AW: Wut / Freitag 29.09.06 22.00 Uhr ARD
Hmm, also ... Überschlafen hat's nicht besser gemacht. Dabei war der Film gut gemacht, erschreckend gut, bedenkt man z.B., dass die gröbsten Gewaltszenen sehr zurückgenommen erzählt wurden, überwiegend ohne Ton und lediglich unterlegt mit nahezu meditativer Musik. Keine Frage, der Regisseur versteht sein Handwerk...
Das Problem, das die ganze Chose partiell in die Nähe übler Demagogie rückt, sind die aus meiner Sicht wirklich perfiden Details, die ich gestern mehr am Rande registrierte. Man überlege sich mal folgendes: Liberaler Literaturprofessor (politischer Correctness (?) halber heißt er nicht einfach Hans Schmidt, nein, sondern "Simon Laub" -- dezenter Hinweis auf jüdische Abstammung) rutscht unfreiwillig und unschuldig durch den Kontakt seines Sohnes mit einem bauernschlauen, vital bedrohlichen Widerling anatolischer Abstammung (und dessen Street-Gang) immer tiefer in einen mörderischen Konflikt. Stärker konstruierte Gegensätze sind nicht denkbar.
Wir sollen also merken, im übertragenen Sinne: Dichter und Denker, die ja bekanntlich die aufklärerischen Werte abendländischer und insbesondere deutscher Kultur hochhalten - auch wenn man das hierzulande nicht immer zu schätzen weiß, außer vielleicht zu PR-Zwecken - sind wieder bedroht. Diesmal nicht von braunen Horden inländischer Abkunft (das Thema ist offenbar grad mal wieder durch..), sondern von eingewanderten Barbaren, die nur das archaische Faustrecht kennen und alle Werte, wofür das Bildungsbürgertum und die gehobene Mittelschicht stehen, mit Füßen treten.
Ich kann mir nicht helfen, der Vergleich mag vielleicht überzogen sein, aber das hat was von Leni Riefenstahl. Im Übrigen auch, was die Ästhetisierung der Gewaltszenen und somit zentraler Aussagen betrifft. Puuh, da wird mir richtig übel.
Keine Frage, dass Jugendkriminalität ein Problem ist; keine Frage, dass Youngsters ausländischer Herkunft oft ähnlich hanebüchenen Blödsinn im Sinn haben wie gleichaltrige Deutsche. Keine Frage, dass Gewalt bei Auseinandersetzungen unter Jugendlichen eine erschreckend große Rolle spielt, dass häufig Drogen im Spiel sind, Eltern dann machtlos davorstehen, dass Prävention das A und O ist, Finanzkürzungen im Jugendbereich nicht hinnehmbar, dass mehr Ganztagsschulen sicher dazu beitragen könnten, einen Teil der Problematik aufzufangen bzw. zu entschärfen... usw. usf.
Die ganze Palette, die halbwegs hellsichtige Jugend- und Sozialpolitiker schon seit langem rauf und runter beten, ohne hinreichend Gehör zu finden.
Aber hat es wirklich dieses Filmes bedurft, um solche Binsen zu thematisieren? Nee, finde ich nicht, auch wenn das Studiopublikum gestern voll des Lobes war ("ungemein wichtig"... "wertvoll"... ). "Pädagogisch besonders wertvoll" sagte übrigens keiner, glaube ich - aber das kommt bestimmt noch...
ps @2ba: Pfeiffer, Christian, ist in punkto Kriminalstatistik wirklich unschlagbar. Fand ich gut, dass sie den eingeladen haben, erstens weiß er vieles sehr viel genauer, und um hochkochende Betroffenheitssoße abzukühlen, sind Zahlen und Fakten ja auch recht hilfreich. Es rückte zumindest einiges zurecht, auch wenn das im Nachhinein vermutlich doch nur wieder untergeht bzw. allenfalls von tatsächlich interessierten Menschen registriert werden dürfte.