was nicht schön geredet werden kann. Es soll keine "Überfremdung" stattfinden. AfD auf türkisch.
 

Bintje

Well-Known Member
Der Zusammenhang von der Begrenzung eines Ausländeranteils mit der zeitweisen Unterbringung von syrischen Flüchtlingen, die ja keinen Residenzstatus haben, ist mir nicht ersichtlich. Ich glaube, dass die Maklerin da etwas schön reden will, was nicht schön geredet werden kann.
Die Maklerin erzählt m.E. ziemlichen Quark, einerseits begreiflich: Sie will ihre potenzielle Kundschaft natürlich auch nicht verprellen.
Auf der anderen Seite sieht es so aus, dass rund vier Millionen Syrer:innen in die Türkei gekommen sind, die Berichten zufolge überwiegend in prekären Verhältnissen leben. Vielen Türken geht es wegen der wirtschaftlichen Lage zurzeit aber auch alles andere als gut. Das trägt zu verbreitetem Missmut und gesellschaftlichen Konflikten bei, die im Wahlkampf nicht nur von bekannten Seiten, sondern auch von der CHP befeuert werden, die sich ebenfalls auf dem Rücken der Syrer profilieren will. Der Text ist ein halbes Jahr alt, aber so viel geändert hat sich nicht daran.

"Neuesten Umfragen zufolge wollen mehr als 80 Prozent der türkischen Bevölkerung, dass die syrischen Flüchtlinge so schnell wie möglich verschwinden. Ein Jahr vor den Wahlen zu Parlament und Präsidentenamt hat sich die Opposition das Thema zu eigen gemacht.
Oppositionschef Kemal Kilicdaroglu: „Wenn Gott und die Nation uns regieren lassen, dann werden wir als allererstes die Syrer heimschicken. Wir werden ihnen Häuser, Straßen und Krankenhäuser bauen, und die Europäische Union wird das bezahlen. Und dann werden wir sie mit Pauken und Trompeten verabschieden und in ihre Länder zurückschicken.“ "



Dazu sind in diesem Jahr teils auch sehr wohlhabende Zuzügler aus Russland gekommen, die visafrei einreisen, durch eine (erleichterte) Aufenthaltserlaubnis länger bleiben und sich scheinbar in kürzester Zeit leisten können, was für durchschnittliche Einheimische unerschwinglich ist. Wie sie das machen und woher sie das Geld haben, bleibt ihnen überlassen: Aber wer Arbeit findet und einen Job hat, dazu gesicherte Wohnverhältnisse durch Anmietung oder Kauf einer Wohnung und sich aus eigener Kraft über Wasser halten kann, ist bis zu einer üppigen Einkommensobergrenze - anders als normale Einheimische - sogar von Steuern befreit. Das züchtet quasi zwangsläufig Ressentiments und Neid. Auch durch die Verzerrungen auf dem Wohnungsmarkt, siehe oben.


Jedenfalls möchte ich nicht wissen, was bei daraus resultierenden Verteilungskämpfen hier abginge ....
 
Zuletzt bearbeitet:

EnRetard

Well-Known Member
Jedenfalls möchte ich nicht wissen, was bei daraus resultierenden Verteilungskämpfen hier abginge ...
Könnten wir diesen Winter noch erleben, wenn Russlands Strategie aufgeht, die im Land verbliebenen ca. 35 Mio. Ukrainer*innen durch Vernichtung der Strom- und Wasserversorgung zu vertreiben. Weiteren Unfrieden könnte die FDP stiften, wenn sie ihr Vorhaben durchsetzt, bei neuen Arbeitsmigrant*innen Berufs- und Studienabschlüsse ohne jede Prüfung anzuerkennen, während Millionen Geflüchtete, Spätaussiedler*innen und Kontingentflüchtlinge zum Teil seit 30 Jahren Hilfstätigkeiten ausüben, weil ihre Abschlüsse nie anerkannt wurden.
 

Mendelssohn

Well-Known Member
Könnten wir diesen Winter noch erleben, wenn Russlands Strategie aufgeht, die im Land verbliebenen ca. 35 Mio. Ukrainer*innen durch Vernichtung der Strom- und Wasserversorgung zu vertreiben. Weiteren Unfrieden könnte die FDP stiften, wenn sie ihr Vorhaben durchsetzt, bei neuen Arbeitsmigrant*innen Berufs- und Studienabschlüsse ohne jede Prüfung anzuerkennen, während Millionen Geflüchtete, Spätaussiedler*innen und Kontingentflüchtlinge zum Teil seit 30 Jahren Hilfstätigkeiten ausüben, weil ihre Abschlüsse nie anerkannt wurden.
Wäre ja nicht der erste Genozid.
Der Aushungerung der Ukraine in den 1930er Jahren durch Stalin - Holodomor - hat ca 5 Millionen Ukrainer das Leben gekostet.
Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich von diesem Genozid erst in diesen Tagen erfahren. Der fiel im Geschichtsunterricht unter den Teppich, vermutlich um dem Relativierungsvorwurf zu entgehen. Aber selbt Adorno et al,, die immerhin den Völkermord an den Armeniern auf dem Schirm hatten, thematisierten als Kritiker des Stalinismus an keiner Stelle den Völkermord in der Ukraine in den 1930er Jahren. Jetzt erst wird mir klar, warum die ukrainischen Dörfer Hitlers Tuppen feierten, bevor sie von ihnen in Schutt und Asche gelegt und ihre (zum Teil jüdischen) Bewohner vor die Wand gestellt oder in Scheunen verbrannt wurden.

Ich glaube zwei Dinge nicht:
1. In Antalya und überall an der riesigen türkischen Küste haben die Türken keine Angst vor Überfremdung, weil die Fremden in Küstenregionen Teil des Lebens und der Kultur seit Menschengedenken sind.
2. Das Gesetz, daß Gemeinden nur 20% nicht-türkische Immobilienbesitzer erlaubt, richtet sich nicht gegen arme Syrer, wenn überhaupt, dann gegen liquide Kurden aus dem Irak oder Syrien, nicht einmal gegen die (zum Teil türkischstämmigen oder türkisch verheirateten) Rentner aus Europa. Es richtet sich gegen eine weltoffene liberale Türkei. Der Gegner Erdogans sitzt im Innern, besser gesagt an den Küsten, wo auch das meiste Geld ist. Hier will man Daumenschrauben anlegen. Der Winter wird sehr teuer, und die CHP sitzt noch nicht im Knast.
 

sommersonne

Well-Known Member
So ist das und es ist nicht angenehm (bzw. eine Katastrophe) wenn man keine Bleibe mehr bezahlen kann weil die Einheimischen lieber an zahlungskräftige Ausländer vermieten.
Habe da schon unschöne Geschichten gelesen, wo Türken türkische Mieter einfach aus der Wohnung geworfen haben weil sie einträglicher an Ausländer vermieten wollten.
 
Top