Und ihm wegen seiner germanistischen Promotion philosophische Bildung abzusprechen
Das mache ich nicht. Philosophisch gebildet ist er, zweifellos. Was ich ihm abspreche, das ist, Philosoph zu sein. Niemand würde ernsthaft behaupten, Ranga Yogeshwar wäre Physiker. Der ist Wissenschaftsjournalist. Mai Thi ist vermutlich auch schon zu lange raus. Und Precht ist Philosophiejournalist. Und ein mit Recht erfolgreicher. Als solcher ist er gut.
Aber er hat nie etwas geschrieben, was Du in einem philosophischen Seminar zum Thema machen würdest. Dabei geht es nicht um philosophische Bildung, Ausbildung, die haben ganz andere nicht. Schopenhauer. Hat nichts drauf als Platon und Kant. Ansonsten von Philosophie keine Ahnung. Nietzsche. Herausragender Philologe, insofern unglaublicher Platon-Kenner, aber mit Philosophie nix am Hut ausser ein paar Ideen von Schopenhauer, und selbst die hat er von Richard Wagner. Sein Schulkamerad Paul Deussen, fachphilosophisch unendlich viel mehr drauf als Nietzsche, hat die erste Weltgeschichte der Philosophie geschrieben, die ihren Namen verdient – weil er sie hat schreiben können. Weil erst zu seiner Zeit die ersten wichtigsten Texte der indischen Philosophie übersetzt und der Öffentlichkeit zugänglich waren; vorher war alles Hörensagen jesuitischer Missionare. Kennt aber kein Mensch, und mit Recht. Er war kein Philosoph, sondern treuer orthodoxer Schopenhauerianer. Kierkegaard. Nichts drauf ausser Platon und Hegel. Und letzteren nur, um ihn zu widerlegen.
Albert Camus,
Der Mensch in der Revolte. Was der sich da zu Husserl zusammenschreibt, das hätte ich ja zur Not auch noch hingekriegt. Wenn Sartre Karl Jaspers einen christlichen und Martin Heidegger einen atheistischen Existenzialisten nennt, dann kann er das Anliegen von
Sein und Zeit nicht im Ansatz verstanden haben (nämlich, Katholische Philosophie radikal zu erneuern; von Grund auf, und das ist vor Aristoteles, neu aufzubauen). Aber beide originelle Philosophen, die gute Beiträge abgeliefert haben; das Sympathische an den Franzosen: Man kann sie sogar lesen. Von Precht ist da nichts, was einer in 100 Jahren mal entdecken und an der Uni vorstellen könnte. Das ist gute Sekundärliteratur, nicht die schlechteste Einstiegsliteratur für Erstsemester; seine originellen An- und Einsichten aber sind die eines
public intellectual, nicht die eines Philosophen. Ist ja kein Manko, nur geht mir auf den Keks, daß er selber als Berufsbezeichnung „Philosoph“ angibt, und nicht etwa „Publizist“.
Wobei, zugegeben. Precht ist da für mich ein Stück weit auch ein Blitzableiter, ich bin sauer auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der heute keinen Bildungsauftrag mehr wahrnimmt, sondern nur noch Entertainment. Und „Bildung“ läuft dann bei ihnen unter
edutainment. Mal ehrlich: Was Precht, da kann er nichts für, qualifiziert als Fernseh-Philosophen, das ist doch nicht, was er zu sagen hat. Sondern daß er so lustige Haare hat. Wie schon sein Vorgänger, Peter Sloterdijk. Der allerdings ist
wirklich ein Schwergewicht in der Philosophie. Überschätzt sich vielleicht – kann auch Medien-Attitüde sein –, aber der ist auch als Philosoph wirklich gut. Aber für's Fernsehen war wichtig seine Frisur.