AW: Vor- und Nachteile der Mentalitäten
Um die Diskussion wieder ein wenig zu beleben, werde ich mal einige "Mentalitätsunterschiede" aufzählen, die mir aufgefallen sind. Da ich allerdings noch nie in der Türkei gelebt habe, würde ich auch nicht von mir behaupten, die Kultur wirklich zu kennen. Aber vielleicht fallen einem dann bestimmte Unterschiede sogar noch stärker auf, weil man alles eher noch von Aussen betrachtet ? Je mehr man sich in einer Kultur einlebt und anpasst, desto mehr verschwimmen bzw verschwinden manche Unterschiede. Andere dagegen treten plötzlich besonders stark in Erscheinung. Erst im Ausland wurde mir oft klar, wie "deutsch" ich eigentlich doch bin.
Da ich mich und meine Landsleute am besten kenne, werde ich mich zuerst vor allem zu unseren deutschen Eigenheiten äussern:
Wenn man mit der Mehrzahl der Deutschen spricht, dann legen sie besonders viel Wert auf den Inhalt und die Wahl ihrer Worte. Alles, was sie sagen, muss gut durchdacht und zweckmässig sein. Dabei gibt es ein ziemlich deutliches Nord-Süd-Gefälle. Je weiter nördlich man kommt, desto mehr geizt der Deutsche mit vermeintlich "überflüssigen" Worten und Floskeln. Den Südländer erschreckt diese Wortkargheit und er legt sie daher auch nicht selten als fehlende Höflichkeit oder sogar Feindseeligkeit aus.
Eine gewisse Sonderrolle kommt dabei noch einmal unserer schönen Stadt Berlin zu, wo es allgemein als ziemlich "uncool" gilt, allzu freundlich, serviceorientiert oder höflich zu sein. Hier lebende Ausländer haben sich da teilweise auch schon sehr gut angepasst. Frisch angekommene Touristen oder Zugereiste sind allerdings immer wieder aufs Neue entsetzt, was für schroffe Antworten sie oft auf auch noch so vorsichtig und höflich gestellte Fragen bekommen. Allgemein gilt: Je freundlicher man den "gemeinen Berliner" anspricht, desto weniger verdient man seinen Respekt,. Und desto mehr läuft man auch Gefahr, eine spöttische, freche oder eben gar keine Antwort zu bekommen.
Besonders heikel ist das im Umgang mit Verkäuferinnen aus dem ehemaligen Ost-Berlin. Die von ihnen, die bereits zu DDR-Zeiten in dieser Branche tätig waren, halten zumeist auch stur an ihren alten Gewohnheiten fest. Von Ausländern wird das dann oft als Fremdenfeindlichkeit ausgelegt. Das ist allerdings schwer zu unterscheiden, da dieser feindseelige Umgang mit Kunden im früheren Ost-Berlin einfach Standart war und konsequent gegen alle und jeden angewendet wurde. In einigen Kaufhäusern und Supermärkten bemühen sich jetzt die Manager darum, die ostdeutschen Verkäuferinnen hinsichtlich der Servicementalität ein wenig zu "amerikanisieren", was dann zum Teil zu ziemlich absurden Erscheinungsformen führt. Statt der gewohnten "Berliner Schnauze" folgt dem Einkauf ein gequältes "Schönen Tag noch!" Und auch ein verkrampftes, angestrengtes Lächeln kommt neuerdings wie auf Knopfdruck. Manchen scheint man bei der Gehirnwäsche sogar ein bisschen Smalltalk antrainiert zu haben. Mit stumpfem Blick und und gepresster Stimme spulen sie Sätze wie "Ah, heute gibt's also mal wieder Blumenkohl ? Gesund, gesund!" ab und sehen dabei irgendwie gar nicht glücklich aus...
