ich denke, jede der hier geaeusserten Ansichten hat seine Berechtigung. Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist eine uferlos umfassende, eine sehr undankbare Sache. Nicht selten gelangt man dabei an Punkte, in denen man meint, sich die ganze Zeit nur im Kreis gedreht zu haben.
Dann ist es durchaus folgerichtig, an einem dieser Punkte zu postulieren, dass es die Antwort gar nicht gibt und die Frage unsinnig ist. Die Sache ist nur die, dass das Leben an diesen Punkten trotzdem weitergeht und an jedem Tag jeder einzelne wieder Dutzende von kleinen Entscheidungen zu treffen hat, die irgendwie mittelbar oder unmittelbar dann doch die Frage beruehren, welchen Wert ich mir selbst, meinem Leben, meinen Mitmenschen oder irgendwelchen anderen Dingen beimesse. Entscheidungen wie "gehe ich jetzt mit dem Auto, mit dem Bus oder zu Fuss zum Supermarkt", "lese ich jetzt ein Buch, treffe ich mich mit Freunden (welchen Freunden?) oder gucke ich fern", "setze ich mich jetzt durch oder goenne ich dem anderen sein Erfolgserlebnis" usw. usf. Das hat, ob man es will oder nicht, direkt oder indirekt immer mit Fragen zu tun wie "was bin ich eigentlich, warum bin ich hier, warum tue ich das"?
Da das Leben also weitergeht, muss diese Frage nach dem Sinn des Lebens, wenn man sie denn fuer unsinnig erklaert hat, durch irgendetwas anderes ersetzt werden. Es ist also nicht so, dass da eine Luecke oder Leere statt dieser Frage zurueckbleibt (denn dann muesste folgerichtig das Leben zu Ende sein), sondern dass es durch irgendetwas anderes ersetzt wird.
Cilek sagt beispielsweise "einfach (weiter-)leben"! Das wuerde nichts anderes bedeuten, dass ich den weiteren Verlauf einerseits dem Zufall, andrerseits aber auch meinen bis dahin erworbenen Angewohnheiten (zu entscheiden und zu handeln) ueberlasse. An die Stelle der Frage waeren also Zufall und Bauch gerueckt.
Taner spricht von Ausgeglichenheit. Ich denke, man kann das auch mit einer gewissen Coolness uebersetzen, ein ueber den Dingen stehen, sich nicht so leicht mitreissen lassen, sich beherrschen und kontrollieren. Das hat sicher seine Vorteile, wenn es darum geht, unangenehme Situationen und Gefuehle zu vermeiden. Aber wie sieht es mit den angenehmen aus? Kann es moeglich sein, sich dem EInfluss von Leid und Unglueck zu entziehen, dabei fuer Freude und Gluecksgefuehle aber weiterhin empfaenglich zu sein.
Ich fuerchte, das geht nicht so einfach. Meinen Erfahrungen nach sind die Ausschlaege nach unten in der Regel denen nach oben gleichwertig. Man wird also insgesamt etwas apathischer, entzieht sich etwas mehr dem Leben und das beruehrt dann natuerlich auch wieder direkt die Frage nach dem Sinn und dem Wert des Lebens. Ausserdem sagten wir Kontrolle und Beherrschung; jede Regelung braucht doch auch irgendwelche Prinzipien, muss doch gewissermassen zielfuehrend sein, ist es nicht so?
Dass ich trotz aller Nachteile an der Frage und seinem Sinn festhalte, hat wohl mit einem gewissen Mass an Eitelkeit und Stolz zu tun: ich will einfach nicht belogen werden, nicht einmal von mir selbst. Und auch, wenn ich das letztendlich doch nicht verhindern koennen sollte, finde ich es doch richtig, alles dafuer zu tun, es zu versuchen.