AW: UNO und Libyen
Nur, was soll man mit Gaddafi noch verhandeln? Er hält sich doch sowieso nicht an Absprachen, ist unberechenbar.
Seine Person hält die etablierten Kräfte zusammen, was nicht heißt dass er die inhaltlich bestimmende Kraft darstellt. Auf diese Weise war mit Libyen in der Vergangenheit trotz Gaddafis zunehmenden Verwirrtheit auszukommen. Es ist schlicht noch keine bilaterale Absprache aus diesem Konflikt hervorgegangen. Das ist nach eineinhalb Monaten militärischer Auseinandersetzung und den vorgeblich humanitären Zielsetzungen der Vier-Nationen-"Weltgemeinschaft" ein diplomatisches Versagen der Beteiligten und Unbeteiligten, auch Deutschlands. Wohin die Art der Auseinandersetzung driftet, hat der Bombenanschlag in Bengasi letzte Woche gezeigt. Jegliche Staatsmacht zu zerschlagen, bevor auch nur ein Gedanke daran verloren wurde, wie sie zu ersetzen sei, ist verheerend. Selbst der Irak-Krieg wurde in dieser Hinsicht mit mehr Intelligenz geführt (was man notfalls am direkten Vergleich Condoleezza Rice - Hillary Clinton festmachen kann).
Wahrscheinlich muss man irgendwann doch mit schwerem Geschütz einmarschieren und dem kranken "Zahn" die Wurzel ziehen.
Wenn sich die Nato jetzt zurück zieht oder nur halbherzig kämpft, wird es niemals zu einem zufriedenstellenden Resultat kommen.
Die Rhetorik passt nicht zu den besorgten Feststellungen, wieviele Zivilisten Gaddafi auf dem Gewissen habe. Die NATO kämpft nicht halbherzig sondern derzeit noch unter weitgehender Beachtung einsatztaktischer Richtlinien, die dem Rechtsverständnis ihrer Mitgliedsstaaten entspringen. Derlei Prinzipien verzögern natürlich auch das Erreichen "zufriedenstellender Resultate", so wie sie dem Grundsatz nach schon auf geostrategischer Ebene die Maßgeblichkeit der Zufriedenheit mit den inneren Machtverhältnissen eines anderen Landes für ein militärisches Eingreifen begrenzen sollten. Dass Bomben da nicht schnell genug fallen und der Luftraum für die Rebellen freigegeben werden müsste, ist deren Perspektive. Den westlichen Medien haben ein paar Interviews mit oft nicht mal 30-Jährigen, die in 40 Jahren Diktatur ein verlässliches demokratisches Bewusstsein erlangt haben sollen, und der zeitliche Zusammenhang mit den arabischen Revolutionen genügt, um sich uneingeschränkt auf diese Seite zu schlagen. Motive, Zusammensetzung und bekannte Kriegsverbrechen der Rebellen sind da kein Thema, während in jeder Taktik der Regierungstruppen eine besondere Grausamkeit erkannt wird. Das mag objektiv zutreffen und man kann dem Fernsehpublikum nur raten, die Bilder möglichst im Gedächtnis zu behalten. Denn wenn man die regionale Mentalität, das Operieren unter Luftbedrohung und die vergleichsweise schlechte Ausrüstung der Regierungstruppen in Rechnung stellt, sieht unterm Strich "counterinsurgency" in Afghanistan und Irak kaum anders aus. Enttäuschend, dass entgegen gerichtete Propaganda, die hier das Wesen des Krieges und dieser besonders schmutzigen Ausprägung offenbart, nicht mehr zu bewirken vermag als die Forderung nach einem entschlosseneren Vorgehen. So nachvollziehbar das nun aus der aktuellen, festgefahrenen Situation ist, so unbedacht wurde diese Lage erst aufgrund eines theoretischen Verständnisses von Schutzaufträgen der Damen Clinton, Power, Rice und Slaughter verursacht. Zu befürchten ist, dass die USA den Aktionismus (bzw. die Instrumentalisierbarkeit) dieses schwachen Beraterkreises auch zukünftig in die NATO tragen und Deutschland damit in ernste Schwierigkeiten bringen.