AW: Aghet – ein Völkermord, ARD, 09.04.2010 um 23:30 Uhr
Ich bin weder Türke noch Armenier und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich die Doku nicht gesehen habe, weil ich vor Sendezeit eingeschlafen bin. Mit der Geschichte Armeniens habe ich mich aus anderen Gründen intensiv befasst.
Ich habe weiter das Glück in einem Land aufgewachsen zu sein, dass direkt keine Völkermorde aus der Vergangenheit mitschleppt (indirekt schon, wie ich meine).
Es ist so, eine Tatsache, dass immer das Kollketiv für Verfehlungen gerade stehen muss, ganze Völker, ganze Generationen. Die Weltgeschichte ist voll davon. Hass ist anerzogen und wird über Generationen weiter gegeben.
Wie hier und andersowo geschrieben, was geschehen ist, ist ein Fakt, eine Tatsache. Ich bin der Meinung, vergessen darf man es nie, niemals. Aber es ist Zeit, dass man - wie Mängelexemplar schreibt - aufeinander zugeht, sich damit auseinandersetzt, gemeinsam trauert und aufarbeitet. Denn die heutige Generation hat damit definitiv nichts zu tun. Aber da ist die Politik im eigenen Land, mit einer diktatorisch angehauchten Führung, die offenbar nur proforma Willens ist, etwas zu ändern. Meiner Ansicht nach, als Aussenstehende.
Wie also können junge Menschen behaupten, jemanden aus einer anderen Volkszugehörigkeit zu "hassen", zu verachten, nur aufgrund dessen Staats- und Volkszugehörigkeit, aufgrund eines Krieges, in denen vielleicht ihre Grossväter oder Urgrossväter haben kämpfen müssen? Nicht einmal gebildete, studierte Menschen in der Lage sind, zu differenzieren? Mir selber passiert - mit einem Arzt aus Istanbul - mit dem ich mich ab und an unterhalten hatte, bis zu jenem Tag, als Armenien ein Thema war - und dies nur im Zusammenhang mit Literatur und Musik. Von einer Lehrerin und einem Kinderarzt wurde mir nahe gelegt, ihnen gegenüber nicht von "Ararat" zu reden, sondern von "Ağrı Dağı" (dies ebenfalls im Zusammenhang mit Literatur, nichts anderes).
Wie können Menschen über Nacht zum Schluss kommen, der Nachbar ist des Teufels und muss mit der Machete abgeschlachtet werden (Ruanda)?
Ich habe einmal einen Doku über den KKK (Ku-Klux-Klan) der Neuzeit, aus den 90-er Jahren, gesehen, diese verfolgt mich heute noch. Die Kinder haben die Hasstiraden Tag für Tag zu hören bekommen. Ohne je einen "schwarzen Mann" gesehen oder gesprochen zu haben, war es für sie klar, dass es so ist, wie es ihnen gesagt wird. Gehirnwäsche. Genauso wie das Kind in "Palästina" weiss, dass Israel böse ist, das israelische Kind, dass die Araber böse sind. Genauso wie das nordkoreanische Kind weiss, dass es hungern muss, weil es das böse Amerika gibt. Genauso wie es gewissen Organisationen gelungen ist, den Islam für Bomben und Terror einzuspannen.
Es scheint irgend wie einfacher auf dieser Welt, Hass zu verbreiten und insbesondere am Leben zu erhalten. Ideologien des Hasses, Verachtung von Menschen und ganzen Volksgruppen. Einfacher, als Vergebung und ein Neubeginn, einfach als die Vergangenheit ruhen zu lassen, aber nicht zu vergessen.
Ging es nicht auch um das Joghurt gestern, mit dem Bild eines Türken auf einem griechischen Joghurtbecher? Ob der Mann sich tatsächlich deshalb aufgeregt hat, weil er sich auf einem griechischen Joghurtbecher wiederfand, wie es der Artikel vermittelt? Ein Joghurt wird zur Staatsaffäre - will ich damit ausdrücken.
Es bleibt die Hoffnung, nur die Hoffnung.
VanArarat