Das alles macht den Deutschen an sich natürlich nicht unbedingt sympathischer. Und wer mal eine Weile im Ausland war, braucht auch eine gewisse Eingewöhnungszeit, um mit diesen patzigen Antworten und den oft äusserst knapp gehaltenen, überheblichen Sprüchen wieder klarzukommen.
Was mir daran, aber trotz aller Nachteile, gut gefälllt, ist die doch verblüffende Ehrlichkeit. Lächelt dich ein Norddeutscher (oder gar Berliner) an, dann weisst du, woran du bist. Da geht es nicht darum, dir was zu verkaufen oder sich bei dir auf möglichst heimtückische Art "einzuschleimen". Dieses freundliche Lächeln, wenn auch äusserst selten angewandt, gilt WIRKLICH DIR! Du kannst dich also mit Recht glücklich schätzen. Und auch ein bisschen stolz darauf sein.
Wenn ein deutscher Mann vom "alten Schlage" von Liebe spricht, dann hat er sich das lange und reiflich überlegt. Ist er sich seiner Sache noch nicht wenigstens 200%ig sicher, wird er versuchen, diesen Ausdruck möglichst weiträumig zu "umschiffen". Auch nach Jahren einer festen, stabilen Partnerschaft kann es also passieren, dass eine deutsche Frau noch immer mit den Worten "Ich glaube, dich langsam wirklich zu mögen." abgespeist wird. Denn auch wenn der Mann ihr bisher immer treu zur Seite stand, stellt er sich eben die Frage, ob er ihr WIRKLICH ernsthaft versprechen kann, auch zukünftig nur sie zu lieben, ihr ewig treu zu bleiben und sie auch niemals zu verlassen, auch wenn sie 30 Kilo zulegen, durch einen Verkehrsunfall übel verunstaltet oder durch allerlei Neurosen und Ticks unerträglich werden würde. Da er dies nicht mit absoluter Sicherheit sagen kann, neigt der deutsche Mann gewöhnlich zu allerlei Relativierungen. Statt eines schmachtenden "Du bist die Liebe meines Lebens." bzw "die Frau meiner Träume" verstrickt er sich in unendliche Erklärungen und bemüht sich, seine Gefühle bestmöglich zu analysieren und möglichst wissenschaftlich exakt wiederzugeben. Bevor er behauptet, sie sei die schönste Frau, die er in seinem Leben je getroffen habe, geht er in Gedanken alle weiblichen Wesen durch, die ihm bisher begegnet sind. Und besteht auch nur der geringste Zweifel, was natürlich mehr als wahrscheinlich ist, dann verkneift er sich dieses Kompliment.
Nicht anders als Frauen überall auf der Welt, träumt auch die deutsche Frau von der grossen Liebe und dem Märchenprinzen, der all ihre Träume wahr werden lässt. Und einer dieser Träume ist eben der "Prinzessinnentraum". Schon als kleines Mädchen lauschte sie den Märchen der Gebrüder Grimm und wünschte insgeheim, dass auch sie irgendwann von einem schönen Prinzen zu seiner Märchenprinzessin auserkoren wird. Dass ihr, wie dem Schneewittchen ein Spieglein sagt, sie sei die Schönste im ganzen Land. Dass viele mutige Prinzen nur für sie allein ihr Leben in der Dornenhecke lassen, alles riskieren, nur um SIE wachzuküssen, dass der von Aschenputtel verlorene Schuh NUR IHR ALLEIN passt... Und im Märchen wurde dann gewöhnlich drei Tage und drei Nächte Hochzeit gefeiert. Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende....
Tja, und dann die Märchen von Wilhelm Hauff und die Geschichten aus 1001er Nacht! Schöne Prinzessinnen, mandeläugige, heißblütige Prinzen, geheimnisvolle Liebe zwischen exotischen Palästen, Karawanen und Wüstensand. Ein orientalischer Traum!
Und dann trifft deutsche Frau, deren Mädchenträume nicht mal ansatzweise realisiert wurden, auf orientalischen Prinzen: sprich Askim.
Plötzlich sagt ihr jemand all das, was sie schon immer hören wollte. Er verschlingt sie förmlichst mit seinen heißen Blicken, will ihr die Sterne vom Himmel holen, macht ihr Komplimente und Liebesgeständnisse, die sie von ihrem deutschen Mann seit 10 Jahren (wenn überhaupt) nicht zu hören bekam.
Aufgrund ihrer Sozialisation neigt sie natürlich dazu, das Gesagte auch entsprechend Ernst zu nehmen. Der Satz "Ich liebe dich." ist für sie somit Ausdruck tiefster menschlicher Verbundenheit. Und wenn er ihr sagt, sie habe die schönsten Augen, die er je gesehen habe, dann zeigt sie sich aufrichtig gerührt.
Während deutsche Männer sie auf der Straße kaum beachten würden, selbst wenn sie "nackt" unterwegs wäre, werfen ihr die orientalischen Männer allerorts schmeichelnde Blicke zu, flirten mit ihren Augen und überschütten sie mit Aufmerksamkeiten und Komplimenten.
Was ihr dabei allerdings nicht auffällt, ist, dass dies alles nicht IHR PERSÖNLICH gilt. Es ist einfach allgemeiner Usus.
Ebenso verhält es sich beim Einkauf oder beim Besuch eines Restaurants. Der nicht besonders verwöhnte Deutsche ist von der Freundlichkeit des stetig lächelnden Verkaufs- und Servicepersonals geradezu entzückt. Er freut sich aufrichtig über die ihm gegenüber gezeigte Zuneigung und nimmt oft sogar fälschlicherweise an, bereits neue Freunde gefunden zu haben.
Und Freundschaft bedeutet viel in Deuschland: Man hilft sich beim Umzug, bei finanziellen Engpässen, erzählt sich seine intimsten Probleme, tröstet sich bei Liebeskummer und Trauerfällen. Besonders im Leid stehen einem "wahre Freunde" zu Seite. Das macht Freunschaft aus.
Aber es ist nicht leicht, in Deutschland Freunde zu finden. Bevor man in den "Kreis der Auserwählten" hereingelassen wird, wird man erst mal vorsichtig "abgecheckt" und "durchgescannt". Man unterscheidet strikt zwischen Freunden und Bekannten. Und es reicht nicht aus, mit jemandem Spaß auf Partys zu haben, sein Arbeitskollege zu sein oder gemeinsam Sport zu treiben, um zu seinem Freundeskreis zu gehören.
Freunde wählt man sich sehr sorgfältig aus. Und die meisten Deutschen haben dafür auch ziemlich genaue Kriterien, die natürlich von Person zu Person sehr unterschiedlich sein können. Wer in einen Freundeskreis nicht reinpasst, muss somit "leider draußen bleiben". Da sind die meisten Deutschen ziemlich selektiv. Es ist ein bisschen so, als würde man sich um einen Job bewerben. Wenn dem Personalchef der Lebenslauf nicht passt und man sich im Bewerbungsgespräch auch nicht gut genug ins rechte Licht gesetzt hat, dann kriegt man ne Ablehnung. Es reicht also nicht aus, freundlich sein Wohlwollen zu signalisieren, man muss dem potentiellen Freund auch "interessant" genug erscheinen, damit er einem die "Ehre seiner Freundschaft" erweist.
Ok. Das waren erst mal ein paar der von mir bemerkten Mentalitätsunterschiede. Zugegeben: etwas unstrukturiert und willkürlich. Eben alles, was mir gerade spontan einfiel...
Ganz bewusst habe ich bei manchen Sachen etwas übertrieben, um auch ein bisschen euren Widerspruchsgeist herauszukitzeln. Also bitte nicht alles "bierernst" nehmen !!!!
Freue mich über Kommentare, Ergänzungen und natürlich eigene Beiträge von euch!
Einen schönen Tag noch :mrgreen: cassandra
